Zugegeben, seit Teil 1 ist nun etwas mehr als die geplante Woche vergangen, doch in all der Zeit gab es so viele Game Of Thrones News! Staffel 7 auf Sommer verschoben, erste Casting-Gerüchte, ein Teaser auf der Comic Con! Dabei haben wir Game Of Thrones Staffel 6 noch gar nicht zu 100% verdaut! In Teil 1 unseres Staffel-Reviews haben wir die drei Eckpfeiler von Staffel 6 – Winterfell, Mereen und King’s Landing – Revue passieren lassen. Fassen wir heute also endlich die kleineren Handlungen zusammen, um in Form einer “Top 5 stärkste/schwächste Aspekte”-Auflistung die großen Themen von Game Of Thrones Staffel 6 zu diskutieren.
When you play the game of thrones, you spoil, or you die.
Was geht denn noch so ab?
Während Jon im Norden seine kleine Armee formt, sitzt Ramsay Bolton in Winterfell und vollendet seine Entwicklung zum Bond-Villain. Er tötet seinen Vater und seinen Halbbruder, schält einen Apfel mit dem Messer, mit dem er gerade Osha erstochen hat. Er schickt Jon einen bösen Brief, der allen noch Mal demonstriert, wie furchtbar böse und gemein Ramsay ist. Gleichzeitig schickt er nur 5 Männer, um Sansa zurückzuholen und verplant den Vormarsch von Littlefingers Armee, die quer durch den Norden spaziert, ohne dass es jemandem auffällt.
Nördlich der Mauer verliert Bran die Children of the Forest, Bloodraven und Hodor, wird von Benjen gerettet, der aus dem nichts auftaucht, und erfährt in der letzten Folge von Jons wahren Eltern: Lyanna Stark und Rhaegar Targaryen. R+L=J confirmed, indeed.
Samwell stattet seiner Familie einen Besuch ab und kommt in der Zitalle an. Pures Set-Up. Sam tat diese Staffel leider nichts von Bedeutung.
Sandor Clegane überlebt seinen Kampf mit Brienne aus Staffel 4, lernt einiges darüber, friedlich zu sein und den Kreislauf der Rache zu durchbrechen, und begibt sich prompt auf einen Rachefeldzug, nachdem die Siedlung von Septon Ray massakriert wurde. Dabei tötet er potenziell unschuldige junge Männer und trifft die Brotherhood without Banners wieder, welche ihm ein Zield geben wollen, uns aber nicht verraten, was dieses Ziel genau ist. Irgendwas mit White Walkern vermutlich.
In Riverrun passiert einiges, das schlussendlich ohne Konsequenzen ist. Brynden Tully stirbt und Bronn darf auch kurz vor die Kamera.
Zu Dorne und Braavos kommen wir noch bald genug.
Game Of Thrones – Top 5 stärksten Aspekte
Nun, da das erledigt wäre, kommen wir zum wichtigen Teil. Staffel 5 glänzte letztes Jahr durch überragende Mittelmäßigkeit. Staffel 6 hingegen hat hohe Hochs und tiefe Tiefs, die allesamt diskussionswürdig sind. Starten wir also mit dem angenehmen Teil, den Höhepunkten der Staffel, und reden wir kurz darüber, was sie so großartig macht.
5 – Hold The Door
Folge 5: The Door ist eine der, wenn nicht sogar die beste Folge der Staffel. Alleine was das Finale an Action, Spannung, Drama und Twists liefert, macht die Folge zu einem wichtigen Meilenstein in der Game Of Thrones Geschichte. Die Enthüllung über Hodors Name ist herzzerreißend und der sinnlose Tod so vieler Charaktere bringt einen ordentlichen Hauch depressiver Stimmung daher.
4 – The Light of the Seven
Die Eröffnung von Folge 10 ist und bleibt ein wundervolles Spektakel voller großartiger Bilder, Musik und Emotionen. Da ich meine Meinung zu dieser Sequenz bereits in dem Review von Folge 10 mehr als ausführlich gesagt habe, sehe ich keinen Sinn, sie groß zu wiederholen: Trotz einiger Freiheiten, die mit der Logik genommen werden, ganz großes Fernsehen und ein großer Schock für alle Tyrell-Fans.
3 – Don’t walk away from your Queen
Jorahs Abschied von Daenerys ist eine kleine Szene und eine, die es – zugegeben zu großen Teilen durch meine Sympathie zu Jorah Mormont – erst hierher geschafft hat. Das ändert aber nicht, dass sie extrem wichtig für Danys Charakter ist. Sie zeigt Emotionen, persönliche Bindung und Gnade. Das bekamen wir in den letzten Staffeln nur sehr selten zu sehen. Warum genau Jorah verbannt wurde, sie aber keine Probleme mit Varys hat, bleibt fragwürdig, aber der Abschied über Vaes Dothrak ist eine der berührendsten Szenen der gesamten Staffel.
