Betrachtet man die Popularität von One Piece, sowohl in Japan als auch im Westen, ist es doch stark verwunderlich, dass das Franchise noch nie ein wirklich großes Kampfspiel hervorbrachte. Zwischen 2000 und 2008 gab es durchaus hin und wieder einen Versuch, den meistverkauften Manga der Welt als Kampfspiel umzusetzen, aber nichts wirklich nennenswertes kam dabei heraus. Nach den mehr oder minder erfolgreichen Abenteuern in “One Piece: Unlimited Cruise” und “One Piece: Pirate Warriors” kehrt Spike Chunsoft unter Bandai Namco nun zu den Wurzeln des Shonen-Genres zurück: Dem Kampf!
Arena Brawler vs Fighting Game
Burning Blood ist ein Arena-Brawler, der sich ein bisschen was von der “Naruto Ultimate Ninja Storm” Reihe abgeguckt hat. Diese Entscheidung macht durchaus Sinn, denn die wenigsten Shonen-Serien passen ins Konzept eines räumlich limitierten, strategischen Kampfspiels wie Street Fighter oder Mortal Kombat. Niemand ist hier für eine Challenge von perfekter Reaktionszeit und unmöglicher Kombos. Wir wollen epische Schlachten sehen und so eindrucksvoll draufhauen, wie es die Grafik erlaubt. Das ist das Ziel von Burning Blood, und dieses Ziel wird auch erreicht. Doch was bedeutet das für das Kampfsystem?
Style over Substance
One Piece: Burning Blood hat ein extrem schwaches Balancing. Das ist nicht überraschend, aber zugegeben auch nicht unnormal für die Sparte. Dragonball Z Games wären nur halb so lustig, wenn klein Gohan wirklich genau so stark wäre wie Super Sayajin Vegeta. Ein gewisses Maß an Kraftunterschieden in Charakteren ist heutzutage in den meisten großen Anime-Adaptionen vorhanden. Doch während dies für Realismus sorgt, ändert es nichts daran, dass es der kompetitiven Natur eines Brawlers immens schadet, wenn Whitebeard mit Chopper den Boden aufwischt. Balancing ist in dieser Art von Spiel oft eine der letzten Prioritäten – und das zeigt sich hier nicht nur im Verhältnis zwischen den Charakteren, sondern auch in der Schwierigkeit des Einzelspieler-Modus. Die KI der Gegner ist relativ schwach und das ändert sich auf hoher Schwierigkeit nur wenig. Stattdessen wird ein billiges Handicap vollzogen und die Gegner haben lediglich fünf Mal so viel Lebenspunkte wie der Spieler. Das wiederum führt dazu, dass der Singleplayer zu einem Spam-Fest wird, weil Shield-Breaks zu spammen einfach die effektivste Strategie ist, um so viele gegnerische Optionen wie möglich abzudecken. Street Fighter und Smash Bros. beispielsweise sind im Einzelspieler hingegen schwierig, weil die Gegner intelligent sind. Sie frustrieren, weil man nicht an sie herankommt ohne zu üben. In One Piece: Burning Blood prügelt man sieben Kombos in den Gegner und verliert daraufhin, weil man von einer Spezial-Attacke getroffen wird, die einem das halbe Leben abzieht. Der Schwierigkeitsgrad in Burning Blood ist sehr lieblos rangeklotzt.
Das Kampfsystem an sich
Das Kampfsystem selbst hat ähnliche Probleme. Manche Attacken sind um Längen Effektiver als andere. Die meisten Kämpfe im Story-Modus sind durch das Spammen der Viereck-Taste sehr gut zu bewältigen, und versucht man, Spezial-Angriffe zu benutzen, um Abwechslung reinzubringen, sind sie entweder so stark, dass man gar nichts anderes mehr einsetzen will oder sie benötigen so viel Zeit zum Aktivieren, dass man durchgängig dafür bestraft wird, sie auszuprobieren. Dazu kommen die Combos! Wie auch in Naruto Ultimate Ninja Storm scheinen die Entwickler derartiger Spiele zu missverstehen, was eine Combo ausmacht. Anstatt dem Spieler die Möglichkeit zu geben, verschiedene Angriffe in komplizierten, aber lohnenswerten Tastenkombinationen zusammenzuketten, wird ein Knopf durchgängig gedrückt – und das ist die einzige echte Combo, die das Spiel zu bieten hat. Ja, man kann Mal hier eine Spezialattacke einfügen und da den Gegner zufällig aus der Luft greifen, aber das gesamte Kampfsystem und die Physik, kombiniert mit den sehr großen Stages, machen konsistente Combos außerhalb der vorgesehenen Standard-Version zu einer großen Glücks-Frage. Aus der Standard-Combo herauszukommen ist ebenfalls schwer oder fast unmöglich, was in Ordnung gehen könnte, wäre es tatsächlich eine Herausforderung, besagte Kombo zu initiieren und zu Ende zu führen. Es sind derart kleine Dinge, die einem schnell den Spaß verderben, wenn man auf einen Gegner trifft, der das System auszunutzen weiß. Sei das Online oder gegen die KI, die manchmal schwer zu konternde Angriffe spammt.
