In dieser Woche gehen mehrere hochkarätige Filme an den Start. Zu „The Revenant“, der schon am 6. Januar in die Kinos kommt, und „The Danish Girl“ – beide mit mehreren Golden-Globe-Nominierungen versehen – gesellt sich ein deutscher Horrorfilm namens „Unfriend“, der Beachtliches zu bieten hat.
Unfriend (Simon Verhoeven)
Manche Leute behaupten ja nach wie vor, dass es so etwas wie deutsche Horrorfilme gar nicht gibt. Das Genre ist tatsächlich sträflich vernachlässigt, denn wenn sich ein Filmemacher auf dieses schwierige Terrain wagt, auf dem die Lächerlichkeit immer nur einen kleinen Schritt entfernt lauert, erleidet er meistens Schiffbruch. Das aber passiert Simon Verhoeven und seinem auf Englisch gedrehten „Unfriend“ nicht. Es geht um die beliebte College-Studentin Laura, die die Freundschaftsanfrage der Außenseiterin Marina auf Facebook annimmt. Aber Marina will zu viel Kontakt und wird mit ihren düsteren, grausigen Comiczeichnungen Laura auch bald unheimlich. Sie verbannt Marina von ihrer Freundesliste und die einsame Studentin bringt sich um. Sie filmt den Selbstmord sogar und sorgt dafür, dass das Video über Lauras Facebook-Account ins Netz gelangt. Wie sorgt sie dafür? Tja, Marina treibt weiterhin ihr Unwesen.
Laura und ihre Freunde müssen feststellen, dass die Social Media ihnen keineswegs so freundlich gesonnen sind, wie sie dachten. Die Internet-Paranoia ist in diesem visuell ausgefeilten Thriller, der seine Fährten in verschiedene Richtungen auslegt, mit Händen zu greifen. Ist Laura verrückt, handelt es sich um Hexenmagie? Verhoeven bietet zwar keine tiefere Charaktererkundung, aber er zieht so gut wie alle Register des Horrorgenres und wagt sich aus dem Terrain des ansprechend bebilderten Cyberthrillers weit hinaus in die dunkle Nacht mit ihren blutigen Geheimnissen. Harte Kost, sehr spannend und einfallsreich in Szene gesetzt.
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The Danish Girl (Tom Hooper)
Eddie Redmayne, der schon für seine Darstellung des gelähmten Physikers Stephen Hawking in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ den Oscar erhielt, spielt erneut eine Figur, die starke äußere Verwandlung erfordert. Er verkörpert unter der Regie von Tom Hooper („The King’s Speech“) den dänischen Künstler Einar Wegener, der sich als einer der ersten Transsexuellen einer operativen Geschlechtsumwandlung unterziehen ließ. Lange bevor es dazu kam, verwandelte sich Einar in den 1920er Jahren in Lili Elbe, die in Frauenkleidern ausging und männliche Verehrer auf sich aufmerksam machte. Redmayne ist eine Schau mit seiner androgynen Aura und seiner Lust, die Frau in sich zu entdecken. Das Spiel von Alicia Vikander aber steht seinem in keiner Weise nach: Vielmehr ist die Rolle Gerda Wegeners, die praktisch ihren Mann verliert, aber nicht die Liebe zu ihm als Mensch, dramaturgisch noch spannender und fordernder. Als Duo sind die beiden Darsteller unschlagbar in diesem ergreifenden Drama über eine Transgender-Pionierin.
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The Revenant – Der Rückkehrer (Alejandro González Iñárritu)
Auch Iñárritus blutige Expedition in den Wilden Westen des 19. Jahrhunderts basiert lose auf einer realen Biografie: Den von Leonardo DiCaprio gespielten Trapper Hugh Glass gab es wirklich. Er ging sogar als Held in die amerikanische Folklore ein, weil er von einem Bären angefallen und von seinem Kameraden zum Sterben in der Wildnis zurückgelassen wurde, es aber aus eigener Kraft zurück in die Zivilisation schaffte. Das mit der Zivilisation ist in diesem grimmigen Survival-Abenteuer allerdings nur eine traurige Illusion: Die Pelzhändler, die an der amerikanischen Frontier durch die Wälder streifen, bekleckern sich wie die Soldaten fleißig mit dem Blut der Indianer. Und umgekehrt. Iñárritu vertieft sich bildgewaltig in dieses historische Universum ethnischer Säuberungen, in dem die seelischen Schmerzen der Überlebenden zum Himmel schreien. Bei Hugh Glass sind es allerdings immer auch ganz körperliche Schmerzen: Es ist unfassbar, was dieser Mann alles erleidet, ohne das Zeitliche zu segnen. Warum der Regisseur an dieser überlebensgroßen Heldenfigur dermaßen einen Narren gefressen hat, dass er den Film gar nicht mehr enden lassen will, erschließt sich nicht ohne Weiteres.
Bianka Piringer
Bildquellen: Warner, 20th Century Fox, Universal