In dieser Woche befinden sich unter den Kinostarts mehrere hochkarätige Werke. Denis Villeneuves Sci-Fi-Thriller „Arrival“ beschert dem Genrepublikum einen Alienbesuch der etwas anderen Art. Mit der falsch singenden Millionenerbin Florence Foster Jenkins, die 1944 ein Konzert in der New Yorker Carnegie Hall gab, beschäftigt sich nun nach dem französischen Spielfilm „Madame Marguerite oder die Kunst der schiefen Töne“ und einem erst kürzlich gestarteten Dokumentarfilm auch die neue Komödie von Stephen Frears.
Der britische Altmeister Ken Loach ist ein unermüdlicher Verfechter sozialer Gerechtigkeit. Aber diese entpuppt sich auch in seinem bitteren Drama „Ich, Daniel Blake“, das heuer in Cannes die Goldene Palme gewann, als so entfernt wie eh und je. Wehe dem, der wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit in die Mühlen der englischen Bürokratie gerät! Kaum zu glauben, dass es im Sozialsystem der britischen Insel so unmenschlich zugehen soll wie hier gezeigt. Vielleicht hat Loach diesmal auch nur etwas zu dick aufgetragen, weil ihm der rettende Optimismus irgendwie abhanden gekommen ist. In dem kleinen schweizerischen Drama „Aloys“ sieht die Realität des Protagonisten ebenfalls düster aus, aber dann beginnt seine Fantasie, verrückt zu spielen.
Arrival
Regie: Denis Villeneuve, Verleih: Sony Pictures
Die Aliens sind gelandet, und zwar an zwölf verschiedenen Orten auf der ganzen Welt. Sie schweben in ihren ovalen schwarzen Raumschiffen senkrecht über dem Boden und tun vorerst nichts. Das amerikanische Militär holt die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) und den Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) zu Hilfe: Am Standort Montana sollen sie herausfinden, was die Aliens im Sinn haben und ob sich mit ihnen verhandeln lässt. Die beiden betreten das Raumschiff und stehen bald Kreaturen gegenüber, die mehr an Tintenfische erinnern als an grüne Männlein, und die statt Worten dunkel gefärbte Kreise produzieren. Während sich Louise Banks den Kopf über diese Sprache zerbricht, sind die Staaten uneins über den Umgang mit den Aliens. Die Gefahr einer kriegerischen Attacke wächst.
Der kanadische Regisseur Denis Villeneuve bereichert das Sci-Fi-Genre um einen sehr originellen Film, der auf einer Kurzgeschichte von Ted Chiang basiert. Die Aliens sind darin überraschend anders als die Menschen und stellen mit ihrer Intelligenz den Anthropozentrismus gründlich auf den Kopf. Die Zuschauer dürfen mit Louise Banks über das Wesen der Sprache rätseln und wie sie das Denken beeinflusst. Dieser Charakter zeigt Amy Adams in einer ihrer besten Rollen überhaupt. Ein inspirierender, hoch spannender Gedankenflug an die Grenzen des Begreiflichen, der auf emotionale Wahrheiten abzielt.
Florence Foster Jenkins
Regie: Stephen Frears, Verleih: Constantin Film
Florence Foster Jenkins (Meryl Streep) ist eine Society-Größe in New York zu Anfang der 1940er Jahre. Ihr Reichtum ist so immens, dass sie sich des Beifalls der illustren Kreise sicher sein kann, denen sie Opernarien vorsingt. Sie trifft zwar kaum einen Ton, aber niemand, der auf ihr Wohlwollen oder das ihrer Freunde angewiesen ist, will ihr die Wahrheit sagen. Dafür sorgt auch ihr überaus umsichtiger Lebensgefährte St. Clair Bayfield (Hugh Grant). Ebenfalls auf ihr Geld angewiesen, will ihr dieser Mann, der jünger ist und in seinem Apartment eine Geliebte empfängt, das Leben in einer Illusion so angenehm wie möglich gestalten. Aber als Florence Foster Jenkins ein Konzert in der Carnegie Hall geben will, gerät er an seine Grenzen.
Muss man sich diese Florence Foster Jenkins, die real existierte, als eine traurige, oder eine glückliche Person vorstellen? Diese Komödie von Stephen Frears plädiert eher für die zweite Variante, wenn auch nicht ohne melancholische Anflüge. Die reiche Mäzenin wollte nun einmal Opernarien singen und glaubte, dass sie das auch konnte. Fans von Hugh Grant kommen in diesem Film auf ihre Kosten, denn der britische Schauspieler zieht in der Rolle eines gewitzten, redegewandten Strippenziehers mit Herz alle Register. Meryl Streeps Darstellung, die die singende Millionärin ziemlich stark karikiert, ist hingegen Geschmackssache.
Aloys
Regie: Tobias Nölle, Verleih: Film Kino Text
In der Schweiz führt der Privatdetektiv Aloys Adorn (Georg Friedrich) ein freudloses Dasein. Außer zu seinem Vater, der ihn zum Mitinhaber der Detektei machte, pflegte er keine Beziehungen, denn in diesem Beruf muss man sich unsichtbar machen. Nun ist der Vater tot und Aloys hat seine Gefühle nicht länger im Griff. Erst schläft er betrunken in einem Bus ein, dann meldet sich eine unbekannte Frau, die seine Kamera und Aufnahmebänder gestohlen hat und ihn erpresst. Sie verlangt am Telefon, dass Aloys seine Fantasie auf Entdeckungsreise schickt.
Der Schweizer Regisseur Tobias Nölle erzählt die Geschichte eines traurigen Mannes am Rande des psychischen Zusammenbruchs. Die Frau am Telefon, in die er sich verliebt, ermöglicht ihm eine Achterbahn der Gefühle, einen Trip voller Halluzinationen. Ob Aloys im Verlauf den Verstand verliert oder sich neu findet, erscheint ungewiss. Man muss Geduld aufbringen für dieses verhaltene Drama über die Kraft der Einbildung und wie sie dazu neigt, sich zu verselbstständigen. Aber es steckt auch voller Wahrheit und Inspiration. Georg Friedrich beeindruckt mit einem Spiel, das hinter der komödiantischen Fassade sehr sensibel ist.
Bianka Piringer
Fotoquelle(n): Sony Pictures, Constantin Film, Film Kino Text