Der helle Herrscher ist zurück. Nach dem Überraschungshit Mittelerde: Mordors Schatten sind Ringschmied Celebrimbor und Waldläufer Talion nun in Mittelerde: Schatten des Krieges auf den endgültigen Untergang Sauros aus. Kevin sieht sich in seinem Review an, was das Sequel zu bieten hat:
Es ist Zeit für einen neuen Ring
Mordors Schatten war für Fans des Herr der Ringe ein wahres Fest. Eine neue Story, die beliebtesten Gameplay-Elemente der letzten Jahre und on top das neue Nemesis-System, welches dem Spiel seine ganz eigene Würze verlieh. Trotzdem hinterließ Mordors Schatten einen bitteren Beigeschmack, vor allem aufgrund der aufkommenden Monotonie. Entwickler Monolith hatte 3 Jahre Zeit um aus den Fehlern des Vorgängers und dem Feedback der Fans zu lernen. Herausgekommen ist Mittelerde: Schatten des Krieges. Auf den ersten Blick merkt man sofort, dass man auf dem Fundament des Vorgängers aufgebaut hat. Spielerisch, aber auch visuell erinnert der Titel viel zu stark an Mordors Schatten, nur eben in aufpolierter Variante. Doch Eines nach dem Anderen.
Inhaltlich schließt Schatten des Krieges direkt an das Ende von Mordors Schatten aus. Talion und Celebrimbor haben die schwarzen Hauptmänner besiegt und beschlossen selbst einen neuen Ring der Macht zu schmieden um Sauron entgegenzutreten. Während Talion nach Rache und der Freiheit der Menschen strebt, entwickelt sich bei Celebrimbor schnell ein unstillbarer Durst nach Macht und der Wahn den dunklen Herrscher Sauron als „Heller Herrscher“ zu ersetzen. Dieser Interessenkonflikt zwischen Talion und Celebrimbor nimmt eine zentrale Rolle ein und ist neben den zahlreichen Nebenquests und der tatsächlich spannenden Haupthandlung das Highlight der Geschichte.
Zwar wächst Talion mir während der rund 25-30 Stündigen Kampagne als idealistischer und aufrichtiger Held ans Herz – die Tatsache, dass er im Vergleich zu Celebrimbor viel zu eintönig und flach geschrieben ist, lässt sich jedoch nicht verleugnen.
Nach einer kurzen Begegnung mit Kankra, welche hier in einer menschlichen Form dargestellt wird, die jedem „Der Herr der Ringe-Buch-Puristen“ die Fußnägel hochrollen lässt, durfte ich dann endlich in den Geschmack des neuen Ringes kommen und meine eigene Armee in Mordor aufbauen.
Nemesis-System v2.0
Auf den ersten Blick hat sich hier im Vergleich zum Vorgänger nichts verändert, doch das grundlegende Nemesis-System wurde zumindest um einige Gameplay-Elemente erweitert, welche wir in Talions Skilltree freischalten können und auch die Beherrschung selbst bietet nun unter anderem die Möglichkeit Orks, welche sich nicht sofort beherrschen lassen (z. B. weil ihre Stufe zu hoch ist) zu beschämen um somit ihre Stufe zu senken.
Nicht direkt ein Teil des Nemesis-System, aber eng damit verbunden ist der neue Eroberungs-Modus. Um der helle Herrscher Mordors zu werden muss ich nämlich zuerst die einzelnen Gebiete Mordors wie z. B. Cirith Ungol einnehmen. Diese werden von bis zu vier Häuptlingen und einem Herrscher, sowie zahlreichen Soldaten, Fallen und Geschützen bewacht. Also beginnt die Entdeckung und Eroberung jedes neuen Gebiets für mich nach dem gleichen Raster: Orks töten, Hauptmänner beherrschen, eine Armee aufbauen und den Herrscher der Festung herausfordern und töten. Je nachdem wie viel Vorarbeit man invesiert, kann sich dies unterschiedlich schwer gestalten. So kann man z.B. Hauptmänner darauf ansetzen sich als Leibwache eines Häuptlings einzuschleusen um diesen dann zu verraten, sobald man die Festung stürmt. Oder aber man erledigt eine Nebenquest im Vorfeld, in der man den Häuptling direkt ausschaltet.
