Die Kinostarts dieser Woche listen mehr als ein Dutzend Filme auf, da fällt die Auswahl nicht leicht. Was allerdings die Vorfreude anbelangt, dürfte sich ein Werk auf der Pole-Position befinden, nämlich der Pixar-Animationsfilm „Coco – Lebendiger als das Leben“.
In „Der Mann aus dem Eis“ schlüpft Jürgen Vogel in die Rolle des Steinzeitmenschen Ötzi, dessen mumifizierter Leichnam 1991 hoch oben in den Alpen gefunden wurde. Der Spielfilm imaginiert, wie seine letzten Tage ausgesehen haben könnten, hält sich aber an alle bekannten Fakten. Gut vertreten ist in dieser Woche das Thriller-Genre, mit Werken wie dem Sci-Fi-Film „Flatliners“, der japanischen Rachefantasie „Happiness“, dem deutschen Psycho-Horror-Film „Die Vierhändige“. Ebenfalls einen Thriller, nämlich einen im Westerngewand, stellt „Brimstone“ dar, in dem ein sadistischer Psychopath von der Leine gelassen wird.
Etliche Filme können getrost in der Kategorie „ferner liefen“ verbleiben, darunter auch das zähe deutsche Beziehungsdrama „Whatever Happens“. Interessanter dürfte da schon das Aids-Drama „120 BPM“ sein, das im Paris der 1990er Jahre angesiedelt ist. Denn es thematisiert das Engagement der Aktivistengruppe ACT UP für die Rechte der Aidskranken.
Coco – Lebendiger als das Leben
Regie: Lee Unkrich, Adrian Molina, Verleih: The Walt Disney Company
In Mexiko träumt der zwölfjährige Miguel davon, in die Fußstapfen des legendären, verstorbenen Musikers Ernesto de la Cruz zu treten. Doch in Miguels Familie ist Musik streng verboten und so darf Miguel auch nicht am Talentwettbewerb teilnehmen, der am Dia des los Muertos, dem Tag der Toten, stattfindet. Die Aversion seiner Familie gegen Musik geht zurück auf das Schicksal seiner Ururgroßmutter. Sie war die Frau eines Musikers, der lieber hinaus in die Welt zog, als sich um sie und das Töchterchen Coco zu kümmern. Miguel aber will am Wettbewerb teilnehmen und stibitzt sich die Gitarre von Ernesto de la Cruz auf dem Friedhof. Und dann steckt er auch schon mittendrin in einem Abenteuer, das ihn in das Reich der Toten führt und zu den Geistern verstorbener Verwandter.
Dieser Animationsfilm aus dem Hause Pixar taucht mit einem spannenden, kindgerechten Abenteuer in die mexikanische Kultur und ihr Brauchtum ein. Der Familiensinn, die Liebe zur Musik und vor allem auch der als Fest begangene Dia de los Muertos stehen im Mittelpunkt. Das Reich der Toten, in dem Miguel in einem Wettlauf gegen die Zeit die Wahrheit über seine Vorfahren herausfindet, wird in bunten Farben ausgemalt. Bilder voller Magie mildern im Zusammenspiel mit unbeschwerter Komik den schaurigen Grusel, der dem Thema innewohnt, gekonnt ab. Aber dennoch steckt in der Geschichte philosophische Tiefe, zum Beispiel über die Kraft der Erinnerung.
Der Mann aus dem Eis
Regie: Felix Randau, Verleih: Port au Prince Pictures
Die Geschichte von Kelab (Jürgen Vogel) spielt vor 5300 Jahren in den Ötztaler Alpen. Der Mann ist der Anführer eines Familienverbands, dessen Dorf von drei Fremden überfallen wird, als er auf der Jagd ist. Die Angreifer töten alle, nur ein Baby überlebt. Mit diesem Säugling und einer Ziege macht sich Kelab auf den Weg, immer den Spuren der Mörder nach. Er will Rache, aber auch den heiligen Gegenstand, den die Fremden mitgehen ließen. Kelab steigt hoch hinauf in die Alpen. Er begegnet anderen Menschen und begeht einen folgenschweren Fehler.
In diesem Drama wird wenig gesprochen, und wenn doch, dann in einer unverständlichen, primitiven Sprache. Wenn Kelab ab und zu ein-zwei Worte ausstößt, lässt sich ihr Sinn aber aus dem Kontext deuten. Das Spannende an diesem Film ist, wie schlüssig er in die Epoche der Jungsteinzeit eintaucht und sich das damalige Leben der Menschen im Südtiroler Alpenraum vorstellt. Die Geschichte berücksichtigt die vielen Fakten, die Untersuchungen an Ötzis Leiche zutage förderten. So weiß man, dass der Wanderer starb, weil er hinterrücks von einem Pfeil getroffen wurde. Gut möglich also, dass das Rachedrama der wahren Geschichte Ötzis ziemlich nahekommt. Alles in allem ist dies ein unterhaltsamer und sorgfältig gemachter Film, in dem der imposanten Bergwelt selbst eine zentrale Rolle zukommt.
Die Vierhändige
Regie: Oliver Kienle, Verleih: Camino Filmverleih
Das Leben der Schwestern Sophie (Frida-Lovisa Hamann) und Jessica (Friederike Becht) ist von einem Trauma überschattet. Als sie Kinder waren, drangen zwei Täter ins Haus ein und ermordeten die Eltern. Jessica hielt ihrer jüngeren Schwester die Augen zu und versprach, sie immer zu beschützen. Noch heute denkt Jessica viel zu viel an damals, während Sophie unbeschwerter erscheint und eine Karriere als Pianistin verfolgt. Als die Täter aus dem Gefängnis freikommen, will Jessica dafür sorgen, dass sie keinen Schaden mehr anrichten. Es kommt zum Streit zwischen den Schwestern und zu einem Autounfall, bei dem Jessica stirbt. Doch sie lässt ihre Schwester Sophie weiterhin nicht allein und taucht in ihrem Leben auf.
Zwei Schwestern sind psychisch anscheinend auf immer und ewig zusammengeschmiedet durch das schreckliche Verbrechen, das ihnen die Eltern raubte. Aber wie sich Jessicas mysteriöse Präsenz in Sophies Leben über den Tod hinaus erklärt, daraus strickt der deutsche Genrefilm ein spannendes Rätselspiel. Er lässt intensiv mit Sophie mitfiebern, die um ihren Verstand fürchtet und Jessica davon abhalten will, aggressiv in Erscheinung zu treten. Die stilvolle Gestaltung vermittelt eine unheimliche Atmosphäre und spielt geschickt mit Horrorelementen.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: The Walt Disney Company, Port au Prince Pictures, Camino Filmverleih