Oder, Tomb Raider Episode 2: Angriff der Russen, Mongolen und der gesamten Natur Sibiriens
Dieser Artikel wird unterstützt von der Zahl ‚Zwei‘: Zwei Jahre warteten wir auf den zweiten Tomb Raider Titel nach dem zweiten Reboot des Franchises (Randnotiz: Angel of Darkness hat keine Existenzberechtigung und der Autor wird in keiner Weise anerkennen, dass es ein Spiel mit solch einem Titel je gegeben hat) und auch in der neuen Konsolengeneration ist es ein abenteuergeschwängertes Vergnügen sich mit Lara Croft in eine Achterbahnfahrt voller Schmerzen, Spannung und Grabräuberei zu stürzen.
Drei Sätze zur Story
Bevor wir uns an die Substanz des Spieles heranwagen sei gesagt, dass Rise of The Tomb Raider narrativ weder das Rad neu erfindet noch irgendetwas bietet, was man nicht schon in mannigfacher Ausführung in Büchern, Filmen und anderen Spielen gelesen, gesehen oder erlebt hat. Euch erwartet eine Geschichte gewoben um ein uraltes, mystisches Artefakt, einen religiösen Kult, Familiendrama und Verrat; zweckmäßig und passend, aber in keinem Fall überraschend oder bahnbrechend. Erfreulich ist, dass Lara Croft seit ihrem letzten Abenteuer zu einem bona fide Badass gereift ist, während im Vorgänger der Kontrast zwischen Zwischensequenz-Lara (einer verständlicherweise ängstlichen Frau mit Gewalthemmungen) und Gameplay-Lara (einer massenmordenden Tötungsmaschine) für starke ludonarrative Dissonanz (googlet es!) gesorgt hat.
Doch wen interessiert schon Story, denn…
…beim Gameplay weiß Rise of The Tomb Raider zu glänzen. Zwar hat sich im Vergleich zu Tomb Raider (2013) recht wenig verändert, allerdings war dies auch nicht nötig, denn die neue, verbesserte Tomb Raider Formel fühlt sich noch bei weitem nicht ausgelutscht genug an, als dass ein komplettes Make-Over von Nöten gewesen wäre. So wagt ihr sich erneut in eine erbarmungslose Wildnis (diesmal verschlägt es Lara nach Sibirien), in der fast alles und jeder euch an den Kragen möchte und ihr euch nur auf euer eigenes Geschick verlassen könnt. Die Gebiete, die ihr durchstreift sind dabei – zumindest für sibirische Verhältnisse – überraschend abwechslungsreich, auch wenn sich ein gewisses eisiges Leitmotiv nicht von der Hand weisen lässt. Sämtliche Areale sind gefüllt mit Dokumenten, Artefakten, Grabstätten und Wandmalereien, die es zu entdecken, sammeln und erforschen gilt, wobei es eine helle Freude ist, in einen neuen Spielabschnitt zu kommen und sich diesen erstmal gehörig untertan zu machen, bevor man sich zum nächsten Storyziel begibt. Bei der Erschließung der Wildnis kommt der so genannte Überlebensinstinkt zur Hilfe, ein per Knopfdruck aktivierter alternativer HUD, der Ressourcen, Feinde und Collectibles aufleuchten lässt, so lange man sich nicht bewegt. Obwohl Laras bevorzugte Fortbewegungsmethode das Laufen ist, erweist sie sich auch als begnadete Kletterin, Hanglerin, Springerin und Schwimmerin. Oh.. und Fallen. Fallen kann Lara außerordentlich gut. Vornehmlich auf Arten und Weisen, die Normalsterbliche tausend Tode sterben lassen würden, ihr selbst allerdings nur ein kleines Verschnaufpäuschen zur Erholung abverlangen. Darüber hinaus kann man per Fast Travel zu beinahe jedem Zeitpunkt zwischen bereits besuchten, über die Spielwelt verteilten Lagerfeuern umherteleportieren, falls es irgendwo noch unerledigte Aufgaben zu meistern gilt.
