Der neueste Ableger Digimon Story Cyber Sleuth hat eine lange Reise hinter sich. Bereits Anfang 2015 in Japan veröffentlicht, sprach sich auch in Europa und Amerika schnell herum, wie großartig dieses Spiel doch geworden sei. Zahlreiche Fan-Petitionen (wie z. B. Operation Decode) baten inständig um einen Release im Westen, und tatsächlich haben Bandai Namco ihre Fans erhöhrt. Doch war Cyber Sleuth all die Anstrengung tatsächlich wert?
Der zweite Frühling
In den letzten Jahren hatten es die Digimon zumindest im Westen nicht ganz leicht. Neue TV-Serien erfreuten sich keiner großen Beliebtheit mehr, Spiele wie Digimon: All-Star Rumble waren qualitativ ungenügend und auch in den Regalen der Spielwarenhändler fanden sich die „Digital Monsters“ kaum noch vor. Die Ankündigung der neuen Digimon Tri – Filme (Inkl. den Charakteren und Digimon der beliebten ersten Staffel) brachte auch im Westen wieder etwas Schwung in den Laden. Doch vor allem mit dem japanischen Release von Digimon Story Cyber Sleuth haben die europäischen und amerikanischen Fans gezeigt, dass sie noch da sind und gehört werden möchten.
Nach über einem Jahr des Kämpfens haben Bandai Namco das Potential im Westen erkannt und doch noch eine lokalisierte Version (Wenn auch „nur“ mit englischen Untertiteln) in Nord-Amerika und Europa veröffentlicht. Seit dem 5. Februar 2016 kann man Digimon Story Cyber Sleuth auch bei uns kaufen. Bereits in den ersten Spielstunden wird klar, dass es sich hierbei um das wohl bisher beste Digimon – Spiel handelt und die Japaner endlich gemerkt haben, dass Digimon schon immer prädestiniert dafür war, die spielerische Tiefe eines Pokemon – Spiels zu erhalten. Zwar ist Cyber Sleuth nicht perfekt, jedoch ein mehr als nur großer Schritt in die richtige Richtung. Doch vor allem ist es ein Potpourri guter und funktionierender Ideen.
Die Digimon sind erwachsen geworden
Wenn Fans der Digimon – Marke eines schon immer hoch angerechnet haben, dann, dass die Story tiefgründiger, erwachsener, konsequenter und düsterer war, als bei den zahlreichen Konkurrenzserien. Schon die erste Serie Digimon Adventure behandelte Themen wie Tod, Scheidung, Waisenkinder und genereller Verlust, aber auch was es bedeutet, Verantwortung zu Tragen, über sich hinaus zu wachsen, für Freunde und Familie da zu sein. Dabei scheute man speziell bei der Anime – Serie und vor allem den Filmen nicht davor, kleine, aber prägnante Horror – Elemente einzubauen, um die Ernsthaftigkeit der Handlung zu unterstreichen.
Digimon Story Cyber Sleuth geht diesen Weg konsequent weiter und bietet eine anspruchsvolle und erwachsene Geschichte mit Tiefgang. Mit insgesamt 20 Kapiteln und mind. 40 Stunden Spielzeit verliert sich die Geschichte zwar immer wieder einmal – gerade der mittlere Part ist einfach viel zu langweilig – doch zum Ende hin wird die Schraube nochmals angezogen und sie strotzt nur so vor Charakterentwicklungen, bösen Plot-Twists und einer durch und durch guten Story.
Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle von Takumi Aiba (Männlich) oder Ami Aiba (Weiblich) und leben in einer nicht näher definierten Zukunft (ca. 40 – 50 Jahre nach der zweiten Digimon-Staffel). Die Menschheit nutzt inzwischen einen Service namens EDEN, der es erlaubt, mit dem kompletten Bewusstsein in eine virtuelle Realität abzutauchen. Es sollte ein Tag wie jeder andere werden und der in unserem Fall gewählte Protagonist Takumi wollte sich mit anderen Leuten wieder einmal in EDEN treffen. Die Geschehnisse entfalten sich ab dieser Stelle jedoch rasend. Zuerst wird Takumi ein Digimon Capture Device geschenkt, dann tauchen Digimon in EDEN auf und zu guter Letzt wird Takumi durch ein an einen PC – Virus erinnerndes Wesen namens Eater dauerhaft von seinem Körper getrennt. Wieder in der echten Welt angekommen, muss Takumi feststellen, dass er nicht der einzige ist, der durch die Eater attackiert wurde und sämtliche Opfer im Koma liegen. Die Presse nennt diese Krankheit das EDEN Syndrom, jedoch ist Takumi weiterhin in der Lage, als digitale Manifestierung seines Bewusstseins sowohl in der digitalen, als auch in der realen Welt zu leben. Schnell zieht er die Aufmerksamkeit der Detektivin Kyoko Kuremi auf sich, welche diesen mysteriösen Vorfall aufklären möchte.
