Nach einem mörderischen Aufenthalt auf der idyllischen Insel Sapienza – der mich vergangenen Monat atmosphärisch und spielerisch überzeugen konnte – verschlägt es mich als Auftragskiller Agent 47 diesmal in das kriegsgeplagte Marakesch in Marroko. Hier sind ein General und ein schwedischer Botschafter durch ihre skrupellosen Machenschaften in das Visier der Organisation geraten und sollen aufgrund der prekären politischen Situation möglichst unauffällig ausgeschaltet werden. Ein Auftrag, dessen ich mich erneut liebend gern angenommen haben. Zu recht?
Wer meine Tests zu den vorherigen Episoden nicht gelesen hat, dem lege ich insbesondere den zu der ersten ans Herz. Dort gehe ich genau auf technische und spielerische Details ein. Im folgenden Text werde ich lediglich auf die Inhalte der neuen Episode eingehen.
Marrakesch
Als ich vom Schauplatz des neuen Kapitels hörte war ich ehrlich gesagt nicht begeistert. Sowohl Frankreich mit seiner Modenschau als auch Italien mit seiner wunderschönen Insel im strahlend blauen Meer waren eine wahre Augenweide. Das von verschiedenen Kriegen tief gezeichnete und in Beige- und Brauntönen gehaltene Marrakesch hingegen, das in Trailern bereits zu sehen war, löste in mir keinerlei Verlangen aus, in diese Episode einzutauchen. Ich hatte das Gefühl, solche Schauplätze schon hundert- oder tausendfach gesehen zu haben, in den verschiedensten Filmen und Videospielen.
Ohne große Vorfreude startete ich also das Spiel, nahm resigniert zur Kenntnis, dass die von mir bereits zweifach beklagte Online/Offlineregelung noch immer in das Spiel implementiert ist und saß erneut eine unverständlich lange Ladezeit durch, bevor die Mission startete. „Na gut“, dachte ich mir und stürzte mich in die Stadt.
Gelungenes Design und überzeugende Atmosphäre
Keine 5 Sekunden war ich durch diesen Ort gelaufen, da stieß ich auf den Durchgang, der oben im Bild zu sehen ist. Eine wunderschöne Ansammlung verschiedenster Buntglaslampen die in vielfachen Tönen strahlten oder glommen. Ein wunderbarer Kontrast zu dem von mir schon im Vorfeld so befürchteten braun-beige-tristen Ambiente. Wenn ich sage, dass ich wie angewurzelt stehen blieb, ist das keine Übertreibung. Ich habe diese Detailverliebtheit wirklich einige Zeit bestaunen müssen, bevor ich mich davon losreißen konnte.
Meine Einstellung hatte sich von einer Sekunde auf die andere völlig gewandelt. An diesem auf den ersten Blick deprimierenden Ort, der unmittelbar davor steht, in einen vernichtenden Bürgerkrieg zu stürzen, an dem Soldaten an jeder Ecke stehen, während Propagandaplakate aufgehängt werden und Demonstranten bengalische Feuer zünden, finden sich überall liebevolle und schöne Details. Es gibt Händler, die Teppiche verkaufen, Passagen, in denen Handys und Tablets angeboten werden, Märkte voller Obst, Stände an denen hübsche handgemachte Zierteller zur Auswahl stehen. Auch eine sorgfältig ausgestaltete Shisha Bar, die schwedische Botschaft und eine vom Militär besetzte Schule gibt es zu erforschen.
Mindestens genauso schade – und vielleicht sogar noch einen Schritt unglaubwürdiger als in Italien – ist auch in Marrakesch die Tatsache, dass sämtliche Einwohner der marokkanischen Stadt sich ausschließlich auf Englisch unterhalten. Zudem sind auch hier wieder die gleichen Synchronsprecher zu hören, sodass man erneut das Gefühl bekommt, die Bevölkerung der gesamten Hitman Welt bestünde aus zwei riesigen Familien oder einer Heerschar von Klonen. Sehr bedauerlich, zumal man wohl davon ausgehen kann, dass sich dieses Problem bis zur letzten Episode fortzsetzen und dadurch immer auffälliger und gravierender sein wird.
Vorgehensweisen
Zum mittlerweile dritten Mal glänzt das neue Hitman Spiel nicht nur mit seinen lebendig und größtenteils authentischen Handlungsorten, sondern auch mit den interessanten Möglichkeiten, sich seinen Zielen unauffällig zu nähern und sie auszuschalten. Zu Details möchte ich mich nach wie vor nicht äußern, um euch als potentiellen Spielern deren Entdeckung nicht vorwegzunehmen. Das selbst zu tun, macht nämlich einen großen Teil des Spielspaß aus. Es sei aber so viel gesagt, dass mich diesmal ein Elch und ein Fernsehteam besonders gut unterhalten haben…
Zusätzliche Aufträge abseits der Story
Diese Aufträge, die auf den gleichen Karten spielen wie die Storymissionen, aber weniger einzigartige Vorgehensweise bieten, gibt es. Leider konnte ich sie nicht testen, da ich mich einen Großteil der Zeit nicht mit dem Hitman Server verbinden konnte und diese Singleplayer Inhalte nicht offline spielbar sind, da Square Enix offensichtlich ein Fan des Soft-Online-Zwang ist. Übrigens bedeutet das auch, dass mir in meinen offline gespielten Partien weder meine freigeschalteten Waffen und Gegenstände aus den ersten zwei Episoden zur Verfügung standen, noch dass ich mir die der neuen Episode erspielen konnte. Mir stand also nur ein winziges Arsenal zur Verfügung, nicht einmal ein Scharfschützengewehr gehört zu den offline verfügbaren Waffen. Das ist extrem ärgerlich und unnötig!
Fazit
Zwar gefallen mir persönlich Paris und Sapienza nach wie vor sehr viel besser als das zerrüttete Krisengebiet, trotzdem habe ich auch hier schöne Details bewundern und relativ viel Spielzeit einfach nur mit der Betrachtung der Stadt verbringen können. Zusammen mit den verschiedenen Vorgehensweisen ist wie in der zweiten Episode meiner Meinung nach auch hier der Preis von 9,99 € für Fans des Gameplays gerechtfertigt. Der unsinnige und äußerst kundenunfreundliche Online-Zwang für das komplette Spielerlebnis ärgert mich allerdings immer mehr und stellt zusätzlich zu den langen Ladezeiten nach wie vor einen massiven Kritikpunkt dar.
Die nächste Episode wird in Japan spielen, worauf ich mich sehr freue. Den Test dazu findet ihr dann ebenfalls hier, beim AGM Magazin.
Infobox:
- Titel: Hitman: Episode 2: Sapienza
- Entwickler: IO Interactive
- Publisher: Square Enix
- Release: 26.04.2016
- Plattform: PC, PS4, Xbox One
- USK: 18
- Genre: 3rd Person, Stealth, Action
- Sprachausgabe: Audio Englisch, Text Deutsch
- Multiplayer: Nein
- Besonderheiten: extrem limitierter Offline Modus, lange Ladezeiten