Unter den genremäßig bunt gemischten Kinostarts dieser Woche befinden sich ein paar verlockende Perlen. Dabei bekommt sogar das Superhelden-Spektakel „Justice League“ Konkurrenz aus einer unerwarteten Ecke.
Mit „Fikkefuchs“ geht nämlich eine sehenswerte deutsche Komödie an den Start, die sich in der Geschlechterdebatte erfrischend unkorrekt gibt. Ihr frecher Mut zur Satire und zum Fauxpas wirkt direkt ungewöhnlich, vor allem auch im Vergleich zur Unterhaltungsroutine, der der Blockbuster „Justice League“ mit seinen Superhelden und Metahumans folgt. Dort sind Batman, Wonder Woman, Cyborg, Aquaman, The Flash und der aus dem Reich der Toten zurückgeholte Superman in einem gemeinsamen Kinoabenteuer vereint. Aber es fehlt der Action mit Verfolgungsjagden, Kämpfen, Feuer und Sachbeschädigungen deutlich an Witz. Stark ausgeprägt ist dafür die Fantasie, die aus alten Mythen und Legenden, ein wenig Frankenstein-Schauer und dem russischen Schauplatz eines früheren Reaktorunfalls ein verwegenes Zickzackmuster strickt.
Ruhiger und auch plausibler kommt die ebenfalls ausgeprägte Fantasie im norwegischen Kinderfilm „Plötzlich Santa“ daher, der um die Frage kreist, ob es den Weihnachtsmann gibt. Was es im richtigen Leben ganz sicher gibt, ist die bereits in den Straßen und Kaufhäusern angebrachte Weihnachtsdeko. Soll etwa schon jetzt „O Tannenbaum“ und „Jingle Bells“ gesungen werden? Da kann der eine oder andere Horrorfilm zum Ausgleich nicht schaden, zum Beispiel „Happy Deathday“.
Aus der Schweiz kommt die Komödie „Flitzer“, die nur indirekt mit Fußball zu tun hat. Ihr Held entdeckt nämlich, dass die alte Unsitte einiger Sonderlinge, nackt über das Spielfeld zu laufen, die viel interessantere Sportart ergibt. In dem amerikanischen Film „The Big Sick“ geht es um eine Liebe, die kulturellen Gräben und einer lebensbedrohlichen Krankheit trotzt. Auch dieser Film funktioniert.
Fikkefuchs
Regie: Jan Henrik Stahlberg, Verleih: Alamode
Der 49-jährige Rocky (Jan Henrik Stahlberg) zehrt von seinem Ruf als Frauenaufreißer. Auch heute noch philosophiert er gerne über junge Rehe, die er gegenüber alten Hirschkühen bevorzugt. Aber da läuft nichts mehr, seine plumpe Anmache und sein abgewracktes Erscheinungsbild sprechen die anvisierte Frauengeneration nicht an. Bei Rocky quartiert sich unerwartet Thorben (Franz Rogowski) ein, sein Sohn, der aus der Psychiatrie ausgebrochen ist. Er hatte versucht, eine Verkäuferin zu vergewaltigen. Nun will er vom Vater wissen, wie er endlich eine Frau zum Geschlechtsverkehr motivieren kann, und zwar ohne Bezahlung! Rocky hält dem Sohn weise Vorträge, doch in der freien Wildbahn nützen sie wenig.
Stahlberg hat diese ruppig-freche Komödie ohne Filmförderung gedreht, und gerade deshalb besitzt sie die Freiheit, anders zu sein. Zwei verkrachte Typen, die ein Problem mit der Gesellschaft und besonders dem weiblichen Geschlecht haben – aber eigentlich mit sich selbst – , machen sich gegenseitig Mut. Der Sinn des männlichen Lebens ist nun einmal Ficken, davon wollen sie sich nicht abbringen lassen. Ihr ganzes Selbstwertgefühl hängt am dringend notwendigen Sexvollzug. Korrekter Diskurs ist das heutzutage definitiv nicht. Aber die Komödie ist sozusagen eine augenzwinkernde Konterattacke darauf, wie sehr männliche Triebe in Verruf geraten sind.
The Big Sick
Regie: Michael Showalter, Verleih: Weltkino
Kumail (Kumail Nanjiani) kam als Kind mit seinen Eltern aus Pakistan in die USA. Er strebt eine Karriere als Comedian an und verliebt sich in die amerikanische Studentin Emily (Zoe Kazan). Seine Eltern aber bestehen darauf, dass er eine Frau pakistanischer Herkunft heiratet. Damit sie ihn nicht verstoßen, darf er ihnen Emily nicht vorstellen. Emily trennt sich tief enttäuscht von Kumail. Wenig später wird Kumail ins Krankenhaus gerufen: Emily ist schwer krank und wurde ins Koma versetzt. Nun steht Kumail mit ihren Eltern (Holly Hunter, Ray Romano) an ihrem Krankenbett. Doch die sind nicht gut auf ihn zu sprechen.
Der Indie-Film erzählt die wahre Geschichte von Kumail Nanjiani mit viel Realitätsnähe und Humor. Auffallend ist seine ganz und gar nicht stromlinienförmige Konstruktion. Obwohl es sich um eine Liebesgeschichte handelt, ist Emily die meiste Zeit im Koma. Kumail verbringt dafür sehr viel Zeit mit ihren Eltern, und die Drei blasen trotz des Ernstes der Lage nicht immer Trübsal. Denn im ganzen Film geht es immer auch darum, was es heißt, in Amerika ein pakistanischer Moslem zu sein. Kumail kann darüber gekonnt witzeln. Das und die Authentizität der Geschichte, die viel aussagt über kulturelle Differenzen und Klischees, machen den Film empfehlenswert.
Flitzer
Regie: Peter Luisi, Verleih: X-Verleih
Der Deutschlehrer Baltasar Näf (Beat Schlatter) führt ein unscheinbares Leben in einer schweizerischen Kleinstadt. Sein größter Traum ist es, ein Museum für seinen Lieblingsschriftsteller Gottfried Keller errichten zu lassen. Für die Schule hat der Lehrer in unermüdlichem Einsatz gerade mehr Spenden als benötigt gesammelt, so dass ein schöner Betrag für das Museum übrig bliebe. Doch dann entscheidet die Schule, das Geld anderweitig zu verwenden. Baltasar folgt dem Rat seines Friseurs und setzt das gesamte Spendengeld auf eine illegale Fußballwette. Aber ein Flitzer stört das Spiel und verhindert das entscheidende Tor. Was nun? Baltasar beschließt, das Geld zurückzuverdienen, mit Wetten auf Flitzer, die er selbst trainiert.
Auch bei dieser fidelen Komödie zeigt sich wieder einmal, wie wichtig eine zündende Idee und überhaupt ein gutes Drehbuch ist. Gut gelaunt verteilt der Film ironische Seitenhiebe auf die Fußballverliebtheit nicht nur der Schweizer und auf verschiedene Zeitgeistphänomene. Der biedere Antiheld bekommt auch sein Fett weg, bevor er sich zum Selfmademan aufschwingt. Sogar ein Hauch Krimispannung durchzieht das muntere Abenteuer, denn die Polizei will dem organisierten Flitzer-Verbrechen natürlich ein Ende bereiten. Auf jeden Fall macht diese ungewöhnliche Geschichte Spaß.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Alamode Film, Weltkino Filmverleih, X-Verleih