An interessanten Filmen herrscht in dieser Kinowoche kein Mangel. Vom Kinderabenteuer bis zum Actionfilm aus Egoshooter-Perspektive ist für jeden Geschmack etwas dabei. Dabei dürfte sich bei mehreren Neustarts der Mut zu neuen und ausgefallenen Ideen auszahlen.
A War
Regie: Tobias Lindholm, Verleih: Studiocanal
Der Kommandant einer dänischen Isaf-Truppe in Afghanistan gerät mit seinen Soldaten bei einer Patrouille unter Beschuss. Um seinen lebensgefährlich verletzten Kameraden zu retten, fordert er Luftunterstützung an. Kurze Zeit später wird er nach Hause geschickt, wo ihm der Prozess gemacht wird: Er soll sich für den Tod von elf afghanischen Zivilisten verantworten.
Der dänische Oscar-Beitrag von Regisseur Tobias Lindholm zeigt, dass es im Kriegseinsatz kaum möglich ist, moralisch und ethisch einwandfreie Entscheidungen zu treffen. Der Kommandant tat das vermeintlich Richtige, doch im Nachhinein wird es ihm haarklein als falsch auseinanderdividiert. Richtlinien und Paragrafen funktionieren auf dem Papier, die Kriegsheimkehrer aber müssen mit der Erkenntnis leben, dass Blutvergießen schuldig macht. Ein hoch spannender, aufwühlender Film, der zum Nachdenken anregt.
Das Dschungelbuch
Regie: Jon Favreau, Verleih: The Walt Disney Company
Die Abenteuer des Menschenjungen Mogli, der im Dschungel Indiens bei Wölfen aufwächst und vom Tiger Shir Khan gejagt wird, sind in doppelter Hinsicht Klassiker: als Buchvorlage von Rudyard Kipling und als Disney-Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1967. Nun kommt die Geschichte als Live-Action-Film in die Kinos: Mogli ist eine echte Person, dargestellt vom charmanten Newcomer Neel Sethi, die Dschungellandschaft sieht echt aus und die sprechenden Tiere – vom Schwarzen Panther Baghira über den Bären Balu bis zur Riesenschlange Kaa – wirken ebenfalls ziemlich echt.
Dabei sind der Dschungel und die Tiere komplett digital hergestellt. Der fotorealistische Look aber gibt dem actionreichen Geschehen eine authentische, ernste Note. Für kleinere Kinder dürfte das stellenweise zu heftig werden, die größeren aber und auch die Erwachsenen erwartet eine gelungene Kombination aus Spannung, Atmosphäre und visuellen Reizen.
The Lady in the Van
Regie: Nicholas Hytner, Verleih: Sony Pictures
Der Londoner Schriftsteller Alan Bennett (Alex Jennings) lernt in den siebziger Jahren eine alte obdachlose Frau, gespielt von Maggie Smith, kennen, die ihren Kleinbus in seiner Straße in einem gutbürgerlichen Viertel parkt. Als ihr das von der Stadt verboten wird, lässt er sie 15 Jahre lang in seiner Einfahrt wohnen, bis zu ihrem Tod. Diese Geschichte aus seinem Leben reicherte Drehbuchautor Bennett mit fiktionalen Elementen zu einem mit viel trockenem Humor erzähltem Drama an. Maggie Smith spielt die störrische Vagabundin, die ihre Würde auch unter den widrigsten Umständen verteidigen kann, beeindruckend.
Ein ungewöhnlicher Film über eine außergewöhnliche Beziehung zweier Menschen zwischen Freundschaft und unvereinbaren Gegensätzen.
Hardcore
Regie: Ilya Naishuller, Verleih: Capelight / Wild Bunch
Der Titel des Films stimmt schon mal: An Hardcore-Action, inklusive drastischer Gore-Szenen, fehlt es in diesem Werk des russischen Regisseurs Ilya Naishuller nicht. Produziert von „Wanted“-Regisseur Timur Bekmambetov, unternimmt der Film das Experiment, seinen Hauptcharakter Henry nicht zu zeigen. Die Kamera, deren Perspektive die ganze Action folgt, sitzt nämlich auf seinem Kopf: Der Zuschauer sieht nur das, was Henry vor die Augen kommt. Der Mann ist eine Kampfmaschine in einem menschlichen Körper, der seine Energie aus einem Akku bezieht, und wird von einem Bösewicht und seinen unzähligen Cyborg-Soldaten gejagt.
Da werden Granaten geworfen, Panzer greifen an, es gibt eine flotte Verfolgungsjagd mit Auto und Motorrad, und immer wieder werden die Leute wie Schießbudenfiguren umgenietet. Die stets etwas rätselhafte Geschichte wird mit Humor und temporeicher Musik unterlegt und bietet auf jeden Fall eine interessante, neue Seh-Erfahrung.
Wild
Regie: Nicolette Krebitz, Verleih: NFP
Eine junge Frau lebt in einer anonymen Blocksiedlung am Stadtrand und hat einen tristen Bürojob. Eines Tages sieht sie in der Nähe des Blocks, wo der Wald beginnt, einen Wolf. Auf einmal erwacht in ihr ein unbekannter Instinkt, sozusagen der Ruf der Wildnis. Sie will den Wolf einfangen und beginnt sogar selbst am Balkon, wie ein Raubtier zu heulen. Wie diese blasse Underdog-Frau schrittweise ihre Sinnlichkeit und ihren Freiheitswillen entdeckt, gerät in diesem atmosphärisch dichten Film zum traumwandlerischen Ereignis. Anstatt diese Person am Rande der Gesellschaft wie üblich nach innen streben zu lassen, dreht die Geschichte die Blickrichtung radikal um.
Beti und Amare
Regie: Andy Siege, Verleih: Splendid
Ein Science-Fiction-Film, der in Äthiopien spielt und mit einem Budget von 14000 Euro realisiert wurde: Das Langfilmdebüt des deutschen Regisseurs Andy Siege fällt in so ziemlich jeder Hinsicht aus dem Rahmen. Und bietet hervorragende Unterhaltung, indem es seine bittere Sozialkritik mit der Leichtigkeit eines Märchens kombiniert. Die Geschichte spielt im Jahr 1936, während Mussolinis Abessinienkrieg. Die junge Beti sucht bei ihrem Großvater auf dem Land Unterschlupf, aber weder vor einheimischen Milizionären, noch vor italienischen Soldaten ist sie in seiner Lehmhütte sicher. Da fällt ein Ei aus dem Weltall und beschert Beti den hilflosen Jüngling Amare, der über Vampirzähne und -kräfte verfügt. Es ist wirklich unglaublich, was sich dieser Film alles einfallen lässt, Traumreisen ins Weltall und Expeditionen in die afrikanische Kultur, einen wilden Stilmix aus Schwarzweiß und Farbe. Trotz ihrer Schwere aber strahlt die Geschichte von Beti und Amare auch einen naiven, beschwingten Optimismus aus. Und vor allem funktioniert sie wunderbar als Unterhaltungsfilm, der Geist und Seele gleichermaßen anspricht.
Bianka Piringer
Bildrechte: NFP, Sony Pictures, Splendid, Disney, Capelight