Viel zu tun in Mordor
Worüber ich Mittelerde: Schatten des Krieges auf jeden Fall keine Vorwürfe machen kann ist der Umfang des Titels. Neben den parallel verlaufenden Haupt-Questlines, gibt es ausreichend Nebenquests und zusätzlich einiges zu sammeln. Egal ob ich nach alten gondorianischen Relikten suche oder die Geschichte Celebrimbors kennen lerne – langweilig wird es nicht. So kann sich je nach Lust des Spieler die Spielzeit bis zur letzten Mission auch weit über 50 Stunden strecken. Die Rewards für all dies reichen von zusätzlichen Erfahrungspunkten, über zusätzliche Waffen, Rüstungen und Edelsteine. Getreu dem Motto „Looten & Leveln“ lässt Mittelerde: Schatten des Krieges also keine Wünsche offen… Doch Moment. Loot? Da war doch was!
Eine dunkle Vision
Hätte euch vor 10 Jahren jemand gesagt, dass ihr für eine Kiste oder Schatztruhe in einem Videospiel etwas zahlen müsst und nicht einmal sicher gestellt ist, dass in dieser tatsächlich nützlicher Loot vorhanden ist, hättet ihr diese Person wohl ausgelacht. 2017 heißt es jedoch: Willkommen in der Realität. Mittelerde: Schatten des Krieges ist ein Vollpreis-Spiel und bietet dennoch eines der perversesten Micro-Payments-Systeme das man aktuell vorfinden kann. Ist dies ein zum Scheitern verurteiltes Experiment oder doch ein dunkler Ausblick auf etwas, das bald Standard in Videospielen sein wird? Die unfassbar dreiste Pay-To-Win Systematik von Schatten des Krieges macht mir auf jeden Fall Angst.
Ihr wollt euer legendäres Rüstungsset vervollständigen? Zahlt für eine Kiste! Ihr wollt legendäre Orks haben, die eure Festung bewachen ohne diese erst stundenlang trainieren zu müssen? Zahlt für eine Kiste! Ihr steckt an einer Stelle fest und wollt stärkere Waffen oder einen Erfahrungsboost? Zahlt für eine Kiste! Es ist bitter mit wie viel Verantwortungslosigkeit und Profitgier Warner hier an euer Geld möchte und ich als langjähriger Videospiel-Redakteur und Gamer kann dies in keiner Weise gut heißen. Die Spitze des Eisbergs habe ich jedoch noch nicht erwähnt: Habt ihr die Haupt-Questline erledigt, dürft ihr Vergebens auf die letzte Cutscene, welche den Übergang zu Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Filmen darstellt, warten. Denn danach beginnen die Schattenkriege, in welchen die CPU eure Festungen über einen Zeitraum von 10 Etappen immer wieder zurückerobert und euch dabei mit immer noch stärkeren Orks angreift. Ohne legendäre Orks und legendäre Ausrüstungen werdet ihr spätestens ab Etappe 3 den Controller vor Wut an die Wand werfen. Nun habt ihr zwei Möglichkeiten: Stundenlang grinden oder Lootboxen kaufen. Wer den Witz findet darf lachen – oder weinen. Nach Etappe 10 werdet ihr dann endlich mit dem „True Ending“ belohnt. Ich empfehle sich dieses einfach auf YouTube anzusehen.
Mittelerde: Schatten des Krieges – Kevins Fazit
Schatten des Krieges hat an manchen Stellen immer noch die Krankheiten seines Vorgängers. So greift Talion z. B. immer noch in einer Kombo gerne auch mal Orks der eigenen Reihen an oder visiert diese sogar automatisch an. Auch leidet der Titel hier und da unter einer ungenauen und steifen Steuerung. Dafür wurde grafisch ordentlich an Schatten des Krieges geschraubt und vor allem die Weitsicht und die Lichteffekte bieten gepaart mit HDR und 4K ein wunderbares Erlebnis. Auch der Umfang des Spieles und die zahlreichen Möglichkeiten Talion zu verbessern und mit Skills dem eigenen Spielstil anzupassen sind fantastisch. Doch empfehlen kann ich euch Schatten des Krieges nicht. Denn wir Spieler müssen ein Zeichen gegen Lootboxen und Micro-Payments setzen. Es darf nicht die Regel werden. dass solche Mechanismen in Vollpreisspielen greifen. Das neueste Patent von Activision lässt jedoch genau dies befürchten. Es bleibt zu hoffen, dass durch genug Gegenstimmen oder Boykottierungen der entsprechenden Spiele eine Reaktion der Publisher folgt. Da es sich bei Mittelerde: Schatten des Krieges grundsätzlich um ein gutes, wenn nicht sogar sehr gutes Spiel handelt, kann ich es aber auch verstehen, wenn ihr dieses nicht boykottieren wollt. Doch dann handelt zumindest im Interesse eurer Mitmenschen und seht davon ab, Geld in Lootboxen zu investieren. Ihr unterstützt sonst ein System, welches das Gaming wie wir es heute kennen langfristig verändern und zerstören wird.
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Bildquelle(n): Warner Bros.