Mit dem Arena Team-Shooter Overwatch wagt sich Blizzard in bislang unvertrautes Gefilde. Mit einem extrem diversen Cast und unterschiedlichen Spielweisen der einzelnen Charaktere, will man nicht nur Shooter-Veteranen für sich gewinnen, sondern auch alle anderen für das Genre begeistern. Kann man erneut einen Meilenstein setzen oder versinkt das Spiel im Genre-Sumpf?
The cavalry’s here!
Goldenes Licht flutet das Museum, durch das die zwei Jungs streifen. Der Kleinere mit einem strahlenden Grinsen auf seinem Gesicht. Alle sind sie ausgestellt: die Gadgets seiner Helden, der Overwatch. Unter ihnen: der mächtige Handschuh. Der Ältere ist gernevt: Overwatch ist tot, seit Jahren. In diesem Moment splittert Glas, ein riesiger Gorilla in futuristischer weißer Rüstung und eine blass-blauhäutige Sniperin stürzen kämpfend in die Halle. Der Kampf um den Gauntlet ist entbrannt. Er ist die Story-Grundlage der 6 gegen 6 Gefechte, in denen es überwiegend nicht um das Ausschalten der Gegner, sondern um das Einnehmen von Punkten und die Begleitung von Transporten von einem Ende des Schlachtfeldes zum anderen geht. In privaten Sitzungen kann aber auch klassisches Deathmatch gegen Freunde oder die KI gespielt werden.
Um sich sich voll und ganz auf die fortlaufende Entwicklung und das Balancing des Multiplayers zu konzentrieren, wurde auf eine Kampagne verzichtet. Glücklicherweise werden die fabelhaft designten Charaktere und Locations aber im Rahmen von Kurzfilmen näher beleuchtet. Davon gibt es bereits drei, die derart liebevoll gemacht sind, dass nicht nur (potentielle) Overwatch-Spieler, sondern auch Pixar-Fans daran ihren Spaß haben. Ihr findet sie am Ende dieses Artikels. Ich hoffe, dass Blizzard sie zu Release auch direkt im Spiel aufrufbar macht (wie in anderen Blizzard Spielen), momentan müssen sie tatsächlich extern angesehen werden. In der Beta ist das aber verständlicherweise nicht die Priorität.
I am not a monkey…. I’M A SCIENTIST!
Der Gorilla heißt übrigens Winston und deutet die extreme Diversität der Charakterriege schon an. Aus verschiedenen Ländern gibt es junge und ältere Frauen und Männer, verschiedene Hautfarben, zwei Roboter und verschiedenste Körperumfänge.
Die Charaktere spielen sich auch völlig anders, in wirklich jeder Kleinigkeit. Tracer zum Beispiel hat einen eher kleinen Healthpool, kann sich aber in kurzen Abständen teleportieren und ihre Position in größeren zeitlichen Abständen um drei Sekunden zurücksetzen. Dabei wird auch sämtlicher Schaden geheilt, den sie in dieser Zeitspanne erlitten hat. Als Waffe führt sie zwei Schnellfeuer-Pistolen. Es gibt Mercy, die Heilerin, die für den Notfall zwar auch eine schwache Pistole hat, ansonsten aber per Linksklick Verbündete stark heilt und ihnen per Rechtsklick einen Schadensboost verleiht. Außerdem kann sie mit ihren Flügeln alle zwei Sekunden eine enorme Distanz zu einem Freund überbrücken. Lucío, ebenfalls Support, kann an Wänden entlang gleiten und konstant alle Freunde um sich herum heilen. Das ist zwar schwächer als der Heal Mercys, dafür kann er permanent schießen und statt Schaden die Laufgeschwindigkeit boosten. Es gibt Charaktere, die Geschütze bauen oder selbst eins werden. Charaktere, die sich selbst und andere mit Schilden überziehen und klassische Shooter-Typen mit Schrotflinten, Raketenwerfern oder Sturmgewehren.
