Die Kinostarts dieser Woche führen viele prominente Frauennamen im Programm, wie die Regisseurin Kathryn Bigelow und die Schauspielerinnen Diane Kruger, Emma Stone, Cate Blanchett, Reese Witherspoon. Mit ihnen kann nur ein männliches Wesen ernsthaft konkurrieren, nämlich ein kleiner Bär.
„Paddington 2“ bietet ein charmantes Wiedersehen mit dem altklugen Pelztier, das in London bei der Familie Brown lebt. Mit seiner höflichen, britischen Ausdrucksweise und der arglosen Hilfsbereitschaft macht sich der aus Peru eingewanderte Bär viele Freunde. Trotzdem muss er aufgrund einer falschen Verdächtigung ins Gefängnis. Auch ganz nett, aber nicht übermäßig spannend ist die romantische Komödie „Liebe zu Besuch“ mit Reese Witherspoon. Cate Blanchett schlüpft in dem Kunstfilm „Manifesto“ in 13 verschiedene Rollen, um renommierte Texte über Kunst und Politik zu proklamieren, die sich, wie kann es anders sein, gelegentlich widersprechen.
Ebenfalls um Theorie, nämlich um die Suche nach einem politischen Bewusstsein, das das Individuum braucht, wenn es die Gesellschaft mitgestalten und verändern will, geht es in „Der lange Sommer der Theorie“. Überraschenderweise ist dieser deutsche Film alles andere als langweilig. Politisch wird es auch in anderen Filmen, die den Rassismus, die Ausländerfeindlichkeit, die Frauendiskriminierung ins Visier nehmen. Fatih Akins „Aus dem Nichts“, der für Deutschland ins Oscarrennen geht, erzählt mit Diane Kruger in der Hauptrolle einen Thriller, der von der Mordserie des NSU inspiriert ist.
Kathryn Bigelows Spielfilm „Detroit“ vertieft sich in einen schockierenden Fall rassistisch motivierter Polizeigewalt aus dem Jahr 1967. Natürlich fallen Parallelen zu Vorfällen aus jüngerer Zeit auf, bei denen Afroamerikaner von weißen Polizisten misshandelt oder erschossen wurden. Auf einem realen Ereignis basiert auch „Battle of the Sexes – Gegen jede Regel“ mit Emma Stone. Sie spielt nämlich die Tennisspielerin Billie Jean King, die 1973 zu einem Match gegen den Chauvinisten Bobby Riggs antritt. Sie will beweisen, dass es Frauen im Tennis durchaus mit Männern aufnehmen können, was damals viele einfach noch nicht glauben wollen.
Battle of the Sexes – Gegen jede Regel
Regie: Jonathan Dayton, Valerie Faris, Verleih: Twentieth Century Fox
Anfang der 1970er Jahre gilt die Amerikanerin Billie Jean King (Emma Stone) als weltbeste Tennisspielerin. Aber auf Turnieren bekommt sie nur ein Bruchteil des Preisgeldes angeboten, das ihren männlichen Kollegen winkt. Um dagegen zu opponieren, wird sie Mitbegründerin des Virginia Slims Circuit und der Women’s Tennis Association. Der frühere Tennischampion Bobby Riggs (Steve Carell), mittlerweile 55 Jahre alt, wittert eine Chance, viel Geld zu verdienen. Er fordert die Feministin King zu einem Match heraus, indem er behauptet, Frauen gehörten an den Herd und hätten einfach nicht das Durchhaltevermögen, um es im Sport mit Männern aufzunehmen. So kommt es schließlich 1973 zu einem Spiel, das auf der ganzen Welt von 90 Millionen Fernsehzuschauern gesehen wird.
