Experience Inc, das Studio hinter Ray Gigant, war Rollenspiel-Freunden außerhalb Japans bis noch vor wenigen Jahren ein unbeschriebenes Blatt. Doch mit Spielen wie Stranger of Sword City und Operation Abyss hat das kleine Studio auch in unseren Breitengraden mittlerweile einen kleinen Kultstatus erlangt. Die Dungeon Crawler des Studios haben dabei eins immer gemeinsam: Sie sind knallhart.
Ray Gigant stellt das krasse Gegenteil dazu dar und wurde konzipiert, um auch Neulingen Dungeon-RPGs schmackhaft zu machen. Daher legten die Entwickler einen größeren Fokus auf Story-Szenen als auf hartes Kerkerforschen.
Die Giganten kommen
In Ray Gigant kamen am sogenannten Zero-Day Giganten auf die Erde, die verschiedene Städte zerstörten und die Erdbevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Lediglich Teenager mit einer bestimmten Fähigkeit können sich den Monstern in den Weg stellen. Und so wird im Herzen Tokios die Gigant Defense Force errichtet: Von außen eine Schule, in Wahrheit der Menschheits letzte Hoffnung. Über den Spielverlauf hinweg, rücken drei verschiedene Protagonisten in den Mittelpunkt, die langsam ein Geflecht an dubiosen Organisationen und schockierenden Wahrheiten entwirren.
Die ausufernden Dialoge, die hauptsächlich mit Standbildern erzählt werden, sind jedoch oft wenig interssant oder charmant. Dies mag auch der etwas steifen und mit einigen Fehlern versehenen englischen Übersetzung geschuldet sein, welche die ansonsten interessante Story etwas zurückhalten.
Strahlender Held oder fauler Däumchendreher?
Wenn es dann doch einmal in ein Dungeon geht, gilt es Genre-üblich aus der Ego-Ansicht ein Labyrinth Schritt für Schritt zu erforschen. Auffällig hierbei: In Ray Gigant gibt es keine Zufallskämpfe, stattdessen werden alle Gegner sichtbar auf der Map angezeigt — und das sogar in verschiedenen Farben, die signalisieren, ob es sich um einen „Heavy“, „Light“ oder „Normal“ Widersacher handelt.
Um die Bedeutung dessen zu verstehen, ist es notwendig, das Kampfsystem von Ray Gigant etwas näher zu beleuchten. Im Kampf teilt sich die Spielerparty einen AP-Pool, der maximal 100 Punkte betragen kann. Jeder Angriff kostet eine gewisse Menge an AP und es steht dem Spieler frei, wie er diese auf die verschiedenen Party-Mitglieder verteilen möchte. Soll jeder Charakter einmal angreifen? Ein strahlender Held gleich fünfmal, während der Rest Däumchen dreht oder versucht AP zu regenieren? Oder sollen gar alle Charaktere mit maximalem Krafteinsatz in die Runde ziehen und somit den AP-Pool ordentlich belasten?
Bevor man leichtfertig AP verprasst, sollte man sich über eines im Klaren sein: Im Anschluss eines Kampfes regeneriert man zwar eine gewisse Menge an AP, doch nicht den gesamten Wert. Wer zu offensiv spielt, kann früher oder später in die Situation kommen, nach einem erfolgreichen Kampf keine AP mehr zu besitzen — und somit in der nächsten Schlacht wehrlos aus der Wäsche zu gucken.
Einfach oder zu einfach?
Hier kommen die verschiedenen Gegnerfarben ins Spiel. In einem Heavy-Encounter kostet jeder Angriff nämlich besonders viele AP, während in Kämpfen gegen leichte Gegner jede Aktion weniger AP als üblich verlangt. Ein Heavy-Encounter sollte man daher nur angehen, wenn man einen reichbefüllten AP-Pool besitzt, während Light-Encounters sich dazu anbieten, seinen Pool wieder etwas aufzutanken. Da der Schwierigkeitsgrad sehr niedrig angesiedelt ist, kommt man jedoch nur selten in eine Situation, in der einem die AP tatsächlich ausgehen würden. Ab und zu wird der Kampfalltag aufgelockert, in dem man z.B. im Slash Beat Mode in einem Rhythmus-Minigame eine gigantische Kombo aus dem Hut zaubert.
Aufgrund der niedrigen Herausforderung fehlt Ray Gigant allerdings etwas die Angst vor dem Untergang, die einen Dungeon Crawler erst richtig spannend macht.
Wenn es im Dungeon dann doch einmal brenzlig werden sollte, kann man jederzeit in seine Basis zurückkehren, sich heilen, abspeichern und einen neuen Abstecher in den Dungeon wagen. Aber Achtung: Wer seinen Schwanz einzieht, gibt auch den Gegnern Möglichkeit sich wieder zu regenerieren. Damit man nicht bei jedem Dungeonausflug alle Gegner neu besiegen muss, sollte man also seine Augen offen halten, um Abkürzungen freizuschalten.
Die Standbilder in den Story-Szenen sind zwar nicht sehr spannend und die 3D-Grafik in den Dungeons sehr simpel, die Präsentation von Ray Gigant weiß jedoch im Kampf zu überzeugen: Denn hier sind Freund und Feind animiert als wären sie einem Anime entsprungen. Das sieht cool aus und unterstreicht die coolen Monster-Designs. Leider hat das Budget aber nicht ausgereicht, um auch Kampfanimationen in diesem Stil zu erstellen.
Ray Gigant – Fazit
Ray Gigant ist ein Dungeon-Crawler für Einsteiger, der mit seinem niedrigen Schwierigkeitsgrad, spielerfreundlichen Features und einem Fokus auf Story Neulingen von den Qualitäten des Genres überzeugen soll. Wie es oftmals so ist mit Spielen, die weniger erfahrene Spieler anzusprechen versuchen, kommt die wahre Faszination hinter DRPGs jedoch nicht so gut rüber wie man es sich wünschen würde. Ein solides Spiel für diejenigen, denen Stranger of Sword City zu brutal und Etrian Odyssey zu trocken ist.
Bildquelle(n): Bandai Namco Entertainment, Acttil
Infobox:
- Titel: Ray Gigant
- Publisher: Acttil
- Entwickler: Experience Inc
- Release: 03.05.2016
- Plattform: PS Vita
- USK: 12
- Genre: RPG
- Sprache: Englisch (Text), Japanisch (Synchro)
- Multiplayer: Nein