Häufig machen die wichtigen Support- und Tankklassen in Spielen weit weniger Spaß als alle anderen. Das endet dann in zähen Sniper und Sturmgewehr Orgien. Bei Overwatch ist das glücklicherweise nicht so. Insbesondere mit Mercy und Lucío hatte ich extremen Spaß. Beide sind unglaublich agil und lassen einen sofort spüren, wie wichtig man für das Team ist. Nur bei wenigen Gefechten hat niemand Support gespielt, was ich dann aber jedes Mal liebend gern geändert habe. Die Helden wechseln kann man übrigens immer kurz bevor man respawnt und jederzeit im Startraum der Map. Stetige, effektive Anpassung der Charaktere an die feindliche Aufstellung ist ein wichtiger Teil des Erfolgs. Mal wird nur ein Tank benötigt, mal mehrere, oder ein automatisches Geschütz an einer bestimmten Position, statt einer Sniperin.
Wer hier gut beobachtet und im richtigen Moment zum passenden Helden wechselt, kann tatsächlich das gesamte Spiel kippen. Der Spieler mit dem besten Spielmoment wird am Ende einer Partie in Szene gesetzt. Mit grandios epischer Musik unterlegt, sehen alle Spieler diesen Moment dann aus dessen Egoperspektive. Auch hier zeigt sich die Liebe zu den Tank und Supportklassen, die durchaus “Play of the Game” werden können!
At the moment of the kill… they are never more alive.
Das Spiel sieht aufgrund seines Comiclooks natürlich nicht beeindruckend realistisch aus. Die Grafik ist aber bereits in der Beta sehr gut und das Spiel läuft flüssig. Überall finden sich wirklich liebevolle Details, inklusive einiger Easter Eggs: im Zentrum einer griechischen Map befindet sich beispielsweise eine große, runde Fallgrube: 300 lässt grüßen. Es gibt bislang erst zwölf Karten. Diese sind aber allesamt sehr schön und unterscheiden sich völlig von einander. Blizzard hat zudem angekündigt, das Spiel langfristig mit neuen Maps und auch Charakteren zu versorgen. Kostenlos. Charakteranpassungen lassen sich durch Lootboxen freischalten, die man bei jedem Levelaufstieg erhält. Sie sind rein kosmetisch und geben somit Veteranen keinerlei Vorteil gegenüber neueren Spielern, was ich bei kompetitiven Spielen für extrem wichtig halte.
Auch der Sound ist großartig, die Waffen klingen unterschiedlich, Schritte sind je nach Größe und Schwere der Charaktere kaum oder sehr gut hörbar und lassen sich mit gespitzten Ohren orten. Die zufällig im Startraum stattfindenden Gespräche der Charaktere geben zusätzlichen Einblick in die Spielwelt und sind wie auch die Emotes sehr gut vertont. Besonders positiv erstaunt war ich, dass bereits in der Beta deutsche Sprachausgabe gegeben ist!
Fazit
Durch die sich völlig im Gameplay unterscheidenden Charaktere grenzt man sich von der Konkurrenz deutlich ab und fügt dem Genre etwas Neues hinzu. Für einen Shooter kann es kaum ein besseres Lob geben, als das sowohl Veteranen als auch Genreverweigerer mit riesigem Vergnügen Runde um Runde “noch ein letztes” Match spielen. Ein Lob, das Overwatch bereits mehr als einen Monat vor Release spielend einstreicht. Die Releaseversion werde ich hier bei AGM ebenfalls für euch testen.
Wer vorher selbst noch in die Action tauchen möchte, kann das vom 5. bis 9. Mai in der Open Beta tun.
Infobox:
- Titel: Overwatch (PC Beta)
- Publisher/Entwickler: Blizzard Entertainment
- Release: 24.05.2016
- Plattform: PC, PS4, Xbox One
- USK: 16
- Genre: 1st Person Shooter
- Sprachausgabe: Audio & Text Deutsch
- Multiplayer: Ja (online)
- Besonderheiten: Online Zwang, Gamepad Unterstützung