2 – It’s never too late to stop killing People
Septon Ray ist ein starker Anwärter auf besten Charakter der gesamten Staffel. Die Ernsthaftigkeit, mit der Ian McShane an diesen Charakter herantritt, sorgt für eine Tiefe, die selbst in einer großartig gecasteten Serie wie Game Of Thrones heraussticht. Aber noch wichtiger als der Charakter selbst ist sein Hintergrund, und die Philosophie, die er scheinbar seinen Getreuen, wirklich aber dem Zuschauer präsentiert. Rache ist keine Lösung. Aggressive Gewalt ist keine Lösung. Krieg bringt niemandem etwas.
All das sind Kernprinzipien, die George R.R. Martins Werk von Anfang an antreiben. Zum Zeitpunkt von Rays Rede gab es noch keinen einzigen Charakter, der einen Krieg angezettelt und damit seine Lage verbessert hätte. Robb wird in der Red Wedding erstochen, Stannis treibt sich selbst in den Tod, Theon wird eine Staffel lang brutalst gefoltert. Dany ist die einzige, die profitiert, aber nicht durch frontalen Kampf, sondern Diplomatie gegenüber der Bürger der Städte, die sie einnimmt.
A Song Of Ice And Fire und Game Of Thrones sind Anti-Krieg und Anti-Gewalt. Und vielen Zuschauern ist noch nicht ganz bewusst, wie sie den Tod von Kindern und Unschuldigen bejubeln. Septon Ray legt uns das vor Augen. Er stirbt, während er den Frieden verteidigt, anstatt sich durch Krieg am Leben zu erhalten. Eine wichtige Lektion, die auf verschiedene Weisen interpretiert wird, aber in jedem Fall eine Moral beinhaltet. Was diese Moral ist, liegt beim Zuschauer.
1 – Battle of the Bastards
Jaja, Anti-Krieg und all das. Das war Herr Der Ringe auch, aber was wäre die Geschichte nur ohne Helms Klamm? Über die Problematiken mit Jons Wutanfall und Sansas merkwürdiger Geheimhaltung ihrer Armee habe ich mich bereits ausgelassen. Nichtsdestotrotz liefert Game Of Thrones mit der Schlacht der Bastarde ein TV-Ereignis ab, das direkt den Legenden-Status der Red Wedding erreichte. Während ich letztere zwar immer noch um Längen besser finde (sowohl story-, twist- als auch produktionstechnisch), kann man BotB nicht abstreiten, dass die Schlacht an sich bei weitem besser war, als das Meiste, das man sogar im Kino zu sehen bekommt. Ebenfalls wichtig ist, dass die Moral “Krieg ist doof” durchaus vertreten wird. Die Show schreckt nicht davor zurück, fast ausschließlich die hässliche Seite einer derartigen Schlacht zu zeigen. Alles drum herum: Durchwachsen. Die Schlacht selbst: Perfekt!
Game Of Thrones – die 5 schwächsten Aspekte
Es ist nicht schwer vorherzusagen, was die schlussendliche Grundaussage dieses Reviews sein wird, wenn man mit dem Positiven anfängt und mit dem Negativen aufhört. Ja, auf dem Spektrum der bisherigen Game Of Thrones Staffeln liegt Staffel 6 eher auf der schwächeren Seite, was aber bei weitem nicht bedeutet, dass es schlechtes Fernsehen ist. Auch die schlechteste Staffel Game Of Thrones verdient so weit dennoch höchstes Lob an Design, Schauspiel und allgemeine Produktionsqualität.
Doch das ändert nichts daran, dass Staffel 6 sich einige Fehltritte geleistet hat. Gehen wir es also an.
5 – Hold The Door
Die Szene fing so gut an und hörte gut auf. Doch dann trat das Element zum Vorschein, das beinahe jede Geschichte, die dieses je beinhaltet hat, zu einem logistischen Chaos macht:
Zeitreisen! Sehen wir es ein: Zeitreisen ergeben selten Sinn. Es gibt viele Modelle – und nur wenige lassen sich mit der Logik, die wir verstehen, erklären. Es entstehen fast immer Paradoxa.
Game of Thrones wählt die Harry Potter-Herangehensweise: Jede Zeitreise ist bereits geschehen und die Vergangenheit kann nicht beeinflusst werden, weil sie bereits passiert ist. Harry und Hermine ändern die Vergangenheit in Der Gefangene von Askaban nicht. Sie vollführen die Schritte, die bereits für sie vorgesehen waren.
