Heute empfehle ich Bücher, die sich wunderbar dazu eignen im Sonnenschein gelesen zu werden.
Thorsten Nagelschmidt
DER ABFALL DER HERZEN
(Fischer)
In der Jetztzeit beginnt der Autor mit einer Spurensuche in der Vergangenheit. Eigentlich arbeitet er gerade an einem Skript für sein neues Buch, in dem es um Medikamentenmissbrauch, Paarstrukturauflösung und die Karibik gehen soll, aber nach einem Kneipengespräch mit seinem alten Kumpel Sascha, sind seine Gedanken ganz wo anders. Nämlich in Rheine, im Jahr 1999. Gut das er schon immer ein akribischer Tagebuchschreiber war, der alles notiert hat.
„Der Abfall der Herzen“ spielt auf zwei Ebenen, im Hier und Jetzt und im finalen Sommer des letzten Jahrtausends, als es noch die D-Mark gab, nur Poser ein Handy hatten und Filme noch aus der Videothek geholt wurden. Nagel ist 23, Punkmusiker und verdient sein Geld mit einem Nebenjob beim Dekoartikelversand. Seit Jahren ist er mit Nina zusammen, aber die treibt sich jetzt immer öfter mit Timo rum und das verträgt er gar nicht. Und so wird dieser heiße und scheinbar endlose Sommer zu einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Voll von Rausch, Wut, Resignation, Melancholie und Hoffnung.
Dem Autor gelingt es die Kleinstadtatmo spür- und fühlbar zu machen, mit allerlei schrägen Gestalten, tumben Dorfnazis und schlechten Kneipen. Durch die vielen Konzerte, auf denen Nagel und seine Clique unterwegs sind, wird auch die damalige Musikkultur ausgiebig zelebriert. Das sind sicherlich die großen Stärken des Buches und bietet vielen Lesern die Gelegenheit in die (eigene) Vergangenheit zu reisen. Was dem Autor gar nicht gelingt, ist es den Leser für seinen Helden, bzw. sein eigenes Alter Ego einzunehmen. Weder in der Jetztzeit noch in der Vergangenheit.
Insgesamt ist „Der Abfall der Herzen“ eine interessante Zeitreise, aber niemals ein fesselndes Buch und über dem Ganzen liegt eine gewisse Fadheit, die sich auch nicht in einem großen Knall auflöst, wie man eigentlich hofft. Schade drum, denn eigentlich mag ich Thorsten Nagelschidt sehr gerne.
Nina Brochmann & Ellen Stokken Dahl
VIVA LA VAGINA!
(Fischer Verlag)
Nina Brochmann und Ellen Stokken Dahl kommen aus Norwegen und arbeiten dort als Ärztinnen und Sexualberaterinnen. Mit „Viva La Vagina“ legen sie nun ein Sachbuch vor, das sich ganz dem weiblichen Geschlechtsorgan widmet. Entstanden ist das Buch aus dem Blog, den die beiden in ihrer Heimat betreiben, und der sich anfänglich vor allem an Teenies richtete. Die Zugriffszahlen explodierten regelrecht und die beiden merkten schnell, dass der Bedarf nach Informationen riesig war. Und das nicht nur in der eigentlich avisierten Zielgruppe, sondern in allen Altersgruppen. Offensichtlich hatten sie nicht nur das richtige Thema, sondern auch den richtigen Ton getroffen!
„Viva La Vagina“ ist natürlich ein Buch das sich in erster Linie an Frauen richtet, aber auch für Männer bietet es eine wunderbare Gelegenheit, sich endlich einmal umfassend und vor allem ohne jede Scham über das „andere“ Geschlecht zu informieren. Und viele Dinge zu lernen und zu verstehen!
Die beiden schreiben vollkommen unverkrampft und leicht verständlich, man hat nie das Gefühl, dass irgendetwas peinlich ist. Das Buch ist in 5 Kapitel aufgeteilt: „Der Genitalbereich“, „Ausfluss, Monatsblutung und andere Säfte“, „Sex“, „Empfängnisverhütung“ und „Trouble im Intimbereich“.
Innerhalb der verschiedenen Kapitel finden sich dann Unterartikel, die sich flott hintereinander lesen lassen, aber auch die Möglichkeiten bieten nachzuschlagen, wenn ein Thema gerade besonders wichtig ist. Viele Informationen dürften für Leserinnen und Leser relativ neu und überraschend sein, einige scheinen mir jedoch auch relativ fraglich. So etwa, wenn die beiden beim Thema Intimrasur dringend dazu raten, eine Rasierklinge aus hygienischen Gründen nur einmal zu benutzen. Das dürfte Gillette, Wilkinson und Co. zwar freuen, ist aber ausgemachter Schwachsinn…