Wer Shin Megami Tensei IV gespielt hat, erinnert sich vielleicht noch an das Zusammentreffen von mittelaterlichem Königreich und postapokalyptischem Tokio, mit dem Atlus die traditionsreiche JRPG-Reihe auf den 3DS gebracht hat. Zwei Jahre später folgt nun mit Shin Megami Tensei IV: Apocalpyse die Fortsetzung. Sie erzählt eine neue Geschichte und bemüht sich darum, ein sehr gutes Rollenspiel noch besser zu machen.
Der Beginn einer neuen Geschichte
In Shin Megami Tensei IV war man als Spieler mit moralischen Fragen konfrontiert – soll man die Welt wie sie ist, erhalten? Soll man sie zerstören? Welche Bündnisse geht man dabei ein? Die Summe dieser Entscheidungen führten zu einem von vier Enden.
Shin Megami Tensei IV: Apocalypse setzt beim sogenannten „neutral ending“ an – und macht einen Zeitsprung ins Jahr 2038, wo diese Zukunftsvariante weiter durchgespielt wird. Schauplatz ist ein düsteres Tokio, das von Dämonen terrorisiert wird, die sich grob in zwei Lager teilen. Diese Lager werden von Lucifer und Merkabah angeführt. Dass der eine für den Teufel und der andere für Gott arbeitet und dass beide nichts Gutes im Schilde führen, versteht sich von selbst. Flynn, Samurai und der Protagonist aus dem Vorgänger, ist zum NPC geworden. Er verkörpert die Hoffnung der Menschheit, die Apokalypse abzuwenden.
Als Spieler übernimmt man die Kontrolle von Nanashi, einem jungen Mann, der in die Gilde der Dämonenjäger aufgenommen werden möchte. Es vergeht keine Stunde bis zu einem plot twist, der uns in die moralische Grauzone befördert: Nanashi gerät in einem Kampf, der nicht zu gewinnen ist, stirbt – und wird prompt von Dagda, einem mächtigen Dämon, wiederbelebt. Der Preis dafür ist ein Bündnis, dass Nanashi zum Werkzeug von Dagda werden lässt (zumindest ist es das, was der Dämon uns glauben machen will). Ohne allzu viel Story vorwegzunehmen soll gesagt sein, dass für Nanashi dennoch genügend Raum bleibt, einen eigenen Weg zu finden.
Eingängiger, aber trotzdem nicht einfach
Im Gegensatz zu SMT IV, wo Stunden vergehen konnten, bis man zufällig in eine Cutscene geriet, wird die Story in Shin Megami Tensei IV: Apocalpyse sehr viel durchgängiger erzählt. Dazu trägt auch eine der Neuerungen des Spiels bei: ein Marker auf der Karte zeigt jederzeit an, wo das nächste Ziel liegt. Wer Tokio auf eigene Faust erforschen will, kann das immer noch tun. Jedoch ist niemand mehr gezwungen, stupide nach der nächsten Station in der Hauptgeschichte zu suchen.
Das Kampfsystem hat sich gegenüber dem Vorgänger kaum geändert. Gekämpft wird rundenbasiert, wobei wir neben Nanashi bis zu drei Dämonen kontrollieren. Wem es gelingt, die Schwächen der Gegner zu treffen, wird via „press turn“ mit Extra-Zügen belohnt. Der besondere Kick: der Protagonist kann die Dämonen im Kampf anfragen, zu eurer Party überzulaufen. Was folgt, ist ein nie ganz durchschaubares Frage- und Antwortspiel, um die Gunst der Dämonen zu gewinnen. Im besten Fall kämpft Dämon X in der nächsten Auseinandersetzung für uns. Im schlechtesten Fall hat man ein paar Züge und Items verloren.
Neue Gefährten gesucht
Zu erwähnen ist, dass es eine Reihe von NPCs gibt, die sich Nanashi anschließen – und von denen wir einen als passiven Support mit in das Kampfgeschehen nehmen können. Die NPCs entlasten uns insofern, als dass sie sich z.B. um das Heilen kümmern oder die Party mit „boosting spells“ stärker machen.
Ebenso wie im Vorgänger ist es möglich, Fähigkeiten der Dämonen an den Protagonisten weiterzugeben sowie Dämonen miteinander zu kreuzen, um stärkere Dämonen zu erhalten. Sehr viel Raum also, um die Party strategisch und individuell zu gestalten. Der frei wählbare Schwierigkeitsgrad dürfte dafür sorgen, dass sowohl Neulinge als auch Veteranen auf ihre Kosten kommen. Nach dem Download des kostenlosen DLCs stehen fünf Schwierigkeitsgerade zur Verfügung.
Grafik: Pro und Contra
Welchen Eindruck die Grafik hinterlässt, steht und fällt damit, ob man den Vorgänger gespielt hat. Apocalypse nutzt die gleiche Grafikengine wie SMT IV. Noch dazu wurden sehr viele Schauplätze recycelt.
Das Erstaunliche: die in flüssigem 3D dargestellten Stadtviertel und Untergrund-Areale wissen auch 2016 noch zu beeindrucken. Gerade die Zufluchten der Menschen wurden mit vielerlei Details versehen. Wenn man ein neues Areal besucht und dieses gescannt und mit einem Gitternetz überzogen wird, sorgt das immer noch für kleine „magic moments“.
Das Deprimierende: wenn man SMT IV gespielt hat, hat man regelmäßig Déjà-vu-Erlebnisse. Leider gibt es zu wenig neue Areale, die das Gefühl vermitteln könnten, ein ganz neues Abenteuer zu erleben. Das ist gerade deshalb schade, weil es Atlus gelungen ist, Shin Megami Tensei IV: Apocalpyse mit einer fesselnden Story auszustatten. Diese wird – wie schon erwähnt – mit besserem Tempo erzählt. Nicht zuletzt haben auch die zahlreichen Akteure viel mehr Witz, Ecken und Kanten als die des Vorgängers.
Shin Megami Tensei IV: Apocalyspe – Unser Fazit
Wer die Serie noch nicht kennt und ein Rollenspiel mit einem ausgereiften Kampfsystem und (post-)apokalyptischem, düsterem Setting sucht, sollte unbedingt zugreifen.
Wer den Vorgänger gespielt hat, sollte sich gut überlegen, ob die neue Story und eine Reihe von kleineren Gameplay-Verbesserungen genügen, um sich erneut in das SMT-Universum zu begeben.
Ein Gastbeitrag von Patrick Neuhaus
Bildquelle(n): Atlus