Patrick Prugne erzählt in Die Straßenkinder von Montmartre die Geschichte einer Großstadt im Umbruch des frühen 20. Jahrhunderts. Die Graphic Novel wird zur kleinen Milieustudie, in der bekannte Künstler der Zeit und eben jene namensgebende Straßenkinder das Wort haben.
Die Straßenkinder von Montmartre: Aufeinanderprallen der Klassen
Frankreich 1905. In Paris herrscht geschäftiges Treiben. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Während die Reichen und Erfolgreichen die Metropole bevölkern, werden Arbeiter, Künstler und Abenteurer an den Rand der Stadt gedrängt, wo man sich die Miete noch leisten kann. Montmartre ist so ein Ort – doch auch hierher will Paris expandieren. Nur hat sich da die Bourgeoisie mit den Falschen angelegt. Die Straßenkinder von Montmartre verteidigen ihren Hügel samt Froschteich verbissen.
Jean, der Sohn des städtischen Unternehmers Noblard, wird von den Straßenkindern von Montmartre gefangen genommen. Sie wollen Lösegeld von seiner Familie erpressen. Doch Jean hat eine andere Idee: die Kinder sollen heimlich in seinem Elternhaus einbrechen und das Tafelsilber stehlen. Was so einfach klingt, wird zur Farce und statt der wertvollen Gegenstände nehmen sie die Urne der verstorbenen Großmutter mit und verschütten nichtsahnend ihre Asche.
Trotz der Missgeschicke freunden sich Jean und die Straßenkinder von Montmartre allmählich an. Gemeinsam erreichen sie, dass die Gegend um ihren Froschteich nicht bebaut wird. Auch die Asche der Großmutter kann wiedergefunden werden. Aber das Wichtigste: die Klassenunterschiede brechen durch ihr gemeinsames kleines Abenteuer allmählich auf.
Patrick Prugne verneigt vor den Künstlern des Montmartre
In der kurzen Geschichte Die Straßenkinder von Montmartre schafft es Patrick Prugne, den Charme einer vergangenen Epoche wiederzubeleben. Der damalige Randbezirk war bekannt durch seine große Künstlerszene. Einzelne Vertreter lässt er in seinem Band zu Wort kommen, wie Francisque Poulbot, dem Namensgeber der Straßenkinder, die auch Poulbots genannt werden. Damit verneigt sich der Comiczeichner vor den Größen dieser Zeit mit seinen eigenen Pinselstrichen.
Im sanften Aquarell gehalten, wirken die frechen Kinder aus den Elendsquartieren des Pariser Vorortes auf den Leser wie Zeugen eines vergangen Zeitalters. Die Umbruchsstimmung holt Prugne aus dem Thema seiner Graphic Novel gekonnt heraus und bietet uns eine Liebeserklärung an Paris im Allgemeinen und Montmartre im Speziellen. Der Splitter-Verlag wurde Prugnes Intention vollkommen gerecht: Im opulenten Großformat mit 25 Seiten Extras erschuf der Verlag diesem Werk eine wunderbare Ausgabe.
Marc Zehmke
Bildquelle(n): Splitter-Verlag