Tokyo Ghoul ist ein wahres Popkultur-Phänomen. Und auch der anstehende Start der zweiten Staffel in Deutschland wird sich sicherlich nicht negativ auf die Beliebtheit der Reihe auswirken. Doch wie nahm die Geschichte rund um Ken, Toka und Co. ihren Anfang? Wir haben uns den Manga (ebenfalls aus dem Hause Kazé) geschnappt und den großen Vergleich zum Anime gezogen.
Wiedergeburt
Band 7 läutet große Veränderungen für Kens sowieso schon verdrehte Welt ein. Nachdem er sich am Ende von Band 6 opferte um Banjo und die anderen vor Gecko flüchtenden Ghule zu retten, wird er nun in Geckos Folterkammer gefangen gehalten. Wer unsere Kolumne bereits verfolgt oder selbst Manga / Anime gesehen hat, kann es sich an dieser Stelle bereits denken: Der Manga überbietet die bereits unglaublich bedrückende Stimmung des Anime um einiges. Dies beginnt bereits damit, dass Gecko Ken eine Spritze ins Auge rammt um dessen Ghul-Kräfte zu unterdrücken. Der Leser lernt jedoch an dieser Stelle auch mehr über die Beziehung zwischen dem homosexuellen Ghul Nico und Gecko. So ist Nico allem Anschein nach masochistisch veranlagt und genießt es, sich von Geckos Krallen zerfetzen zu lassen, wenn dieser seine Aggressionen nicht kontrollieren kann. Bezüglich Geckos eigener Sexualität wird der Leser jedoch im Unklaren gelassen. Der Manga lässt es sich jedoch nicht nehmen noch krasser zu werden. Sind es im Anime ein Ghul-Ehepaar, die vor Kens Augen gefoltert und getötet werden, sterben stattdessen Mutter und Kind durch Geckos Hand – Eine Szene die sich in ihrer depressiven Stimmung und visuellen Brutalität bis ins unerträgliche steigert und sogar dazu führt, dass Nico sich von Gecko distanziert. Es folgt parallel zum Anime der Rückblick in Kens Kindheit und wie Liz versucht sein Unterbewusstsein zu übernehmen. Der Manga wird an dieser Stelle etwas ausführlicher und zeigt, dass Ken nach dem Tod seiner Mutter bei deren Schwester leben musste – welche ihn natürlich nicht gut behandelte. Die Lehre, die Ken daraus zieht bleibt jedoch die gleiche: Kens emotionaler Ausbruch, in Folge dessen er die Selbstlosigkeit seiner Mutter verurteilt, gleichzeitig aber auch den Weg von Liz ablehnt, deckt sich mit seinem „Erwachen“ im Manga. Der „neue“ Ken stellt sich Gecko und liefert sich einen brutalen, blutigen Kampf mit ihm, der sich in seiner Gestaltung und seinem Ausgang nicht vom Anime unterscheidet. Tatsächlich gleichen sich das letzte Bild in Kapitel 66 und die letzte Szene aus Staffel 1 des Tokyo Ghoul – Anime nahezu 1:1. Band 7 bietet an dieser Stelle jedoch noch zwei weitere Kapitel, die sich tiefergehend mit dem Kampf von Yoshimura und den Ermittlern beschäftigen, was im Anime parallel zu den Geschehnissen von Ken und Gecko geschieht. Für Fans des durchgeknallten Juzo bietet das Ende des siebten Band jedoch noch einen besonderen Moment, der im Anime nur grob angedeutet wird.