Looten und Leveln…
Neben den oben erwähnten Collectibles gibt es auch eine Menge Ressourcen zu sammeln, – durch die Jagd auf wilde Tiere und das Plündern von Kisten, Schränken und erledigten Feinden – die sich zu allerhand Ausrüstung macgyvern lassen. Seien es größere Köcher, Munitionstaschen, Schalldämpfer oder Laufverstärkungen: es lohnt sich immer, die Augen nach Loot aufzuhalten, um sein Arsenal stetig aufzurüsten. Nicht nur das Crafting sondern auch die aus dem Vorgänger bekannten Rollenspielelemente kehren zurück. Durch die Erkundung der Welt, Fortschritte in der Story, so wie das besonders effiziente Ausschalten von Feinden sammelt ihr Erfahrungspunkte, für die ihr wiederum Fertigkeitspunkte erhaltet, die ihr wiederum in neue Fähigkeiten investieren könnt. Die verfügbaren Skills sind in Kampf-, Überlebens- und Erforschungsfertigkeiten eingeteilt, die euch erlauben, das Gameplay euren persönlichen Vorlieben entsprechend zu modifizieren, sei es durch die Möglichkeit, leiser und unauffälliger zu töten, durch das einfachere Erspüren wilder Tiere oder durch mehr und besseres Loot.
…und Puzzeln und Kämpfen!
Im Laufe der Spiels wechseln sich regelmäßig Puzzle-Plattformer-Sektionen mit Kampfabschnitten ab. Bei Ersteren sind die geschickte Wegfindung und das Manövrieren durch gegebenes Terrain von Bedeutung. Abseits des Hauptpfades sind jedoch vor allen Dingen (wie bereits im Vorgänger) die optionalen Herausforderungsgräber ein spielerisches Highlight. Hier werdet ihr vor unterschiedlichste Rätsel gestellt, die es mit Hilfe eurer Ausrüstung, eurem Geschickt und euren grauen Zellen zu meistern gilt. Diese Rätsel sind zwar nicht übermäßig komplex, jedoch hinreichend fordernd, sodass einem viele befriedigende Aha-Erlebnisse geboten werden. Auch wenn es diesmal ein paar mehr Gräber gibt als im Vorgänger, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ihr euch am Ende des Spiels noch mehr solcher Herausforderungen wünschen werdet.
In den Kampfabschnitten wird relativ herkömmliche 3rd-Person-Deckungsshooter-Kost geboten. Geübten Gamern sei dazu geraten, das Spiel auf einem der höheren Schwierigkeitsgrade (derer gibt es vier) zu spielen, da Kämpfe sonst auf Dauer etwas eintönig werden könnten. Zwar gibt einem das Spiel unzählige Methoden, sich seiner Feinde zu entledigen – es gibt drei verschiedene Arten Schusswaffen mit unterschiedlicher Munition, die Kletteraxt für den Nahkampf, so wie viele verschiedene Möglichkeiten, die Umgebung zu seinem Vorteil zu nutzen (unter anderem explosive Fässer, selbstgebastelte Granaten und Molotov Cocktails) – aber oft kommt es gar nicht erst in den Sinn, sich dieser Werkzeuge zu bedienen, wenn es doch viel simpler und effizienter ist (und auf Dauer auch mehr Erfahrungspunkte liefert), mit dem getreuen Bogen einen Headshot nach dem anderen zu verteilen, und zwischenzeitlich Pausen in Deckung zur Energieregeneration einzulegen. Erst auf den beiden höheren Schwierigkeitsgeraden wird Spielern der gekonnte Umgang mit sämtlichen Waffen sowie der Umgebung wirklich abverlangt.
Lategame, Technik und ein Fazit
Nachdem ihr das Spiel beendet habt könnt ihr euch noch an den Expeditionen versuchen, einem Spielmodus, in dem ihr Kapitel mit Extraherausforderungen erneut spielen könnt, um euch mit erzielten Highscores auf Leaderboards mit anderen Spielern zu messen. Dieser Modus ist jedoch nicht mehr als ein nettes Beiwerk und wirklich nur für diejenigen gedacht, die nach der Kampagne noch Heißhunger haben sollten.
Auf technischer Seite bietet Rise of The Tomb Raider eines der optisch imposantesten Erlebnisse der aktuellen Generation und viele Szenerien bieten Anlass zum Innehalten. Der Port auf den PC ist hierbei äußert gut gelungen. Je nach Hard- und Softwarekonfigurationen kann es jedoch vereinzelt zu Performanceproblemen kommen weswegen man sich informieren sollte, bevor man zu dieser Variante greift.
Zum Schluss sei nur zu sagen, dass Lara Croft sich noch nie besser gespielt und Tomb Raider noch nie besser ausgesehen hat. Große Innovationen werden euch hier zwar nicht geboten, aber das, was das Spiel macht, macht es hervorragend. Fans des Vorgängers sowie Freunde von bombastischen Action-Adventures sollten zugreifen.
Dominik Hellfritzsch
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