Mit Destiny 2 will Bungie alles besser machen, was beim Vorgänger schiefgelaufen ist. Aber das ja heißt nicht, dass es gleich viel Neues geben muss.
Alleine, allein
Ich habe Destiny gehasst – bis The Taken King auf den Markt kam. Vor dem Add-on war der „Looten und Leveln“-Shooter von Bungie ein sehr eintöniges Spielerlebnis. Klar, die Ballereien haben Spaß gemacht, aber das Drumherum war einfach Schrott. So hart muss ich das an dieser Stelle doch wohl formulieren dürfen. Mit der Erweiterung wurde Destiny viel besser, wenn auch nicht zum Genre-Highlight. Aber ich habe gerne meine Freizeit damit verbracht, mit Freunden auf die Jagd nach immer besseren Waffen zu gehen. Im Fall von Destiny 2 habe ich gerade keine Mitspieler. Nicht, weil ich keine Freunde mehr habe, sondern weil die sich entweder nicht für das Spiel interessieren, keine PS4 besitzen und/oder auf die PC-Fassung warten. Oder sie haben mir eine Woche vor Release gebeichtet, dass sie ihre Bestellung storniert haben. Ja, genau, du bist gemeint! Doch siehe da: Destiny 2 macht auch alleine großen Spaß. Und das sogar ohne etwas wirklich Neues zu bieten.
Im Vorfeld von Destiny habe ich mir einen großen Online-Shooter mit RPG-Elementen und einer riesigen Spielwelt vorgestellt. Dass ich das nicht bekommen habe, dürfte heutzutage kein Geheimnis mehr sein. Destiny hat auf so vielen Ebenen enttäuscht, auf ein paar aber auch durchaus begeistert, zumindest ab The Taken King. Für Bungie galt also bei der Fortsetzung: Das, was man beim ersten Spiel versaut hat, sollte besser werden. Was jedoch an Teil 1 gut war, sollte in Teil 2 mehr oder weniger so erhalten bleiben, wie es war. Und so viel kann ich an dieser Stelle schon mal verraten: Das hat bei Destiny 2 wunderbar geklappt. Doch erfüllt das Actionspiel die Erwartungen, die der Vorgänger hätte erfüllen sollen? Nein! Der Titel ist im Kern immer noch genauso aufgebaut wie das Seriendebüt. Doch wie die einzelnen Bausteine zusammengesetzt sind, ist von entscheidender Bedeutung, wenn es um die Qualität von Destiny 2 geht.
Es erzählt eine Geschichte… im Spiel!
Das geht los mit der Story: Diesmal gibt es eine kohärente Geschichte, die aktiv vom Spiel erzählt wird – in richtig schicken Zwischensequenzen, wohlgemerkt. Die Prämisse ist dabei gar nicht mal so uninteressant: Die sogenannte „Rote Legion“, was quasi die Elitesoldaten unter den Kabalen sind, greift die letzte Stadt der Menschheit an, zerstört den Turm (den Hub aus Teil 1), nimmt den Reisenden gefangen und entzieht allen Hütern ihr Licht – die mysteriöse Energie, die sie überhaupt erst zu Hütern macht. Ihr selbst seid mittendrin, überlebt die Schlacht nur knapp und rettet euch mit letzter Kraft zu einer Farm in der „Europäischen Todeszone“, die fortan als Flüchtlingscamp und neuer Hub dient. Von dort aus plant ihr den Gegenschlag, müsst aber zunächst alle Schauplätze von Destiny 2 abklappern, um die wichtigen Figuren wieder zu vereinen. Gemeint sind die Klassen-Questgeber aus dem Vorgänger, also der Jäger Cayde-6, die Warlock-Dame Ikora Rey und der bullige Titan Zavala. Alle drei bekommen in der Kampagne von Destiny 2 deutlich mehr Profil. Gerade Cayde-6 gefällt uns verdammt gut, weil er immer einen flotten Spruch auf seinen Robo-Lippen hat.
Insgesamt ist die Geschichte jedoch nicht mehr als Mittelmaß: eine simple „Gut gegen Böse“-Story ohne große Überraschungen. Im Vergleich mit dem Flickwerk aus dem ersten Destiny ist das ein immenser Fortschritt, aber ganz ehrlich: Das war auch nicht schwer. Etwas herausfordernder war es da schon für Bungie, die Kampagne abwechslungsreich zu gestalten, was dem Team aber vollkommen gelungen ist. Klar, am Ende des Tages ist der Hauptbestandteil immer noch das Abschießen von Dutzenden Gegnern. Aber das macht einerseits wieder extrem viel Spaß, weil die Steuerung und das Gunplay das Beste sind, was das Shooter-Genre auf Konsolen zu bieten hat. Andererseits gibt es immer wieder nette Momente, in denen ihr mit Fahrzeugen durch die Gegend brettert oder euch spezielle Aufgaben gestellt werden, die über das „Schieß alle Gegner ab“-Prinzip hinausgehen. Und keine Bange: Euer Geist muss nur ganz selten mal etwas scannen, während ihr Gegnerwellen abwehrt. Solche Momente gab es im Vorgänger ja gefühlt in jeder Mission.
