Die Kinostarts dieser Woche werden vermutlich ganz im Schatten des „Harry Potter“-Spin-Offs „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ stehen. Aber auch die eher im Arthouse-Sektor anzutreffenden Kinogänger erwartet mit „Paterson“, dem neuen Film von Jim Jarmusch, eine besondere Attraktion.
Drei Spielfilme und ein Dokumentarfilm beschäftigen sich mit dem Thema Heimat und Familie: „Amerikanisches Idyll“, das Regiedebüt von Hauptdarsteller Ewan McGregor, gerät zum großen, schwermütigen Drama über einen Erfolgsmenschen und seine Terroristen-Tochter. „Die Reise mit Vater“ erzählt beschwingt und nach einer wahren Begebenheit, wie ein Mann und seine beiden Söhne 1968 aus Rumänien in die DDR fahren und in die Wirren des Prager Frühlings geraten. Und die Komödie „Radio Heimat“ nach einer Romanvorlage von Frank Goosen nimmt sich des Ruhrpotts in den 1980ern an. Sie kann aber wegen ihrer betulichen Beliebigkeit nicht überzeugen. Der spannende deutsche Dokumentarfilm „Wir sind Juden aus Breslau“ lässt 14 Zeitzeugen über ihre Kindheit in Breslau in den 1930er Jahren erzählen und darüber, wie sie den Holocaust überlebten.
Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
Regie: David Yates, Verleih: Warner Bros.
Im Jahr 1926 reist der britische Zauberer Newt Scamander (Eddie Redmayne) mit dem Schiff nach New York. Seine ganze Leidenschaft gilt der Erforschung magischer Geschöpfe. Also führt er ein paar dieser tierischen Exemplare in einem Köfferchen mit sich. Dort bleiben sie jedoch nicht lange und Newt hat seine liebe Not, sie wieder einzufangen. Dabei lernt er die junge Zauberin Porpentina Goldstein (Katherine Waterston) kennen und Jacob Kowalski (Dan Fogler), einen ahnungslosen Nicht-Magier oder No-Maj, wie die amerikanischen Zauberer die Muggel bezeichnen. In der Stadt herrscht gerade ziemliche Aufregung, weil sich ein ungekanntes magisches Wesen in zerstörerischer Absicht herumtreibt. Die Zauberer haben Angst, dass die selbsternannten Hexenjäger unter den No-Majs Zulauf kriegen.
Fünf Jahre nach dem letzten „Harry Potter“-Film startet nun eine neue Blockbusterreihe aus dem von Joanne K. Rowling geschaffenen Magier-Universum in den Kinos. Die britische Schriftstellerin verfasste zu diesem Auftaktfilm ihr erstes Drehbuch, nach ihrem eigenen, gleichnamigen Büchlein. Am besten ist das bildgewaltige Spektakel, wenn es an die Welt Harry Potters erinnert. Also wenn magische Tiere die Gegend unsicher machen oder wenn Newt seinen Zauberstab zückt. Eddie Redmayne spielt ihn als markanten, eigenwilligen Charakter. Aber die etwas verworren und unschlüssig zwischen Zauberer- und Muggelwelt pendelnde Geschichte mit ihren erwachsenen Helden erreicht den Charme der „Harry Potter“-Filme nicht.
Amerikanisches Idyll
Regie: Ewan McGregor, Verleih: Splendid/Tobis
Seymour Levov (Ewan McGregor) war in seiner Highschoolzeit in den 1950er Jahren der beste Athlet von New Jersey. Er heiratete das schönste Mädchen der Schule und übernahm die Fabrik seines Vaters. Aber als seine Tochter Merry (Dakota Fanning) 16 Jahre alt ist, gibt es ein böses Erwachen aus diesem amerikanischen Traum. Merry schließt sich der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg an. Nach einem Bombenanschlag auf das Postamt, bei dem ein Mann stirbt, taucht sie unter und wird als Terroristin gesucht. Für Seymour bricht eine Welt zusammen. Jahrelang wartet er auf ein Lebenszeichen der Tochter, das er schließlich bekommt.
Mit dieser schwermütigen Verfilmung eines Romans von Philip Roth gibt der Schauspieler Ewan McGregor sein Regiedebüt. Er spielt den Erfolgsmenschen, der aus allen Wolken fällt, berührend. Bis zuletzt kann er den Schicksalsschlag nicht wirklich fassen. Woher kam die Wut dieser jungen Generation? Die Kinder nicht zu verstehen, heißt auch, sich der blinden Flecken im eigenen Leben nicht bewusst gewesen zu sein. Unausgesprochen wirkt dieser harte Kontrast zwischen seinem Leben und dem Weg der Tochter immer wie ein Zusammenhang. Seymours Leidensweg als liebender Vater entfernt ihn zunehmend von der Gesellschaft. Die Geschichte folgt seiner subjektiven Sicht und wirkt dabei unheimlich und verstörend.
Die Reise mit Vater
Regie: Anca Miruna Lazarescu, Verleih: Movienet
Im Sommer 1968 fahren zwei junge Brüder mit ihrem Vater aus Rumänien in die DDR, wo er sich einer Operation unterziehen soll. Aber der Zufall will es, dass zur gleichen Zeit die sowjetischen Panzer rollen, um den Prager Frühling zu zerschlagen. Weil Rumänien mit der liberalen tschechoslowakischen Politik sympathisierte, werden die drei Touristen in der DDR erst einmal festgesetzt. Eine Rückreise über die Tschechoslowakei ist jetzt auch nicht mehr möglich, aber dafür ein Umweg über die Bundesrepublik Deutschland.
Das Spielfilmdebüt der in Deutschland lebenden Regisseurin Anca Miruna Lazarescu basiert auf der Geschichte ihres Vaters. Der Roadtrip durch den Ostblock mit dem aberwitzigen Abstecher in den Westen präsentiert sich als leichte, humorvolle Geschichtsstunde. Der rumäniendeutsche Vater und seine Söhne sind politische Repressionen gewöhnt und kennen den Unterschied zwischen echter und öffentlich geäußerter Meinung. Dieser sorgt im Film für treffenden Dialogwitz. Lustige Differenzen gibt es auch beim Zusammentreffen mit westdeutschen Vertretern der 68er-Generation in einer Münchner WG. Ein netter kleiner Film voller Gefühl und Humor, der auch an zerplatzte politische Träume im Ostblock erinnert und die unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklung zu beiden Seiten des Eisernen Vorhangs.
Bianka Piringer
Fotoquelle(n): Warner Bros, Tobis Filmverleih, Movienet