Eine Woche ist vergangen seit dem explosiven Staffelfinale von Game Of Thrones, und wir hatten alle ein wenig Zeit, zu verdauen, was uns so geboten wurde. Viel starkes und viel schwaches, doch wie sehr hat uns Staffel 6 alles in allem überzeugt? Erfahrt es in unserem großen, zweiteiligen, Season 6 Recap. Heute lassen wir die drei wichtigen Kernhandlungen Revue passieren, um nächste Woche auf die kleineren Geschichten zu sprechen zu kommen – in einer zusammenfassenden “Top 5 stärkste/schwächste Aspekte” Auflistung.
Legen wir los, und wie üblich:
Spoil them all!
Restoration im Norden
Dass Jon Snow zu den Lebenden zurückkehren würde, war fast jedem klar, die Frage war, wann und wie dies geschehen würde. Mit Melisandre wurde ein recht offensichtliches Medium gewählt und warten ließ man die Fans auch nicht lange. Schon in Folge 3 schnappte Jon wieder nach Atem. Nach der herzigen Wiedervereinigung mit Sansa ging Jon dann auf große Nord-Tournee um eine Armee gegen Ramsay Bolton aufzustellen. Mithilfe des freien Volkes, der Mormonts und der wie immer spät eintreffenden Rohirrim wurde Winterfell erobert und Ramsay Bolton zur Strecke gebracht. Abgesehen von Rickons Tod (Der auf multiple Wege hätte verhindert werden können) ein relativ positives Ende, wie’s scheint.
Die Handlung rund um Jon Snow ist wohl am ehesten als das Kernstück dieser Staffel zu bezeichnen und sie funktioniert auf vielen Ebenen sehr gut. Jon und Sansa haben überraschend viel Chemie und Davos, Edd, Melisandre, Brienne, Tormund und selbstverständlich Lady Lyanna Mormont sorgen für ein sehr breites Spektrum an interessanten Charakteren. Jeder macht seine eigene Transformation durch, wenn auch manche mehr als andere. Der Plot ist einfach und solide. Der Mangel an Twists ist sehr untypisch für Game Of Thrones, und gibt manchen ein entspannendes Gefühl der Sicherheit und anderen Langeweile. Jons Krönung zum King in the North ist derweil mehr als fragwürdig, er hat weder Anspruch auf den Thron, noch scheint er den Thron zu wollen. Und ganz ehrlich, in der momentanen Situation wäre es eventuell intelligenter, nach Verbündeten in Westeros zu suchen, anstatt sich komplett als Königreich abzukapseln. Dass er seine Armee beinahe für seine persönlichen Rachegefühle in vollstem Bewusstsein in den Tod trieb, scheint ihm auch jeder zu verzeihen.
Dany ist auf dem Weg. Diesmal wirklich
Daenerys überrascht dieses Jahr durch tatsächliche Entwicklung. Nicht nur gewinnt sie Kontrolle über ihre Drachen, sie findet dank Jorah auch ihre sensible Seite wieder und macht sich endlich auf, ihr wahres Ziel zu verfolgen: Den Thron. Wie Dany selbst, profitiert auch ihre Story in großen Teilen von ihren Beratern. Ohne Jorah und Barristan müssen nun Tyrion und Varys die alltägliche Politik übernehmen. Tyrion ist wie in den meisten Fällen das Beste, das in seinem jeweiligen Plot zu finden ist. Sogar seine von Fremdscham angehauchten Szenen mit Missandei und Grey Worm erfüllen ihren Zweck und demonstrieren nicht nur den stärker werdenden Bund zwischen den Charakteren, sondern auch Tyrions Gewöhnung an sein neues Umfeld.
Daenerys tat zwar mal wieder viel vom Gleichen (Hier die Drachen einsetzen, da nackt ein Feuer überleben, dort die gleiche Rede zum fünften Mal halten), aber sie tat es mit Style und zumindest in Essos zum letzten Mal. In Westeros wird sie auf sehr andere Probleme stoßen, die eine sehr andere Herangehensweisen erfordern. Da würde niemand ignorieren, wenn eine Wahnsinnige ein heiliges Zentrum mit vielen wichtigen und beliebten Personen niederbrennt.
Eine große Enttäuschung ist jedoch der “Plot” mit Kinvara, der neuen roten Priesterin. Es wurde deutlich mehr erwartet als eine Szene, und es sieht nicht so aus, als würde sie nach Westeros mitreisen. War sie nur dafür da, um das Volk zu besänftigen? Nützlich im Kontext der Geschichte – nur bedingt nötig, wenn die Staffel nur 10 Stunden hat.
