Horror, Spannung, Oscar-Kandidaten: Unter den Kinostarts die richtige Auswahl zu treffen, fällt in dieser Woche wieder einmal schwer. Mit „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ und „The Salesman“ kommen zwei Dramen mit Oscarnominierungen in die Kinos. In „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ geht es wieder einmal um den Irakkrieg und in „Live by Night“ um einen Gangster in der Ära der Prohibition. Der harte Polizeifilm „Volt“ mit Benno Fürmann entwirft ein düsteres Zukunftsszenario. Mit „Rings“ geht der Horror aus „Ring“ und „Ring 2“ in eine dritte Runde. Aber Freunde gepflegten Grusels sollten auch den Sundance-Filmfestival-Beitrag von 2016, „The Eyes of my Mother“, ins Visier nehmen. Wesentlich unbeschwerter, obwohl sein junger Held zum Ernstsein verdammt ist, geht es in dem Kinder-Abenteuerfilm „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“ zu.
Timm Thaler oder das verkaufte Lachen
Regie: Andreas Dresen, Verleih: Constantin Film
Timm (Arved Friese) ist ein mittelloser Junge mit einem ansteckenden Lachen. Nach dem Tod seines Vaters macht ihm die Stiefmutter das Leben schwer und ein geheimnisvoller Baron (Justus von Dohnányi) will ihm sein Lachen abkaufen. Dafür soll Timm in Zukunft jede Wette gewinnen. Nachdem er sich auf dieses Geschäft einlässt, gewinnt er auch sofort beim Pferderennen. Doch bald fällt seiner kleinen Freundin Ida (Jule Hermann) auf, wie sehr sich Timm verändert hat. Timm will sein Lachen zurückfordern, aber der Baron führt noch mehr Böses im Schilde.
Andreas Dresen inszeniert die auf dem gleichnamigen Roman von James Krüss aus dem Jahr 1962 basierende Geschichte als bildstarkes, prall gefülltes Abenteuer. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen angesiedelt, verbindet das parabelhafte Stück über einen teuflischen Pakt geschickt reale und märchenhafte Elemente. Wegen seiner Not, aber auch seiner Gewitztheit fiebert man gerne mit Timm mit. Viele Figuren sind überzeugend gezeichnet und namhaft besetzt, aber auch die Detailverliebtheit des Films fällt auf.
The Eyes of my Mother
Regie: Nicolas Pesce, Verleih: Drop-Out Cinema
Die kleine Francisca wächst irgendwo in Amerika auf der abgelegenen Farm ihrer Eltern auf. Ihre portugiesische Mutter, die früher als Augenchirurgin arbeitete, weiht die Tochter in ihre merkwürdige Begeisterung für Anatomie und das Sezieren ein. Dann aber erscheint ein Fremder und bringt die Mutter in Gegenwart Franciscas um. Als der Vater nach Hause kommt, geht das Leben einfach weiter. Jahre später ist Francisca (Kika Magalhaes) eine junge Frau, die sich nach menschlicher Nähe und nach Liebe sehnt – nur leider mit den falschen Mitteln.
Der Debütfilm des Amerikaners Nicolas Pesce ist stilvoll, von einer tiefen, romantischen Traurigkeit durchzogen und vor allem ziemlich schaurig. In Schwarz-Weiß nimmt die mörderische Geschichte einer jungen Frau ihren Lauf, die von der Einsamkeit und den Ereignissen in ihrer Kindheit seelisch deformiert ist. Trotz der wunderbar entrückten Atmosphäre lässt diese kleine Genre-Perle kaum einen Zweifel daran, dass es auch in der Realität vergleichbare Schicksale gibt.
Volt
Regie: Tarek Ehlail, Verleih: Farbfilm Verleih
In naher Zukunft hausen Flüchtlinge unter erbärmlichen Bedingungen in Transitzonen am Rande der Gesellschaft. Schwerbewaffnete Polizisten müssen dafür sorgen, dass die Lage dort nicht eskaliert. Bei einem Einsatz gerät der Polizist Volt (Benno Fürmann) in einen Kampf mit einem Flüchtling und erschießt ihn im Affekt. Niemand hat die Tat gesehen und Volt schweigt. Aber das schlechte Gewissen plagt ihn und so geht er nachts heimlich in das Lager, wo er die Schwester des Toten kennenlernt.
Regisseur Tarek Ehlail hat einen düsteren, dystopischen Thriller gedreht, der Zustände, wie sie in Europa schon heute Realität sind, konsequent ins Albtraumhafte weiterspinnt. Die ausgesperrten, rechtlosen Flüchtlinge proben den Aufstand. Die Polizei muss für den Rest der Gesellschaft den Kopf hinhalten und pflegt einen bedenklichen Korpsgeist. Alle sind von einer aggressiven Stimmung infiziert, die nur eines bedeuten kann: Das Ende der Zivilisation ist gekommen. Benno Fürmann hält sich tapfer und wortkarg in diesem Szenario. Es ist zwar stark überzogen, bewegt sich aber auch mutig abseits des Mainstreams.
Bianka Piringer
Fotoquelle(n): Constantin Film, Drop-Out Cinema, Farbfilm Verleih