Ein One Piece Spiel an allen Ecken und Enden
Im Gegensatz zum eigentlichen Gameplay ist die Präsentation an sich extrem gut gelungen. Es gibt eine Vielzahl an spielbaren Charakteren mit (für das Genre unüblich) individuellen Movesets. Zudem wurden extrem viele Features aus dem Manga/Anime liebevoll ins Spiel eingefügt. Sanji ändert sein Verhalten, wenn er gegen Frauen kämpft und fügt ihnen kaum noch Schaden zu. Trafalgar Law muss seine “Room”-Fähigkeit aufrecht halten, um seine vollen Kräfte zu entfesseln. Logia-Nutzer können ihre Teufelsfrucht einsetzen, um gegen normale Angriffe immun zu werden. Der Gegner wiederum kann sein Haki verwenden, um diese Immunitäten zu umgehen. Es sind Ideen wie diese, die One Piece: Burning Blood extrem unterhaltsam machen können. Das Spiel repräsentiert das Franchise perfekt.
Über die Spielmodi braucht man nicht viele Worte verlieren. Es ist ein Kampfspiel – egal, in welchem Modus man sich befindet – am Ende wird sowieso immer gekämpft. Die Story im Speziellen bezieht sich nur auf die Marineford-Arc rund um die Rettung von Ace, aber aus der Perspektive verschiedener Charaktere. Das heißt im Endeffekt, dass der Storymodus meistens eine Reihe von Kämpfen zwischen den immer gleichen ca. 10 Charakteren (vor allem Ruffy, Whitebeard, Akainu, Aokiji und Kizaru) auf der immer gleichen Stage ist. Das ist im Grunde eine schwache Idee und nur zu empfehlen, wenn man etwas freischalten will oder die Geschichte noch nicht kennt.
Fazit
One Piece: Burning Blood ist ein tragischer Fall. Die Präsentation stimmt, der Wow-Faktor ist vorhanden, der Stil und die Grafik passen perfekt (bis auf die Schattierungs-Effekte) und es gibt viele einzigartige Charaktere. Gerade letzteres ist bei weitem nicht die Norm. Sowohl in den Dragonball Z als auch den Naruto-Spielen der letzten 5-10 Jahre unterscheiden sich Charaktere kaum noch. Meist sehr ähnliche Movesets mit anderen Effekten. Das sieht zwar anders aus, spielt sich aber immer gleich. One Piece: Burning Blood bricht diese Tradition und pekommt dafür dicke Pluspunkte, denn endlich lohnt es sich wieder, verschiedene Charaktere zu wählen. Das Kampfsystem ist allerdings eher schwach, ruiniert den Spielspaß gegen zu stark gebuffte Computer-Gegner und bietet sich nicht für ernst zu nehmende Kompetition an. Sehr schade, denn die Grundrisse und Mechaniken sind durchaus vielversprechend. Es fehlt dem Spiel keinesfalls an Tiefe, aber besagte Tiefe ist selten notwendig, und simple Combos und Spezial-Attacken sind meist der effektivere Weg zum Sieg. Das Ziel der Entwickler war höchstwahrscheinlich eine spaßige Adaption des Animes für zwischendurch. Diese ist durchaus gelungen, auch wenn sehr viel Luft nach oben ist. One Piece: Burning Blood ist eines der Spiele, das definitiv einen Nachfolger braucht. Denn wenn die Probleme im Gameplay ausgebügelt werden, hat es auf jeden Fall das Potenzial, das Shonen-Brawler-Genre anzuführen.
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Felix Thörl
Bildquelle(n): Bandai Namco