Als ich 2015 nach Japan reiste, dominierte dort vor allem eine Serie alle Spielwarenläden: Yo-Kai Watch.
Dass sich Level5s Geisterjagd einer immensen Popularität erfreut, war mir zwar bekannt, über das Ausmaß war ich dann aber doch überrascht, denn teilweise hatte man das Gefühl die Serie läuft dem Dauerbrenner Pokémon den Rang ab. Fan-Liebling Jibanyan hat sich zu einem echten Herausforderer für Pikachu entwickelt und strahlte mir von jeder Straßenecke entgegen. Kein Wunder also, dass Nintendo nun auch den Rest der Welt ins Geisterfieber versetzen will und die Fernsehserie samt dazugehörigen 3DS-Spiel auch in Europa veröffentlicht. Aber kann Yo-Kai Watch auch in Sachen Gameplay mit dem Vorbild Pokémon konkurrieren?
Die Toten sind überall
Nachdem wir uns für ein Geschlecht unseres Protagonisten entschieden haben, geht es schon los. Wir verirren uns in den örtlichen Wald, wo wir einen steinernen Spielzeugautomaten finden. Diesem entsteigt ein Geist namens Whisper, der uns über die Welt der Yo-Kai aufklärt: Die Geisterwesen befinden sich quasi überall, spielen den Menschen streiche und beeinflussen ihr Verhalten. Whisper rüstet uns mit einer Yo-Kai Watch aus, die uns erlaubt, die Gegend nach den Geistern abzusuchen, und wir erhalten unseren ersten Yo-Kai.
Die Geschichte führt uns im Anschluss von einem Ghost-Buster-Einsatz zum anderen, in denen wir beispielsweise einen durch Yo-Kai verursachten Streit zwischen unseren Eltern schlichten oder unserem Vater Akten zur Arbeit bringen, die dieser durch ein Vergesslichkeits-Yo-Kai beeinflusst am Bahnhof vergessen hat. Eine epische Storyline oder Abenteuerreise solltet ihr also nicht erwarten, das ganze wird aber sehr charmant präsentiert und kann sogar mit der ein oder anderen vertonten Cutscene aufwarten. Zusätzlich zu den Hauptmissionen wartet außerdem eine Vielzahl von Nebenquests auf uns, in denen wir meistens diversen Yo-Kai geplagten Stadtbewohnern aushelfen.
Yo-Kai Watch – Der Geisterkampf-Manager 2016
Aber wie bekommen wir jetzt eigentlich neue Yo-Kai? Statt wie in Pokémon durch hohes Gras zu schlurfen und euch von Kreaturen angreifen zu lassen, müsst ihr in Yo-Kai Watch selbst Initiative ergreifen. Mit einem Geisterradar ausgestattet, zieht ihr um die Häuser und könnt so die Aufenthaltsorte der Yo-Kai bestimmen. Habt ihr diesen ausfindig gemacht, müsst ihr den Yo-Kai nur noch durch das Fixieren mit eurer Geisterlupe sichtbar machen und der Kampf kann beginnen. Von sich aus greifen die Monster nur in eigens ausgewiesenen Arealen an, aber selbst dort könnt ihr die Angreifer mit etwas Geschick umgehen.
Auch während der Kämpfe kommt eure Yo-Kai Watch zu Einsatz. Auf ihrem Ziffernblatt, welches eher einem Drehrad entspricht, könnt ihr sechs Yo-Kai platzieren, von denen immer drei direkt am Kampf beteiligt sind, während die anderen auf ihren Einsatz warten. Durch Drehen des Ziffernblatts könnt ihr die drei Angreifer dabei jederzeit wechseln. Das eigentliche Kämpfen übernehmen die Tierchen übrigens von alleine, der Spieler nimmt nur durch den Einsatz von Items, das Festlegen der Angriffsziele sowie Specialmoves Einfluss auf den Kampf. Letzteres geht dabei mit kleineren Touchscreen-Spielereien einher, in denen ihr beispielsweise Drehbewegungen auf dem Bildschirm ausführen müsst. Im Grunde seid ihr „nur“ der Manager eurer kleinen Kampftruppe, die autark auf den Gegner einprügelt.
