In dieser Kinowoche startet der große inoffizielle Cannes-Gewinner der Herzen, „Toni Erdmann“. Aber die Fans des Action-Kinos von Roland Emmerich werden sich wohl auch „Independence Day: Wiederkehr“ nicht entgehen lassen. Für die Kleinen gibt es den hübschen Animationsfilm „Mullewapp: Eine schöne Schweinerei“ und die Freunde des kreativen Arthouse-Kinos dürften an dem sozialkritischen, fantasievollen „Bella e perduta – Eine Reise durch Italien“ Gefallen finden. Wer schon immer wissen wollte, wie die Menschen in Nordkorea so leben und was sie denken, wird einiges in „Meine Brüder und Schwestern im Norden“, dem neuen Dokumentarfilm von Sung-Hyung Cho, erfahren. Denn der versteht es sehr gut, die unter staatlicher Beobachtung stehenden Protagonisten durch die Blume sprechen zu lassen oder zu entlarven, welche Parolen ihnen von Dritten auferlegt sind.
Toni Erdmann
Regie: Maren Ade, Verleih: NFP
Winfried (Peter Simonischek) fühlt sich einsam und irgendwie unausgelastet, hat aber einen ausgeprägten Hang zu merkwürdigen Späßen wie Paketboten erschrecken und sich ein Gebiss mit vorstehenden Zähnen aufsetzen. Seine Tochter Ines (Sandra Hüller) kann mit ihm nichts anfangen, schließlich hat sie andere Vorstellungen vom Leben: Sie verfolgt zielstrebig und ernsthaft ihre Karriere als Unternehmensberaterin, derzeit bei einem Projekt in Rumänien. Dort überrascht der Vater seine entfremdete Tochter mit einem Besuch, samt falschem Gebiss und einer Menge Ideen, wie er ihre noblen Kunden ein bisschen durcheinanderbringen kann.
Die Vater-Tochter-Geschichte pendelt zwischen starken Emotionen, viel verdrängter Sehnsucht, Sprachlosigkeit, Trauer und den Lachern, die Winfrieds Scherze unweigerlich produzieren. Mit der Figur des Vaters kommt auch satirische Bewegung in die dünkel- und intrigenhafte Business-Welt, in der Ines gerade Gefahr läuft, sich völlig aufzuarbeiten. Maren Ade erfreut mit genauer Milieubeobachtung und ihre beiden Hauptdarsteller erweisen sich als Dreamteam voller Geist und Esprit, das sich auch aufs Gebiet physischer Comedy wagt.
Unterwegs mit Jacqueline
Regie: Mohamed Hamidi, Verleih: Alamode Film
Der frankophile Fatah (Fatsah Bouyahmed) lebt mit seiner Familie in einem algerischen Dorf. Dort macht er sich zum Gespött der Leute, weil er seine Kuh Jacqueline so sehr liebt. Da bekommt er völlig überraschend aus Frankreich die Nachricht, dass er endlich mit seiner Kuh an der Landwirtschaftsmesse in Paris teilnehmen darf, weil er sich schon so oft beworben hat. Das ganze Dorf legt zusammen, um ihm die Überfahrt zu finanzieren. In Marseille angekommen, muss Fatah den Weg nach Paris mit seiner Kuh allerdings zu Fuß gehen. Wiederholt trifft der naive, kontaktfreudige Bauer auf hilfsbereite Menschen und wird bald zum Star im Internet. Das algerische Dorf verfolgt gebannt vor dem Bildschirm, wie sich ihr Gesandter in Frankreich so macht.
Das humorvolle Roadmovie trägt Züge einer märchenhaften Posse. Fatah und seine Kuh machen das scheinbar Unmögliche wahr, nämlich eine Wanderung quer durch ein unbekanntes Land, das längst keine Zeit mehr für Träume hat. Damit verblüffen sie die Leute und holen sie aus der Reserve. Die köstliche Geschichte unterhält bestens mit treffender Situationskomik und dem entwaffnend charmanten Hauptcharakter.
Bianka Piringer
Bildrechte: NFP & Alamode