Es gibt wahrscheinlich niemanden unter uns, der nicht mit Märchen aufgewachsen ist. Oder zumindest als Kind unzählige Male Disneyfilme wie Schneewittchen und Co. gesehen hat. Doch was wäre, wenn die Hauptfiguren der bekannten Märchen unter uns leben würden, versteckt in einem kleinen Straßenzug in New York? Genau das ist die Prämisse von Bill Willinghams Fables.
Legenden im Exil
Die Charaktere aus Märchen, Fabeln und Büchern leben versteckt unter uns in Fabletown. Das ist der bereits angesprochene Straßenzug, in dem die sogenannten Fables Unterschlupf suchen mussten, nachdem sie aus ihren eigenen Ländern vertrieben wurden. Dort sind der böse Wolf, Bigby, amtierender Sheriff und Snow White (Schneewittchen) stellvertretende Bürgermeisterin dieser illustren Parallelgesellschaft. Cinderella gehört ein Schuhgeschäft und der Froschkönig, auch Flycatcher genannt, ist Hausmeister.
Wer hat Rose Red ermordet?
Diese Frage bringt im ersten Band der bereits abgeschlossenen Reihe ganz Fabletown in Aufruhr. Rose Red, die Schwester von Schneewittchen, wurde ermordet oder so scheint es zumindest. Doch wer ist der Täter? War es Liebhaber Jack, ihre eifersüchtige Schwester Snow White oder der berüchtigte Brautmörder Bluebeard?
Wer sich jetzt die Frage stellt, seit wann Schneewittchen denn bitte eine Schwester hat, der sei beruhigt. Ich habe mir beim ersten Lesen die gleiche Frage gestellt und recherchiert. Im englischsprachigen Raum, sind Schneewittchen und Schneeweißchen ein und dieselbe Person, somit ist Rose Red gleich Rosenrot. Aber nun zurück zum Thema.
Ich war nie ein großer Freund von Krimis oder Noir-Geschichten. Dennoch habe ich es selten so genossen, Ermittlungen, wie denen, die Bigby Wolf hier anstellt, quasi beizuwohnen. Doch nicht nur die Arbeit von Bigby zieht einen in ihren Bann, auch die anderen Protagonisten wissen zu begeistern.
Die Menschen hinter den Legenden
Es ist relativ selten, dass eine Comicreihe so lange den gleichen Autoren hat, wie Fables. Erfinder Bill Willingham schrieb nicht nur alle 150 Ausgaben des Comics, sondern auch zwei Spin-Off Reihen und einen im Fables-Universum angesiedelten Roman.
Es gibt Comics, die liest man einfach so nebenher, bei Fables ist das jedoch nicht der Fall. Willinghams Figuren bekommen allein durch ihre Texte so viel Ausdruck, Charakter und Tiefe, dass manche Roman-Autoren sich davon eine Scheibe abschneiden könnten. Zusätzlich zur an sich schon herausragend gut geschriebenen Geschichte, packt Willingham an das Ende des Bandes einen mehrseitigen Prosatext, der Teile der Hintergrundgeschichte von Bigby Wolf erzählt und somit noch mehr Einblick in die Hauptcharaktere gibt.
Nicht nur schriftstellerisch spielt Fables ganz oben mit, auch die Zeichnungen verhelfen dazu, den Comic in die Riege der ganz großen zu katapultieren. Zeichner Lan Medina (District X, The Punisher: MAX) schafft es die literarischen Legenden so realistisch darzustellen, dass es teilweise schwer fällt, sie vor dem realen Hintergrund als fiktive Kreaturen zu identifizieren. Die relativ blasse Farbgebung der Zeichnungen sorgt dafür, dass sich Fables vom typischen Comicstil abhebt und verpasst dem Ganzen dazu einen weitaus seriöseren und realistischeren Anstrich.
Fazit – Fables Volume 1: Legends in Exile
Der erste Band von Fables schafft es eindrucksvoll, nicht nur eine Welt aufzubauen und eine spannende Geschichte zu erzählen, sondern auch interessante Charaktere einzuführen und ihnen Leben einzuhauchen. Die realistischen und vergleichsweise relativ blassen Zeichnungen verhelfen Fables dazu, sich vom bunten Comic-Einheitsbrei abzuheben und eine erwachsene Zielgruppe anzusprechen. Alles in allem weiß Fables von der ersten Seite an zu begeistern und Lust auf mehr zu machen.
Hier findet ihr die deutsche Ausgabe „Fables 1: Legenden im Exil“ bei Panini.
Bildquelle(n): DC Vertigo, Panini