If you can’t beat them, burn them
King’s Landing startete extrem seicht in die sechste Staffel, und nahm eigentlich bis zur letzten Folge nie wirklich an Fahrt auf. Die einzigen, wichtigen Kernszenen waren lediglich Tommens Entscheidung, die Krone und den Glauben zu verbünden, und Cerceis “Lösung” dieses Problems. Die Grundproblematik liegt bei der Frage, ob all das, was dazwischen geschah als Filler zu bezeichnen ist oder nicht. Denn Margaery und der High Sparrow planen und hintergehen Cercei und sich gegenseitig am laufenden Band. Tommens Motivationen werden in Frage gestellt und man weiß nicht genau, wem seine Loyalität gehört: Seiner Mutter, seiner Frau oder seiner Religion? Was war Margaerys Plan, nachdem Loras befreit war? Was hatte sie vor, dass es essenziell war, Lady Olenna aus der Stadt zu schaffen? Was waren die wahren Ziele des High Sparrow, der offensichtlich nicht einfach für seinen Glauben kämpfte? Dies alles wären faszinierende Fragen, die die Story vorangetrieben HÄTTEN, hätte Cercei sie nicht alle auf ein Mal ausradiert. Cercei verbrennt in Folge 10 nicht nur ihre Feinde, sondern sämtliche getane Entwicklung der letzten neun Folgen. Es war alles für die Katz. Und das nicht, weil Cercei eine brillante Strategin ist, sondern weil Qyburn für sie einen Plan durchführte, der nicht nur stumpf und undurchdacht war, sondern vermutlich auch nicht wirklich ihre Idee. Das ganze riecht stark nach einer Hintertür, durch die die Show geflohen ist, um die vielversprechendste Handlung nicht sinnvoll zu Ende bringen zu müssen. Margaery, Cercei, Tommen und der High Sparrow waren gerade dabei, traditionelle Game Of Thrones Machtspiele zurückzubringen. Aber nein, Cercei zerschlägt dieses Potential mit dem Vorschlaghammer. Sehr. sehr enttäuschend.
Noch enttäuschender, wäre es zu sehen, dass sie auch nur ansatzweise damit durchkommt. Sie hat keine Verbündeten mehr: Die Starks, Arryns und Greyjoys stehen in offener Rebellion, Haus Tyrell und “Haus Martell” haben sich mit Daenerys verbündet, die Riverlands haben gerade Walder Frey verloren, Baratheons gibt es nicht mehr und ob die Lannisters es so geil finden was Cercei mit Kevan und Lancel gemacht hat, ist auch fragwürdig. Letztere Entscheidung liegt vermutlich bei Jaime. Des weiteren war das Volk angeblich auf Seiten der Sparrows und die Tyrells haben gerade noch eine große Armee direkt in der Gegend. Das alles sind Probleme, die hoffentlich nicht unter den Teppich gekehrt werden, wenn die nächste Staffel startet. Cercei und ihre Berater sind komplette Vollidioten.
Stark / Targaryen / Lannister – Unser Fazit
Der Norden und Essos sind in dieser Staffel sehr solide, während King’s Landing zunächst versprach, die beste Handlung zu werden, um sich in der letzten Folge selbst ins Knie zu schießen. Jon und Dany haben sehr simple und vorhersehbare Hindernisse zu überwinden und das Ziel ihrer Plots scheint episches Fantasy-Spektakel zu sein. Das erfüllen sie mit Bravour; Motive und logistische Lücken beiseite, ist die Schlacht der Bastarde ein fulminanter TV-Meilenstein. Den wahren Geist des Originals – die Intrigen und Twists – versucht die Show in King’s Landing unterzubringen, was lobenswert ist. Es ist nicht einfach, innerhalb von einem Jahr einer Geschichte gerecht zu werden, die über 20 Jahre lang ausgeklügelt wurde. Das ändert leider nichts daran, dass King’s Landing in der Absicht, wieder wie Staffel 1 zu wirken, kläglich versagt. Das Set-Up ist wunderbar, die Auflösung aber extrem unkreativ und enttäuschend.
Tja, das waren die wichtigsten Eckpfeiler von Staffel 6. Ein durchwachsenes Gerüst, das stark ist, wenn es sich traut, anders zu sein, aber dadurch immer mehr von dem verliert, was Game Of Thrones ursprünglich zu dem Hit machte, der es heute ist. Komplett können wir größere Themen und Strukturen aber noch nicht diskutieren, dafür müssen wir erst alles beredet haben. Begleitet uns also nächste Woche ein letztes Mal nach Westeros, bevor es in die lange Pause geht.
Felix Thörl
Bildquelle(n): HBO