Die Kampagne ist nur die Vorspeise
Am Ende ist die Kampagne vor allem eines: gut inszeniertes, interaktives Popcorn-Kino – und nur der Anfang von Destiny 2. Erst, nachdem der Abspann über den Bildschirm gelaufen ist, geht das Spiel so richtig los. In meinem Fall war das nach circa zwölf Stunden, wobei ich mich komplett auf die Hauptmissionen konzentriert habe. Es gab zwar ein, zwei Stellen, in denen ich erst mal ein wenig grinden musste, um das nötige Level für den nächsten Auftrag zu erreichen, aber ansonsten habe ich mich von nichts ablenken lassen. Anders als bei Destiny habt ihr aber sowieso kaum die Möglichkeit, in den ersten Stunden die Kampagne links liegen zu lassen. Viele Features werden erst im Verlauf der Handlung freigeschaltet.
Wer so spielt wie ich, hat nach Abschluss der Story wirklich eine Menge in Destiny 2 zu tun – ganz anders als im ersten Teil. Da wären die sogenannten „Abenteuer“: kleine, optionale Story-Missionen, die auf die vier Schauplätze Erde („Europäische Todeszone“), Nessus, Io und Titan verteilt sind. Davon gibt es knapp unter 30 Stück und ihr könnt sie euch wie mehrstufige Patrouillen-Missionen mit ein wenig Story-Kontext vorstellen. Diese Nebenquests sind wirklich nett gemacht und bieten auch angemessen viel Abwechslung. Hinzu kommen die Weltquests, die wesentlich umfangreicher, aber auch fordernder ausfallen und an deren Ende ihr exotische Items erhaltet. Ach ja, die zufällig generierten, inhaltlich belanglosen Patrouillen gibt es auch immer noch.
Nichts mehr verpassen
Aber auch abseits von Missionen haben die offenen Welten in Destiny 2 einiges zu bieten. Dank einer Weltkarte, die im Vorgänger gefehlt hat, seht ihr auf einem Blick, wo ihr welche Aktivitäten machen könnt. So sind etwa die Stellen, an denen ihr planetare Beutekisten findet, grob auf der Karte markiert. Jene Truhen spawnen also im Gegensatz zu den normalen Behältern nicht zufällig, können dafür aber nur einmal geöffnet werden. Endlos abfarmen könnt ihr hingegen die „Verlorenen Sektoren“: kleine Dungeons samt Mini-Bossgegner, der jedes Mal eine Beutetruhe droppt, wenn ihr ihn besiegt. Diese Orte sind ebenfalls auf der Karte sichtbar, die Eingänge müsst ihr aber selber finden.
Und ja, auch die öffentlichen Events sind in Destiny 2 auf der Map markiert und sogar mit einem Timer versehen, der euch darüber informiert, wann es losgeht. Dafür ist also keine Webseite mehr nötig, die Fans für Teil 1 erstellt haben. Neu diesmal: Wer bei den Events Bonusziele erfüllt, kann sie zu „Heroischen Events“ machen, die schwieriger sind, aber auch bessere Beute liefern. Und da sind wir auch bei dem Punkt, warum diesmal nicht nur das „Minute to Minute“-Gameplay, also die einzelnen Kämpfe, gut funktionieren, sondern auch das Streifen durch die Open-World Spaß macht: Nicht nur, dass es immer und überall etwas zu tun gibt, alles davon wird auch noch gut belohnt. Und wenn es am Ende nur Marken sind, die ihr beim jeweiligen NPC abliefert, um im Ruf zu steigen und so Engramme mit wertvollen Items zu erhalten.
Mitspieler gesucht
Abseits der offenen Areale bleiben euch noch die eigentlichen Herzstücke des Mid- und Endgames von Destiny 2: Die Strikes, der Raid und natürlich das PvP. Auf der Xbox One (und später dem PC) gibt es fünf, auf der PS4 sechs Strikes. Diese besonders herausfordernden Missionen für drei Spieler sind schön gestaltet und bieten eine gelungene Abwechslung zum Open-World-Gameplay. Der Raid ist die Königklasse von Destiny 2, benötigt sechs Spieler und geht über mehrere Stunden. Im Gegensatz zum Vorgänger können sich diesmal auch Spieler ohne feste Freunde dieser Prüfung stellen, dem „Guided Games“-Feature sei Dank. Clans, denen Mitspieler fehlen, können so ihre Gruppe mit einzelnen Leuten, die nach einem Team suchen, auffüllen. Das ist zwar immer noch kein komplett offenes Matchmaking, aber besser als gar nichts.
Matchmaking wiederum findet sich im PvP, dem „Schmelztiegel“. Der bietet nun zwei neue Spielmodi („Countdown“ und „Survival“), die beide sehr spaßig sind, und wurde von 6-gegen-6- auf 4-gegen-4-Matches umgestellt. Großes Manko: Ihr habt lediglich die Wahl zwischen zwei Playlists (schnellem und kompetitivem Spiel). Welcher Modus gezockt wird, bestimmt der Zufall. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Strikes, was ich für eine unglückliche Entscheidung halte.
