Megadimension Neptunia VII ist ein überraschendes Spiel. Das fängt bereits beim Namen an: Die vermeintliche römische Sieben, die im Titel prangt, ist in Wahrheit gar keine Sieben, sondern steht für V-2. Tatsächlich handelt es sich hierbei nämlich erst um die vierte Episode der Hauptreihe. Das ist bereits die zweite Überraschung: Denn zwischen Spin-Offs und Remakes konnte man als Serien-Unkundiger in den vergangenen Jahren schnell den Eindruck bekommen, Neptunia existiere bereits in dutzendfacher Ausführung.
Mehr als nur Humor und Fanservice
Die größte Überraschung ist jedoch: Megadimension Neptunia VII ist tatsächlich ein gutes Spiel, das nicht nur mit überdrehtem Humor und plumpem Fanservice zu punkten versucht. Gut – nicht mehr als das, aber eben auch nicht weniger.
Die Story präsentiert sich wie gewohnt als kleine Hommage an die Videospielindustrie: In der Welt Gamindustri herrschen verschiedene CPUs – süße Mädchen, die den Konsolen von Sega, Nintendo, Sony und Microsoft nachempfunden sind. Doch in Megadimension Neptunia VII bahnen sich neue Zeiten an, denn die CPU Shift Period ist eingebrochen: Eine Zeit, in der das Volk sich plötzlich von seinen geliebten CPUs abwendet und anfängt, neue CPUs zu verehren. Was hier auf die Schippe genommen wird, ist klar: der Generationswechsel.
Statt jedoch ernsthaft nach Nachfolgern für Neptunia, Noir und Co zu suchen, bleibt Idea Factory seinen populären Charakteren treu: Und erzählt in Megadimension Neptunia VII gleich drei verschiedene Geschichten, die die Heldinnen in verschiedene Paralleldimensionen schicken. So beginnt das Spiel mit einem Kapitel namens Zero Dimension Neptunia Z: Twilight of the Desperate CPU, in welchem Sega-Girl Neptunia in einer postapokalyptischen Welt gefangen wird. Hier treffen wir auf eine neue CPU, basierend auf den Dreamcast und schnell wird klar: Hier sehen wir Segas Austritt aus dem Konsolengeschäft. Autsch.
Allzu ernsthafte Töne oder gar tiefgründige Geschichten bleiben natürlich aus. Auch in Megadimension Neptunia VII steht der alberne Humor, der sich zwischen den verschiedenen Mädchen entwickelt, im Vordergrund. Erzählt werden die Interaktionen in Standbildern, welche an Visual Novels erinnern und einen großen Teil des Spiels einnehmen. Hierbei wandert man auf dem schmalen Grat zwischen gelungener Hommage und nervtötender Übertreibung: Wenn Neptunia sich über ihre Autoren beschwert oder selbstbewusst ihre Protag-Rules zitiert – sie weiß schließlich: Als Protagonist kann sie nicht sterben – macht es viel Spaß, den Interaktionen der verschiedenen Figuren zu lauschen. Leider driftet Megadimension Neptunia VII allzu schnell ab: Was anfangs noch unterhält, wird oftmals so sehr überspannt oder ins Lächerliche gezogen, dass es auf die Nerven geht. Gerade weil die Interaktionen zwischen den Charakteren oftmals sehr charmant sind, nervt der gelegentliche Fanservice: Wenn sich drei Mädchen grundlos nackt auf dem Bildschirm präsentieren, dann hätte das meinem 16-jährigen Ich gefallen, doch 10 Jahre später frage ich mich nur: „Ist das wirklich nötig?“, und empfinde, dass solche Szenen die sonst gelungenen Charakterisierungen untergraben.
Megadimension Neptunia VII – Klassische, simple Inszenierung
Das Gameplay spielt – Hand aufs Herz – in Megadimension Neptunia VII eine untergeordnete Rolle. Idea Factory präsentiert uns in etwa das, was man von einem Low-Budget-JRPG gemeinhin erwartet: Optisch simple, aber ansprechende Dungeons, viele Subsysteme und eine 2D-Oberweltkarte, in welcher man das nächste Ziel ganz einfach anklickt. Das ist größtenteils so banal, dass es keiner Erklärung bedarf.
Der Grund, weshalb Megadimension Neptunia VII trotzdem nicht langweilt, liegt im spaßigen Kampfsystem: In der Mischung aus Echtzeit- und rundenbasierten Kämpfen ziehen wir unsere Heldinnen pro Runde innerhalb eines gewissen Radius durch die Kampfarena, bevor wir die Gegner mithilfe eines umfangreichen und frei konfigurierbaren Kombosystems vermöbeln. Die Attacken sind hierbei in die Kategorien Standard, Rush und Power unterteilt, dessen Unterschiede man entweder taktisch klug einsetzen kann oder einfach stumpf ignoriert und mit den langen Kombos trotzdem seine Kurzweil findet. Wer mit der Neptunia-Welt nicht vertraut ist, kann jedoch insbesondere anfangs davon überrumpelt werden, dass die Gegner ganz schön hart zuschlagen können – virtuelles Ableben inklusive.
Anders, als in den Vorgängern, wurde bei Megadimension Neptunia VII das Guard-Breaking-System, bei welchem man zunächst den Schild eines Gegners durchdringen musste bevor man Schaden anrichtete, abgeschafft. Stattdessen besitzen Gegner nun mehr HP und Bosse verschiedene Trefferzonen sowie Ausrüstungen, die ihre Schwachpunkte verdecken.
Neptunia-Veteranen könnten sich jedoch über mangelnden Fortschritt ärgern: Ein großer Grafiksprung bleibt trotz Generationswechsel aus, Monstermodelle und Musikstücke werden weiterhin fröhlich recyclet und signifikante Neuerungen bleiben aus. Im Gegenzug fühlt sich zwar alles etwas runder an als zuvor, doch ob das genug ist, um eine gewisse Serien-Müdigkeit zu überwinden, steht auf einem anderen Blatt.
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Solider Ableger ohne Überraschungen
Megadimension Neptunia VII ist somit überraschend gut, ohne handfeste Überraschungen zu bieten. Serien-Neulinge, die bei dem Wort „Anime-Humor“ nicht schlagartig das Weite suchen und deren Neugierde von (selbst-)referentiellem Humor über Genre-Klischees und die Videospielwelt geweckt wird, erwartet ein solides RPG mit spaßigem Kampfsystem und Charakteren, die irgendwo zwischen „sehr unterhaltsam“ und „nun halt doch endlich mal die Klappe“ hin und her pendeln. Megadimension Neptunia VII ist das beste Spiel der Reihe, was jedoch nicht heißt, dass Neptunia-Veteranen, die zweifeln, ob eine weitere Auskopplung der Reihe tatsächlich notwendig ist, nicht trotzdem einen frischen Wind vermissen.
Julian Krause
Bildquelle(n): Idea Factory International Inc.