Mit Fire Emblem Fates: Herrschaft / Offenbarung stehen ab dem 20. Mai gleich zwei neue Fire Emblem-Spiele in dem Videospielregal des Händlers eures Vertrauens. Wenngleich beide Titel der Geschichte Corrins folgen, handelt es sich hierbei um zwei gänzlich unterschiedliche Kampagnen, die zwei Seiten der gleichen Medaille beleuchten.
Corrin ist der zweite Sohn des kriegstreiberischen Königs Garon und lebte in dem Königreich Nohr ein behütetes und abgeschottetes Leben mit seinen Geschwistern, die versuchen den Spagat zu schaffen einerseits ihren Vater nicht zu enttäuschen und andererseits ihre Menschlichkeit und Würde zu bewahren: Fire Emblems Antwort auf die Familie Lannister aus Game of Thrones. Im Laufe einer Mission, die eigentlich Corrins sicheren Tod hätte bedeuten sollen, wird dieser jedoch in das Nachbarland Hoshido entführt: Und erfährt dort, dass er eigentlich der royalen Blutlinie des asiatisch-inspirierten Landes entstammt und in seiner frühen Kindheit im Auftrag Garons entführt wurde. Auf welche Seite wird sich Corrin im Krieg Nohr gegen Hoshido stellen?
Fire Emblem Fates: Herrschaft und Fire Emblem Fates: Vermächtnis betrachten die unterschiedlichen Wege, die Corrin einschlagen kann und bieten jeweils gute 40 Stunden SRPG-Genuss. In Herrschaft entscheidet sich Corrin für seine Blutslinie und zieht gegen den Mann in den Krieg, den er sein Leben lang für seinen Vater hielt und der ohne Reue und Moral Menschen unterjocht und ermordet. In Vermächtnis wiederum bringt Corrin es nicht übers Herz das Land, das er so liebt, und die Menschen mit denen er aufgewachsen ist, zu verraten und versucht stattdessen einen Weg zu finden, wie man aus dem Inneren heraus seinen falschen Vater bezwingen kann.
Fire Emblem Fates: Vermächtnis oder Herrschaft – Eine Frage der Herausforderung
Fire Emblem Fates: Vermächtnis folgt den immens populären Weg, den bereits Fire Emblem Awakening eingeschlagen hat. War Intelligent Systems‘ SRPG-Reihe in der Vergangenheit knallhart und verzieh kaum Fehler, wird hier ein stressfreieres Gameplay geboten. Die Hauptmissionen sind weniger herausfordernd und abseits der Story warten hier — anders als in Herrschaft — zahlreiche Nebenmissionen darauf, gemeistert zu werden: So kann man seine Truppen gezielt trainieren und hat mehr Gelegenheiten die Beziehungen der unzähligen Charaktere zu pflegen, Liebespaare zu bilden und sich später über Nachwuchs zu freuen.
Fire Emblem-Veteranen, die sich beschwerten, dass Fire Emblem Awakening zu einfach und verwässert sei, können hingegen mit stolz erhobenem Haupt die Herrschafts-Kampagne auswählen. Der Schwierigkeitsgrad ist hier deutlich höher angesiedelt und bereits die ersten Missionen können in einem schmerzvollen Game Over enden, wenn man keine gründlichst durchdachte Taktik parat hät. Fire Emblem Fates: Herrschaft kann mitunter so schwer sein, dass selbst langjährige FE-Fans vielleicht über ihren Schatten springen und den Casual-Modus auswählen sollten, um in späteren Missionen Wutanfälle und Tränen zu vermeiden.
Trotzdem sollte auch die Hoshido-Kampagne nicht unterschätzt werden: Wenngleich der Anfang deutlich einfacher als in Nohr ausfällt, gibt es im späteren Spielverlauf auch hier einige harte Nüsse, die es zu bewältigen gilt.
Leider sind die Missionsziele in Fire Emblem Fates: Vermächtnis sehr eintönig. Um siegreich aus einer Schlacht hervorzugehen, gilt es fast immer sämtliche gegnerischen Truppen zu vernichten. Ab und zu reicht es auch einmal aus, einen Boss zu besiegen: Aber das war es dann auch bereits. In Fire Emblem Fates: Herrschaft sieht es die Situation schon deutlich vielfältiger aus: Hier gilt es u.a. auch mal Feinde zu fangen, ein Zeitlimit einzuhalten oder seine Stellung vor den Feinden zu verteidigen. Zudem bieten einige Level optionale Ziele, die zwar nicht einfach zu erreichen sind, aber mit netten Boni belohnt werden. Das Level-Design ist nichtsdestrotrotz in beiden Versionen sehr gut gelungen, doch in der Hoshido-Kampagne wäre etwas mehr Abwechslung wünschenswert gewesen.