Genau so mit Hodor: Bran ändert die Vergangenheit nicht. Er sorgt nur dafür, dass sie passiert. Dies wiederum lässt folgern, dass mindestens alle Geschehnisse seit Hodors psychischer Erkrankung bis zu Brans Intervention vom Universum vorgeschrieben sind, weil Bran sonst Hodors Behinderung nicht verursachen kann. Jaime ist vorherbestimmt, Bran aus dem Fenster zu werfen. Hodor ist vorherbestimmt, ihn zu tragen. Theon ist vorherbestimmt, Winterfell einzunehmen. Locke ist vorherbestimmt, nicht mit Bran aus Craster’s Keep fliehen zu können. All dies suggeriert, dass niemand im Thrones-Universum einen freien Willen hat. Eine unsichtbare, universale Macht kontrolliert jede Aktion und Entscheidung, die gefällt wird. Dieses Konzept war bereits seicht durch Prophezeiungen eingeführt worden (wobei bisher noch nicht handfest bewiesen ist, dass Prophezeiungen komplett real sind), aber die Hold The Door Sequenz demonstriert unmissverständlich, dass die gesamte Story von Anfang an auf Schienen läuft.
Dies ist ein fundamentales Problem. Nicht nur in der Show, sondern auch im Buch. Hoffen wir, die Thematik wird nicht zu sehr ausgereizt. Denn sie zerstört jegliche “Deine Entscheidungen liegen bei dir”-Moral, die sich eventuell herauskristallisieren könnte.
4 – Die Sand Snakes
Es ist schon ziemlich schwierig. Da hat man als Show-Runner in Staffel 5 ein gesamtes Setting, das universell negativ aufgenommen wird. Niemand mag die Sand Snakes (in Staffel 4 war Ellaria zumindest noch in Ordnung). Doran und Areo Hotah waren passabel. Aber die Regie, das Schauspiel und die gesamte Handlung Dornes waren in Staffel 5 durchweg schlecht. Was macht man also als Show-Runner? Das besagte Element in der nächsten Staffel streichen. Gute Entscheidung. Nur eine kleine Randbemerkung: Vorher die einzigen zwei Interessanten Charaktere (Doran und Trystane) um die Ecke zu bringen ist eventuell nicht das Klügste.
Das Ende von House Martell umfasst nur zwei kurze Szenen und verursachte doch mitunter den größten Aufschrei unter den Fans. Vor allem Buch-Leser wissen, was für ein Potenzial Doran Martell hatte – und die Show verschwendete ihn komplett. Dazu lassen sich die schwachen Motive addieren: Was nützt es Ellaria, House Martell auszurotten, wenn Rache für House Martell angeblich ihr Ziel ist? Oberyn würde sich sicher riesig freuen, wenn er je erfahren könnte, dass seine Geliebte seinen Bruder ermordet hat. Und das Ganze wegen eines Fehlers, den Oberyn sich selbst zuzuschreiben hat. Olenna Tyrell dabei zuzusehen, wie sie die Sand Snakes auf ihre Plätze verweist, war die erste gute Szene, die Dorne seit Beginn der fünften Staffel hervorbrachte.
3 – Ramsay
Wir haben schon darüber geredet: Ramsay entwickelte sich über die letzten zwei Staffeln von einem faszinierenden sadistischen Psychopathen zu einer cartoonigen Verkörperung des puren Bösen. Das noch länger zu diskutieren, ist relativ sinnlos.
Der Abschied von Ramsay war deutlich leichter als der von Joffrey, der zwar in eine ähnliche Richtung schwenkte, aber mehr Beweggründe und Dimensionen hatte. Mit Joffrey verloren wir einen hassenswerten Charakter. Mit Ramsay verloren wir eine nervige Karikatur.
2 – X-Men Origins: Arya Stark
Mit ihrer Rache an der Waif verdiente sich Arya in manchen Kreisen den passenden Beinamen “Wolverine”. Sehr treffend, nachdem sie mit tödlichen und infizierten Wunden eine Verfolgungsjagd und einen Kampf gegen einen trainierten Assassinen gewinnt. Ähnlich wie bei Ramsay verschwenden wir hier nur Zeit, wenn wir all die Probleme, die Aryas Story hatte, ein weiteres Mal aufzählen. Das Review zu Folge 8 deckt so ziemlich jedes Detail ab. Aryas Story ist handlungstechnisch der Tiefpunkt von Staffel 6 und reiht sich neben Dorne als zweite Game Of Thrones Arc ein, die tatsächlich als schlecht zu bezeichnen ist.
Aber, wenn Arya die schlechteste Story ist, was bleibt dann noch für Platz 1 übrig?
1 – Fanservice
Es wird mittlerweile als böses Wort eingestuft, das von elitären Buch-Lesern genutzt wird, um die Serie durch den Dreck zu ziehen. Was hat es mit dem Begriff „Fanservice“ im Game Of Thrones Kontext tatsächlich auf sich?