Digivolution und De-Digivolution
Natürlich spielen auch Digimon eine tragende Rolle bei der Entschlüsselung dieser Tragödie, welche durch das Digimon Capture Device fortan an eurer Seite kämpfen. Anders als bei Pokemon, müssen diese jedoch nicht direkt gefangen werden, sondern erst einige Male im Kampf besiegt werden. Nach jedem Aufeinandertreffen wird ein Digimon gescannt. Erreicht es mind. 100% (für bessere Stats max. 200%), kann es rekrutiert werden. Über 240 Digimon befinden sich in Digimon Story Cyber Sleuth. Das besondere dabei ist, dass diese Teil eines sogenannten Single Unified Evolution Tree sind, sprich jedes Digimon kann durch gezieltes Digitieren zu jedem der 240 Digimon werden. Die verschiedenen Digitationen sind jedoch stark von den verschiedenen Statistiken abhängig, weshalb es erforderlich ist, dass man sich tiefergehend mit diesen auseinandersetzt, um erfolgreich seinen Field Guide zu füllen und auch im Online-Kampf gegen andere Spieler eine gute Figur zu machen.
Auch optisch macht das Spiel eine gute Figur, zwar bietet es keine sonderlich anspruchsvollen Texturen oder bringt die PS4 leistungstechnisch an ihre Grenzen, dafür ist der Anime-Look jedoch stimmig und die Designs von Suzuhito Yasuda sind immer wieder schön anzusehen. Das Verwundernde ist, dass die Welt an sich – trotz einer gewissen Kargheit und einigen unsauberen Background-Texturen – lebendig wirkt und funktioniert. Dies liegt vor allem an den gut geschriebenen Nebencharakteren Nokia und Arata, welche unsere Helden tatkräftig unterstützen. Digimon Story Cyber Sleuth wirkt einfach stimmig und bietet eine unterhaltsame, in den Bann ziehende Digimon-Erfahrung.
Digimon Story Cyber Sleuth – Ein klassisches J-RPG?
Auch in spielerischer Hinsicht erfindet Cyber Sleuth das Rad nicht neu, macht jedoch einen soliden und sehr guten Job. Das Kampfsystem selbst ist rundenbasiert und erinnert stark an Pokémon Colosseum. Hier spielen die bereits erwähnten Statistiken der einzelnen Digimon eine große Rolle und wie diese in Punkto Effizienz aufeinander reagieren. Takumi selbst bewegt sich frei durch eine sehr eingeschränkte Welt. Diese repräsentiert Japan und ist voll von kulturellen Anspielungen. Außerdem müssen Dungeons erkundet werden und zahlreiche Nebenquests, die ganz klassisch das Erledigen bestimmter Gegner oder das Finden von Gegenständen beinhalten, warten ebenfalls auf euch. Wer hier wirklich 100% erreichen will, verbringt gute 100-120 Stunden mit Digimon Story Cyber Sleuth.
Wir halten fest: Klassisches J-RPG mit größtenteils sehr guter Story, optisch tollem Anime-Look, der jedoch grafisch eher auf PS3-Niveau ist und einer Menge Content. Digimon Story Cyber Sleuth ist weit davon entfernt, perfekt zu sein, aber ein unglaublich guter Ableger der Reihe und ein große Schritt in die richtige Richtung. Es macht großen Spaß, die Story rund um Takumi und das EDEN-Syndrom zu verfolgen und vor allem die düstere, erwachsene Ausrichtung der Story tut dem Spiel sehr gut. Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist hier der Soundtrack von Masafumi Takada, der seinen mit Danganronpa geschaffenen Stil des Electro-Jazz konsequent weiterführt und sich gekonnt selbst zitiert. Ein Pflichttitel für jeden Digimon-Fan und RPG-Liebhaber.
Kevin Kunze
Bildquelle(n): Bandai Namco
Infobox:
- Titel: Digimon Story: Cyber Sleuth
- Publisher: Bandai Namco
- Entwickler: Media.Vision
- Release: 05. Februar 2016
- Plattform: PS4, PlayStation Vita
- USK: 12
- Genre: J-RPG
- Sprachausgabe: Japanisch mit englischen Untertiteln
- Multiplayer: Ja
- Besonderheiten: Cross-Save Funktion, kostenloser DLC