Sowohl Fire Emblem Fates: Vermächtnis wie auch Herrschaft erzählen solide Geschichten. Herrschaft fängt spannender an und besitzt das interessantere Konzept, verrennt sich im Spielverlauf jedoch ein wenig in Nichtigkeiten. Vermächtnis wiederum bleibt von Anfang bis Ende solide — ohne große Tiefpunke, aber auch ohne fantastische Höhen. Beide Versionen legen einen hohen Wert auf die Geschichten, die sich die verschiedenen Charaktere, die sich Corrin anschließen, untereinander erzählen können. Das ist mal ernsthaft, oft aber auch ziemlich albern („Ich hätte gerne, dass du für einen Tag meine Schwester bist!“).
Bewährtes Gameplay mit interessanten Neuerungen
Das grundsätzliche Spielprinzip der Fire Emblem-Reihe bleibt natürlich unangetastet: Noch immer zieht man Runde für Runde seine Charaktere über ein in Quadrate aufgeteiltes Schlachtfeld, um einerseits Gegner zu erledigen, sich aber gleichzeitig so aufzustellen, dass man selbst nicht Opfer der feindlichen Angriffe wird. Wie in den Vorgängern gibt es auch in Fire Emblem Fates unterschiedliche Feldtypen, die verschiedene Vor- und Nachteile bieten. Höhenunterschiede spielen allerdings wie bereits in Awakening kaum eine Rolle: In dieser Hinsicht bleiben die GameCube- und Wii-Ableger komplexer.
Ein neues Feature in Fire Emblem Fates sind Maps, die dynamisch verändert werden können. Charaktere in denen Drachenblut fließt, können auf den Schlachtfeldern Drachenadern aktivieren, die verschiedenste Veränderungen bewirken: Mal schmelzen sie einen gefrorenen See, aktivieren Fallen oder beschwören verheerende Blitzeinschläge. Aber Achtung: Was auf den ersten Blick wie ein Vorteil aussieht, kann bereits einen Moment später auch die eigene Party in eine gefährliche Sackgasse manövrieren. Außerdem neu: Das traditionelle Waffendreieck wurde für Shuriken erweitert und beinhaltet nun auch Bogen und Magie. Zusätzlich können Waffen (mit Ausnahme von Stäben) nicht mehr abnutzen oder zerbrechen.
Casual oder Classic: Der Krieg kennt keinen Unterschied
Auch in den Fire Emblem Fates-Versionen hat man als Spieler die Wahl im Casual- oder im Classic-Modus zu starten. Der Classic-Modus besitzt das obligatorische Permadeath-Feature: Ein Charakter, der im Kampf fällt, bleibt für immer tot. Der Casual-Modus öffnet Fire Emblem für neue Zielgruppen und lässt besiegte Charaktere am Ende der Mission wieder auferstehen. Für alte Hasen gleicht das fast einem Sakrileg, schließlich ist eine gute Fire Emblem-Map wie ein ausgeklügeltes Puzzle, dessen perfekte Lösung man unter Einsatz von viel Hirnschmalz herausfinden muss — und dabei immer wieder scheitert und sich über Wahrscheinlichkeiten aufregt, die einfach nie Freund sein wollen. Im Casual-Modus kann man sich zwar waghalsigere Manöver erlauben, doch auch hier tritt schnell eine Kettenreaktion in Kraft: Sobald der Feind eine Lücke in der Formation ausfindig macht, bleibt es oft nicht nur bei ein oder zwei Opfern — und die Schlacht verwandelt sich in einen Kampf gegen den sicheren Untergang.
Fire Emblem Fates: Fazit
Egal, ob man sich für Fire Emblem Fates: Vermächtnis, Herrschaft oder gar für beide Versionen entscheidet: Auch das neueste Fire Emblem-Kapitel bietet wieder einmal gnadenlos gutes SRPG-Gameplay, das die meisten Genre-Kollegen alt aussehen lässt, unzählige Stunden an den 3DS fesselt und dabei sogar die fiesesten Handkrämpfe vergessen lässt. Fire Emblem Fates: Vermächtnis präsentiert sich als spielerfreundliches Fire Emblem in Reinkultur, das zwar mit großen Ambitionen spart, aber sowohl für Einsteiger wie auch für Serienfans, die es etwas gemächlicher angehen lassen möchten, hervorragend geeignet ist. Fire Emblem Fates: Herrschaft wiederum bietet selbst Serien-Veteranen eine ordentliche Herausforderung und weiß mit abwechslungsreichen Missionszielen und kompromisslosem Gameplay zu überzeugen.
Julian Krause
Bildquelle(n): Nintendo
Infobox:
- Titel: Fire Emblem Fates: Vermächtnis / Herrschaft / Offenbarung
- Publisher: Nintendo
- Entwickler: Intelligent Systems
- Release: 20.05.2016
- Plattform: Nintendo 3DS
- USK: 12
- Genre: SRPG
- Sprachausgabe: Englisch
- Multiplayer: Ja (lokal und online)