Mit Resident Evil 6 wird die wohl umstrittenste Episode der legendären Reihe für PlayStation 4 und Xbox One neu aufgelegt. Beim Versuch uns das sechste Resident Evil noch einmal unvoreingenommen anzusehen, wurde schnell klar: Resident Evil 6 leidet wie kaum ein anderes Spiel an fehlgeleiteten Last-Gen-Trends.
Das erste Resident Evil definierte das Survival Horror-Genre neu und jagte uns allen auf Schritt und Tritt einen gehörigen Schauer über den Rücken. Als das Konzept langsam Staub ansetzte, erfand Serien-Erfinder Shinji Mikami mit Resident Evil 4 die Reihe neu: Weniger Horror, mehr Action, aber trotzdem durchwegs spannend und gefährlich. Setzten diese beiden Spiele Maßstäbe, die die Videospiellandschaft langfristig verändern sollten, fällt es bei Resident Evil 6 schwer zu glauben, dass es ein Spiel ist, das sich in diese eindrucksvolle Ahnenhistorie einreihen soll: Statt neue Zeichen zu setzen, taumelt Resident Evil 6 orientierungslos einem Last-Gen-Trend nach dem anderen hinterher.
Größer ist nicht immer besser
Frei nach dem Motto „Mehr ist immer auch besser“ bietet Resident Evil 6 nicht nur eine Kampagne, sondern gleich vier: Leon, Chris, Jake und Ada haben jeweils ihre eigenen Geschichten, die sich immer wieder einmal überlappen. Auch der Gameplay-Stil unterscheidet sich zwischen den Kampagnen zumindest dezent: Hat man bei Chris manchmal das Gefühl einen Call of Duty-Verschnitt zu spielen, muss Ada ab und zu unentdeckt vorgehen, lediglich die Kampage von Leon fühlt sich einigermaßen „Old-School“ an und überzeugte von allen am meisten. Das Problem an der Sache: Keine der Kampagnen fühlt sich letztendlich durchgehend gut an. Wer ein Allround-Talent sein will, ist oftmals eben in keiner Disziplin tatsächlich allzu gut: Und so hat man egal welchen Charakter man gerade spielt, immer den leisen Gedanken im Hinterkopf, dass man gerade auch ein besseres Spiel spielen könnte.
Es hilft hierbei nicht, dass die Steuerung von Resident Evil 6 recht schwammig und ungenau daherkommt und sich oftmals nicht so recht für das eignet, was das Spiel gerade erreichen möchte. So verkommt es am Ende dann doch immer wieder zu einem Baller- und Kickfest (kräftige Tritte sind in diesem Spiel tödlicher als jede Wumme).
Resident Evil 6 präsentiert: Die Quick Time-Lawine
Der richtige Einsatz von Quick Time Events ist wahrlich eine Kunst, die nur wenige Entwickler zu meistern wissen. Richtig eingesetzt, stellen sie ein kleines Element der Spannung dar, welches den Spieler immer wieder in unerwartete Situationen bringen kann. QTEs besitzen heute dennoch einen weitestgehend schlechten Ruf: Und dafür sind Spiele wie Resident Evil 6 verantwortlich. Wie viele andere Spiele seiner Zeit verfällt Reisdent Evil 6 der Fehlannahme, dass ein Spiel packender wäre, wenn der Spieler in häufigen Abständen und in willkürlichen Situationen panisch Buttons drücken oder mit dem Stick wackeln muss. Die Wahrheit ist jedoch: Sind QTEs zu zahlreich, verlieren sie ihre Spannung — und nerven nur noch. Insbesondere die Leon-Kampagne ist dem Umstand schuldig auf Schritt und Tritt dem Spieler ein neues QTE in den Weg zu legen.
Ärgerlicherweise folgt man hierbei oftmals nicht einmal einer konsistenten Logik: Wenn sich Leon in einen U-Bahn-Schacht verirrt, gilt es anfangs QTEs zu bestehen, um den fahrenden Zügen auszuweichen. Etwas später im Level muss man dem Zug plötzlich jedoch manuell ausweichen — obwohl man innerlich bereits abgespeichert hat, dass „Zug = QTE“ gilt.