Noch simpler? Echt jetzt?!
Das größte Manko von Destiny 2 ist jedoch meiner Ansicht nach das Klassensystem. Dass es keine neue Art Hüter, sondern die drei bekannten aus dem Vorgänger (Warlock, Titan, Jäger) gibt, geht für mich in Ordnung. Dass es für alle drei jeweils eine neue, wirklich coole Subklasse gibt, ist nett. Der Warlock kann etwa mit einem Flammenschwert um sich schlagen, der Titan wie Captain America einen Schild werfen und der Jäger brutzelt seine Feinde mit einem Blitzstab. Was mich jedoch so sehr enttäuscht: Das Skill-System wurde stark vereinfacht und ist nun viel simpler, als es das eh schon in Destiny 1 war. Warum hat Bungie das Ganze nicht ausgebaut und zumindest einen rudimentären Fähigkeitenbaum gebastelt, bei dem man seine Punkte in einen von drei Pfaden investiert, die dann jeweils zu einer der Subklassen führen? Hier wurde enorm viel Potenzial verschenkt.
Stattdessen gibt es nun unzählige Waffenmodifikationen, die ihr aber nicht nur als Belohnungen, sondern auch aus besonderen Engrammen erhaltet, die ihr für echtes Geld kaufen könnt. Klingt nach Pay-to-Win? Nun ja, so schlimm ist es nicht, die Mods haben nur geringe Auswirkungen auf die Spielbalance. Aber warum muss man denn Gameplay-relevante Inhalte in ein Mikrotransaktionssystem integrieren, wo das Spiel doch schon 70 Euro kostet und mindestens zwei kostenpflichtige Erweiterungen erscheinen werden?
Technik, die (immer noch) begeistert
Na ja, das macht Destiny 2 aber unter anderem mit seiner guten Technik wieder wett. Das Spielgeschehen läuft zwar auf allen Konsolen (selbst der PS4 Pro) nur mit 30 FPS, die werden aber konstant gehalten. Und auch wenn der Titel nicht viel hübscher als der Vorgänger ist, so haben mich die Lichteffekte und gerade die teils atemberaubenden Panoramen sowie die Gestaltung der Schauplätze oftmals staunen lassen. Die Grafik an sich mag nicht auf dem Niveau eines „Horizon: Zero Dawn“ oder „The Witcher 3“ sein. Das Design von Destiny 2 ist jedoch überragend.
Das Gleiche kann ich über den Soundtrack sagen: So manches Stück hat bei mir Gänsehaut erzeugt, zumal die Musik viel besser in der Kampagne eingesetzt wird als in Teil 1. Die deutschen Sprecher hingegen lassen mich mit gemischten Gefühlen zurück. Die Stimme von Cayde-6 ist kein Vergleich mit einem Nathan Fillion im englischen Original, macht ihren Job aber sehr gut. Die Sprecherin von Ikora Rey hingegen klingt alles andere als authentisch.
Fazit – Destiny 2
Ich kann wirklich nicht behaupten, dass Destiny 2 viel neu macht. Klar, ein paar Kleinigkeiten gibt es schon, etwa die dritten Subklassen oder die Waffen-Mods, aber das alles sind eher kleine Ergänzungen für das Spielprínzip, das wir aus dem ersten Teil kennen. Technisch wie inhaltlich gleicht Destiny 2 seinem Vorgänger stark, weshalb es die 2 im Namen kaum verdient. Es ist eher ein Destiny 1.5. Ein Standalone-Add-on zum Vollpreis – oder schlichtweg das Spiel, das der erste Teil hätte sein sollen. Denn am Ende zählt für mich viel mehr, dass Bungie aus seinen Fehlern gelernt hat.
Destiny 2 wirkt wie ein Spiel, dessen Entwicklung reibungslos verlaufen ist. Ein Werk, bei dem von Anfang an klar war: „Das wollen wir machen und genauso setzen wir es auch um!“ Und das merkt man. Die Kampagne hat einen klaren roten Faden und macht von Anfang bis Ende Spaß, die Spielwelt ist mit sinnvollen, spaßigen Aktivitäten gefüllt sowie viel lebendiger als im ersten Teil und überhaupt bietet Destiny 2 deutlich mehr Umfang als sein Vorläufer. Wer schon das Konzept des Vorgängers nicht mochte, wird auch die Fortsetzung nicht mögen. Wenn ihr aber zumindest ab The Taken King Spaß mit Destiny hattet, lege ich euch dieses Spiel wärmstens ans Herz.
Infobox
- Titel: Destiny 2
- Entwickler: Bungie
- Publisher: Activision
- Release: 05.09.2017
- Plattform: PS4, Xbox One
- USK: 16
- Genre: Ego-Shooter
- Sprachw: Deutsch, Englisch, etc.
- Multiplayer: Ja
Bildquelle: Activison