Was kann Bethesda einem geübten Überlebenskünstler des verstrahlten Commonwealths überhaupt noch Neues bieten, damit die Landschaften, Waffen, Gegner und Quests nicht langweilig werden? Zugegeben – mit der Zeit verliert Fallout 4 auch nach den bisherigen DLCs Automatron sowie der reinen Bau-Erweiterung Wasteland Workshop ein wenig seinen Reiz, aber eben auch nicht mehr. Mit der neuesten Erweiterung namens Far Harbor versucht Bethesda nun, das Hauptspiel um seine Grundsätze zu erweitern, ganz im Sinne von altertümlichen Addons.
Neue Valentinsgrüße für Seebären
Das Far Harbor DLC wird gekonnt eingeleitet, indem man eine Art Notruf aus der Detektei Valentine erhält. Eine Familie hat um Hilfe gebeten, da ihre Tochter spurlos verschwunden ist. Als pflichtbewusster Hobby-Detektiv begibt man sich natürlich sofort in den äußersten Norden des Commonwealths zu dem kleinen Fischerhaus der Familie, um direkt in interessante Gespräche verwickelt zu werden. Nach und nach deckt man immer mehr Absurdes und weitere Merkwürdigkeiten auf, die es einem sehr schwer machen, nicht direkt weiter zu reisen. Ist die Tochter entführt worden? Ist sie freiwillig gegangen? Ist sie überhaupt ein Mensch oder vielleicht sogar ein Synth? Mit einem Boot machen wir uns auf die Reise nach Norden – außerhalb des Commonwealths – zu einer völlig abgeschotteten Insel (genannt: „Die Insel“) und deren Hafenstadt Far Harbor.
Nach einer plumpen Begrüßung werden wir direkt zu den Waffen gebeten und müssen bei der Verteidigung des kleinen Örtchens helfen, denn plötzlich tauchen wie aus dem Nichts uns unbekannte Kreaturen aus einem dichten Nebel außerhalb der Stadt auf. Dabei wird die Atmosphäre von Far Harbor gleich zu Beginn enthüllt: Alles ist extrem düster und nahezu unheimlich, da außerhalb der sogenannten Nebelkondensatoren die gesamte Insel von dichten und radioaktiven Nebelschwaden überzogen ist, in denen sich völlig neue Lebewesen entwickelt haben. Darunter fallen Nebel-Ghule, die amphibienartigen Schlinger, Angler, die großen Nebelkriecher, welche entfernt an Todeskrallen erinnern sowie eine neue Raider-Gruppe namens Fallensteller.
Was kann Far Harbor?
Im Grunde hat Bethesda mit dem dritten DLC für Fallout 4 genau das geliefert, was sich viele Fans der Rollenspiel-Reihe nach Automatron und Wasteland Workshop sehnlich gewünscht haben – neue Gebiete. Und was für ein Gebiet! Die mysteriöse Insel ist — für ein DLC — wirklich groß. Uns fehlen hier konkrete Zahlen, aber gefühlt hat man in Far Harbor ein halbes neues Commonwealth zu entdecken – mit zahlreichen Verstecken. Dabei ist besonders die Atmosphäre auf der Insel hervorzuheben. Während man an der Küste entlang schlendert, die Wellen neben einem einschlagen und man unzählige Schiffswracks, tote Wale und zerstörte Fischerhütten beobachtet, ist man ständig vom unheimlichen Nebel umgeben, der einerseits eine Gefahr ausstrahlt (im wahrsten Sinne des Wortes) und andererseits ein wichtiger Teil der Story um die Insel bildet.
Was die Story betrifft, so spielt sich das gesamte DLC im klassischen Fallout-Schema ab. Es gibt eine zentrale, lineare Quest und viele weitere Quests, die sich von dieser abzweigen. Dabei haben fast alle Einwohner der Hafenstadt etwas zu sagen und man findet allerhand Beschäftigungsmöglichkeiten. Mit einer Harpune oder dem Unterhebelgewehr stehen dem Spieler neue Waffen zur Verfügung, welche von legendären Gegner auch mit vielen neuen, legendären Verbesserungen versehen sein können. Die Fallensteller tragen neue Rüstungen und mit der Tatsache, dass es sich bei Far Harbor um eine eventuelle Synth-Zuflucht handeln könnte, kommen fraktionsabhängige Entscheidungen mit in die Story.
Fallout 4: Far Harbor – kurz und knapp
Bereits nach zwei Stunden Spielzeit ist uns die Tiefe des DLCs aufgefallen und wir wurden mit der Hoffnung, dass diese Tiefe noch lange andauern würde, nicht enttäuscht. Nochmals 5 Stunden Spielzeit später ist noch kein Ende in Sicht, was für Fallout 4 neu ist. Mit Automatron war man nach 2 bis 3 Stunden fertig und Wasteland Workshop bietet überhaupt keine Spielzeit in diesem Sinne, da es sich um ein reines Gameplay-Erweiterungs-DLC handelt. Far Harbor macht hier im Grunde alles anders und bringt mit einem riesigen neuen Areal, neuen Waffen, neuen Monstergattungen und weiteren legendären Formen bereits bekannter Kreaturen, neuen Quests, Begleitern und Siedlungen eine Fülle an Gründen, sich noch einmal mit Fallout 4 zu beschäftigen. Wir hatten sehr viel Spaß an Far Harbor und empfehlen es prinzipiell jedem Fallout 4 Fan, besonders aber jenen, welche bei den bereits erschienenen DLCs nicht zuschlagen wollten, da sie nicht genügend Inhalt boten.
Julian Elison
Bildquelle(n): Bethesda Softworks