Zunächst ist keinesfalls Fanservice im Sinne von Sex-Szenen gemeint. Nein, mit Fanservice ist gemeint, dass in Staffel 6 alles so lief wie es sollte. Alles war vorangekündigt, durchgeführt und am Ende mit netter Schleife verpackt. Die Protagonisten, die der Zuschauer erfolgreich sehen will, waren fast ausnahmslos erfolgreich. Jon erobert Winterfell. Sansa emanzipiert sich von Littlefinger. Dany gewinnt die Dothraki für sich und macht sich ohne nennenswerte Hindernisse nach Westeros auf. Arya entscheidet sich dagegen, No One zu werden, aber lernt dennoch genug, um am Ende endlich Mal einen Namen von ihrer Liste zu streichen. Sam erreicht die Zitadelle. Jaime gewinnt Riverrun. Theon und Yara kommen ohne Probleme nach Mereen und verbünden sich mit Daenerys.
Das Problem ist, dass das zwar beinahe alles das ist, was der Zuschauer sehen will, aber nicht, was er sehen sollte. Game Of Thrones lebt davon, den Zuschauer zu überraschen. Den Zuschauer in Sicherheit zu wiegen um ihm dann seine Lieblingscharaktere brutal zu nehmen. Ned Stark, Robb Stark, Oberyn Martell, Jon Snow (temporär). Je nachdem, wie sehr man Jon und Sandor Clegane mag, hat diese Staffel uns sogar mehr wichtige Charaktere ZURÜCKGEGEBEN als weggenommen. Das einzige schockierende Event, auf das eventuell gezeigt werden könnte, war die Sprengung der großen Septe. Aber die war auch alles andere als überraschend. Die Hinweise waren überall zu sehen, die einzige Frage war, wer alles daran glauben würde, sobald es soweit ist. Zugegeben, dass Margaery, Tommen und der High Sparrow alle durch dieses Event starben, war etwas überraschend. Aber hinsichtlich der großen Intrigen, die zwischen ihnen angedeutet wurden, vorschnell und enttäuschend.
Noch problematischer wird die Situation durch die Gier nach Blut, die große Teile der Fanbase in sich trägt. Youtube-Videos, die zeigen, wie der Feuertod hunderter unschuldiger Bewohner King’s Landings jubiliert wird, demonstrieren, welche Zielgruppe die Showrunner teilweise anzusprechen versuchen. Keine großen Twists, keine realistischen Hindernisse für die Protagonisten. Nein, Gewalt und Krieg, die in den meisten Fällen sogar vorteilhaft für die “Guten” ausgehen. Und wenn der Hound ein paar Leute umbringt, von deren Schuld weder er noch wir ausgehen müssen, wird trotzdem gejubelt.
Jedoch, nachdem all dies gesagt ist: Selbstverständlich braucht Game Of Thrones nicht nur eines von beiden Konzepten. Sowohl erschütternde Twists als auch aufmunternde Erfolge sind wichtig für die Aussage der Geschichte sowie den Erfolg der Serie. Staffel 6 schaffte diesen Spagat allerdings nur schwerlich und verlor sich in über-choreografierten Action-Szenen, Wiederholung bereits gesehener Charakterentwicklungen und einer Prise Filler.
Game Of Thrones: Staffel 6 – Fazit
Staffel 6 ist ein deutlicher Schritt aufwärts von Staffel 5, welche definitiv den bisherigen Tiefpunkt von Game Of Thrones darstellt. David und Dan haben sich weitestgehend getraut, eigene Handlungen zu schreiben, verloren dabei allerdings eine ordentliche Ladung Tiefe und Detail. Wie schlimm das ist, bleibt dem individuellen Zuschauer überlassen. Staffel 6 war eine Achterbahnfahrt mit starken Höhepunkten und klaffenden Plot-Löchern – und bisher mit Abstand die inkonsequenteste Staffel, sowohl in Qualität als auch Atmosphäre, Design und Drehbuch. Das macht sie jedoch nicht zwingend schlecht.
Nach all dem negativen Genörgel kann ich nur ein weiteres Mal betonen, dass sich auch die Tiefpunkte von Game Of Thrones stets auf einem Niveau befinden, das über den meisten anderen heutigen TV-Formaten steht. Ich persönlich liebe die Bücher, ich liebe die Show und ich hege jedes Jahr Hoffnung auf eine großartige Staffel.
Und auch wenn manchmal mehr und manchmal weniger – diese Hoffnung wurde bisher immer in irgendeiner Form erfüllt.
Es war mir ein Vergnügen, diese gesamte Staffel für euch zu reviewen und ich freue mich bereits auf das nächste Jahr, wenn wir zurückkehren mit Recaps zu Staffel 7.
Felix Thörl
Bildquelle(n): HBO