Nonstop-Action ohne Spannung
Damit sich Spannung richtig entfalten kann, sind nicht nur bombastische Explosionen notwendig. Nein, es kommt vor allem auch auf die ruhigen Momente an: Erst wenn sich Action langsam aufbaut und durch Momente der Stille kontrastiert wird, wirkt sie richtig gut. Resident Evil 6 nimmt sich diese Weisheit – die von Spielen wie Resident Evil 4 noch vorbildlich befolgt wurde – leider nicht zu Herzen. Stattdessen versucht jedes Level von Anfang ein Action-Feuerwerk erster Güte zu sein: Große Explosionen, einstürzende Gebäude, das ganze Programm. Statt dem Spieler das Gefühl zu vermitteln, stets unter Hochspannung zu stehen, wird der vermeintliche Bombast innerhalb weniger Minuten zum langweiligen Alltag: Es hilft dabei nicht, dass die Action-Szenen selten einfallsreich sind und zumeist wirken als wären sie direkt aus einem Klischee-Baukasten entnommen.
Wenn es besonders dramatisch sein soll, setzt Resident Evil 6 auf dramatische Kameraschwenks mit eingeschränkter Spielerkontrolle. Soll spannend wirken, hat aber die gegenteilige Wirkung: Schließlich verkommt der Spieler hierbei plötzlich zum fast passiven Zuschauer, statt sich interaktiv einen Ausweg aus der Hölle zu suchen.
Achtung, hier geht’s lang!
Die meisten Levels von Resident Evil 6 sind streng linear, ohne dem Spieler auch nur die Möglichkeit zu geben, sich verlaufen zu können. Dennoch hält Resident Evil 6 es für notwendig, jederzeit die Hand zu halten: Und den Weg zum nächsten Ziel, nächsten Schlüssel oder auch der nächsten Waffe prominent mit einem Wegmarker auf den Bildschirm zu markieren. In Spielen, die viel Raum zum Verirren geben, sind solche Features durchaus nützlich, im ohnehin linearen Resident Evil 6 fühlt man sich als Spieler hinegen bevormundet und auch dem letzten Funken Erkundungsdrang beraubt. Das Abschalten dieser Marker ist zudem nur möglich, wenn man das gesamte HUD deaktiviert. Doch dann sieht man auch die Lebens- und Munitionsanzeige nicht mehr.
Resident Evil 6 – Aber es sieht gut aus
Man kann Resident Evil 6 nicht vorwerfen, keine gute Grafik zu besitzen. Das vier Jahre alte Spiele macht im PS4- und Xbox One-Remaster eine wirklich gute Figur und sieht – jetzt in schicker 1080p-Auflösung – auch heute in vielen Szenen noch richtig schick aus. Wer sich für die Neuauflage von Resident Evil 6 entscheidet, erhält im Paket zudem sämtliche DLC-Inhalte, die für RE6 veröffentlicht wurden und kann anders als früher bereits von Anfang an die Ada-Kampagne starten.
Resident Evil 6 ist kein schlechtes Spiel: Trotz aller Macken weiß es – vor allem im Koopmodus – immer wieder zu unterhalten. Es ist jedoch auch kein sonderlich gutes Spiel: Es ist gute Durchschnittsware, die sich damit zufrieden gibt, keine neuen Akzente zu setzen und eher schlecht als recht große Vorlagen nachahmt. Für andere Serien mag ein solches Urteil akzeptabel sein, doch an einem Resident Evil stellen wir gänzlich andere Anforderungen.
Julian Krause
Bildquelle(n): Capcom
Infobox:
- Titel: Resident Evil 6
- Publisher: Capcom
- Entwickler: Capcom
- Release: 20.05.2016
- Plattform: PlayStation 4, Xbox One
- USK: 18
- Genre: Third-Person Shooter
- Sprachausgabe: Deutsch/Englisch
- Multiplayer: Ja (lokal und online)