Findet ihr Gefallen an eurem Kontrahenten könnt ihr versuchen, diesen während des Kampfes mit Essen zu bestechen, und hoffen, dass dieser am Ende des Kampfes eurem Team beitreten will. Anders als in Pokémon fangt ihr die Plagegeister nämlich nicht, sondern freundet euch mit ihnen an, woraufhin sie freiwillig für euch kämpfen. Ähnliche Systeme kennt man aus Dragon Quest Monsters oder manchen Teilen der Shin Megami Tensei Reihe.
Hier werden dann leider die störenden Elemente von Yo-Kai Watch sichtbar: Das Spiel zwingt euch permanent in die Passivität. Läuft der Kampf nicht nach eurem Sinne und die Yo-Kai haben gerade alle keine Spezialmanöver parat, könnt ihr wenig tun außer der Misere passiv beizuwohnen und Scharmützel gegen Standardgegner werden zur Geduldsprobe, falls ihr eure besonderen Attacken für eventuelle Bosse aufheben wollt. Zwar verliert ihr dank des niedrigen Schwierigkeitsgrades selten die Oberhand, so wirklich befriedigend ist das ganze aber nicht. Auch stört das Zufallselement bei der Rekrutierung: Ihr könnt nie wirklich sicher sein, dass sich ein Monster in euer Team begibt, denn ob eure Bestechungsversuche erfolgreich waren, erfahrt ihr erst nach dem Kampf.
Wenig Herausforderung, und trotzdem viel Spaß?
Zusammen mit der doch eher repetitiven Storystruktur, die sich mit „Yo-Kai macht Ärger, wir kommen zur Hilfe“ zusammenfassen lässt, schmälert dies leider etwas das eigentlich recht positive Spielerlebnis. Dennoch hatte ich meinen Spaß mit den Geistertierchen, was hauptsächlich dem Setting und Grundton des Spiel zu verdanken ist: Yo-Kai Watch schafft es ein nettes Sommerferien-Flair aufzubauen und dank der liebevoll gestalteten Stadt fühlt sich eure Spielzeit an wie ein kleiner Japan-Urlaub. Spieler mit ein bisschen Interesse für die japanische Kultur werden außerdem die zahlreichen Anspielungen auf japanische Sagen und Mythen genießen.
Wer nichts mit Wortwitzen anfangen kann, sei an dieser Stelle allerdings gewarnt: Nintendo hat das Spiel mit der üblichen, hauseigenen Humor eingedeutscht, was nicht jedem gefallen wird. So heißt die Stadt durch die wir streifen zum Beispiel „Lenzhausen“, und die Yo-Kai tragen zu ihren Charaktereigenschaften und Aussehen passende Namen wie „Jammsel“ (eine wehleidige Amsel), „Dösuma“ (eine Daruma-Statue mit Schlafproblemen) oder „Furzfürst“ (…naja, ne).
Alles in allem ist Yo-Kai Watch ein nettes JRPG mit Wohlfühlfaktor, welches dank dem niedrigen Schwierigkeitsgrad auch für jüngere Spieler geeignet ist. Herausforderungen warten nicht unbedingt auf euch, aber das Kampfsystem macht trotz Schwächen Laune und die Yo-Kai sind nett genug gestaltet, um eine gewisse Sammellaune aufkommen zu lassen. Wer sich allerdings den taktischen Tiefgang eines Pokémon erhofft hat, wird eher enttäuscht werden. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich die Serie im Westen schlagen wird. Einen Boom wie in Japan kann ich mir derzeit nicht vorstellen, lasse mich aber gern eines Besseren belehren.
Benjamin Wilhelm
Bildquelle(n): Nintendo