Das Regieduo, das auch die Kultkomödie „Little Miss Sunshine“ inszenierte, vertieft sich mit viel Sinn für Humor in die bewegten 1970er Jahre. Der grassierende Chauvinismus wird sehr authentisch geschildert, aber auch der rebellische Geist der großen Billie Jean King. Emma Stone spielt die Tennislegende als selbstbewusste Powerfrau mit Herz, die hart im Nehmen ist. Sie weiß, dass Frauen mehr Anerkennung verdienen und wirft sich mutig in den Ring. Dem Sprücheklopfer Riggs bietet sie auch verbal Konter, scharfzüngig und humorvoll. Unterhaltung und Realitätsnähe gehen eine gelungene Verbindung in diesem alles andere als seichten Drama ein. Es verschweigt nicht, dass King ihre lesbische Beziehung sorgsam geheim halten musste.
Aus dem Nichts
Regie: Fatih Akin, Verleih: Warner Bros.
Katja (Diane Kruger) lebt glücklich in Hamburg mit ihrem türkischstämmigen Ehemann Nuri (Numan Acar) und dem gemeinsamen Sohn. Doch dann kommen Mann und Sohn bei einem Nagelbomben-Attentat ums Leben. Katja erinnert sich an die junge blonde Frau, die sie kurz vorher am Tatort ansprach. Sie ist sich sicher, dass der Anschlag von Rechtsterroristen verübt wurde. Aber die Ermittler verdächtigen Nuri selbst, ins kriminelle Milieu verstrickt gewesen zu sein. Als Katja von ihrem Anwalt (Denis Moschitto) endlich erfährt, dass die Polizei ein Neonazi-Paar gefasst hat, setzt sie alle Hoffnung in den Gerichtsprozess. Doch sie wird eine böse Überraschung erleben.
Regisseur Fatih Akin spürt in diesem atmosphärisch dichten Thrillerdrama der seelischen Verletzung nach, die ein rechtsterroristischer Mordanschlag à la NSU bei einer Hinterbliebenen verursacht. Er hat die Deutsche Katja als sein Alter Ego bezeichnet, das sich ungläubig die Augen reibt über die lange einseitigen, falschen Ermittlungen, die behördlichen Vorurteile gegen Menschen türkischer Herkunft. Diane Kruger brilliert in der Rolle dieser Frau, die auch im Gerichtssaal verletzt wird von der Erfahrung, dass formale Dinge und juristische Tricks unter Umständen mehr zählen als die Suche nach der Wahrheit.
Der lange Sommer der Theorie
Regie: Irene von Alberti, Verleih: Filmgalerie451
Berlin im Sommer 2016: Die jungen Künstlerinnen Martina (Martina Schöne-Radunski), Katja (Katja Weilandt) und Nola (Julia Zange) genießen das freie Leben in ihrer WG. Bald müssen sie ausziehen, denn das Areal wird gentrifiziert. Die Frauen diskutieren darüber, welche Rolle sie in der Gesellschaft spielen und wie sie diese mitgestalten können. Nola dreht einen Film, für den sie Wissenschaftler und Kulturschaffende aus dem realen Leben interviewt. Was unterscheidet die heutige Zeit von der 1968er Ära? Wie bestimmt der Kapitalismus das eigene Bewusstsein? Kann Kunst den geistigen Horizont erweitern helfen?
Die Filmemacherin Irene von Alberti hat einen sehr erfrischenden, jungdynamischen Film inszeniert, der munter mit fiktionalen und dokumentarischen Elementen jongliert. Er will Lust darauf machen, sich wie in den 1960er und 1970er Jahren wieder die Köpfe über Politik und Gesellschaft heißzureden. Die Charaktere werden mit Lust am spielerischem Experiment auf eine Sinnsuche geschickt. Zunächst muss der eigene geistige Standort und wie er von der Gesellschaft geprägt ist, reflektiert werden. Das ist gar nicht so einfach, bietet aber eine spannende, spaßige und lohnende Abwechslung zum überstrapazierten RomCom-Genre.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Twentieth Century Fox, Warner Bros., Filmgalerie451