Das Ende der Schlacht
Der Kampf zwischen den Ermittlern, dem Phönixbaum und dem Cafe Antik spitzt sich zu. Um Ken mehr Zeit zu verschaffen, beschließt Yoshimura schweren Herzens in den Kampf einzugreifen und stellt sich in seiner wahren Gestalt der „Eule“ dem stärksten Ermittlertrupp. Zwar kämpfen diese nicht wie im Anime auf einem Dach gegeneinander, grundsätzlich gibt es aber kaum Unterschiede in der Auseinandersetzung zwischen Ermittler Shinohara und der Eule. Gleichzeitig trifft Toka erneut auf ihren Bruder Ayato und wird von diesem in einer brutalen Auseinandersetzung übel zugerichtet. Der Leser erfährt an dieser Stelle jedoch etwas mehr über Tokas und Ayatos Vater sowie Ayatos zunehmenden Werdegang zu der Person, die er heute ist. Als kleiner Schocker am Rande erfährt man zudem, dass niemand geringeres als Mado der Mörder vom Vater der beiden war. Gerade als Ayato damit beginnt, Tokas Krallen zu zerstören schreitet Ken ein. Kenner des Anime werden schockiert sein, denn hier findet der bisher größte Kontinuitätsbruch statt. Der Manga-Ken gleicht dem Anime-Ken kein bisschen und auch der Kampf gestaltet sich gänzlich anders. So wirkt Ken kühler, dunkler, härter, besitzt jedoch immer noch seine Moral und seine ethischen Ansätze. Schlägt er im Anime Ayato lediglich KO um Toka zu retten, spielt er hier Psycho-Spielchen mit Ayato, lockt ihn aus der Reserve und bricht ihm letzten Endes langsam und qualvoll, während er davon redet ihn „nur ein bisschen zu töten“ 103 Knochen. Tokyo Ghoul Band 8 nimmt sich unglaublich viel Zeit für Actionsequenzen und bietet ungewöhnlich viel Dialog währendessen. So wird der komplette achte Band von der ersten Episode der zweiten Anime-Staffel abgedeckt. Nachdem Ken mit Ayato „fertig“ ist, wird dieser wie auch im Anime von Noro gerettet. Mit dem Unterschied dass die kurze Auseinandersetzung zwischen Noro auf der einen und Yomo, Uta & Shu auf der anderen Seite direkt vor Ken stattfindet. Nachdem sich der Phönixbaum komplett aus dem Kampf zurückgezogen hat, Tatara aber gleichzeitig ein Ghul-KZ im 23. Bezirk stürmte, wird dem Leser klar, dass alles von Anfang an nur ein Ablenkungsmanöver war. Durch das Einschreiten der Eule und den Hinterhalt im 23. Bezirk ziehen sich die Ermittler zurück, auch wenn das Töten von ca. 98% der anwesenden Ghule als Erfolg der Mission gewertet wird. Das emotionale Ende in dem Ken seinen Austritt aus dem Cafe Antik ankündigt, ist ebenfalls anders gestaltet. So kündigt er im Anime direkt an, sich dem Phönixbaum anzuschließen, im Manga ist davon allerdings (noch) nicht die Rede. So rekrutiert er lediglich Banjo und Shu als Leibgarde und erzählt der fassungslosen Toka, dass es noch Dinge gibt, die er zu erledigen hat.
Tokyo Ghoul Band 7&8 – Ein Schlag in die Magengrube
Was sind wir froh, dass wir Tokyo Ghoul Band 7 und 8 endlich hinter uns haben, denn die äußerst brutale Bildsprache gepaart mit der bedrückenden, unangenehmen Thematik grenzte fast schon an Folter. Wir haben mit Ken gelitten, gleichzeitig aber auch gelernt, dass selbst in ekelhaften Individuen wie Mado oder Gecko „Menschlichkeit“ steckt und sie lediglich die Summe ihrer Erfahrungen sind. Die zahlreichen Rückblenden haben sich tiefgehend mit der Psyche der involvierten Charaktere befasst, was es nur umso schlimmer machte, sie im Jetzt so handeln zu sehen. Sui Ishida ließ in diesen beiden Bänden keinerlei Lichtblicke zu. Einige Szenen waren wohl auch für eine 1:1 Umsetzung im Anime zu krass, weshalb dieser an einigen Stellen drastisch abweicht oder den Ablauf verharmlost. Es bleibt abzuwarten, ob sich Ken auch im Manga dem Phönixbaum anschließt oder ob er hier einen völlig anderen Weg einschlägt. Wir sind sehr gespannt.
Kevin Kunze
Bildquelle(n): Sui Ishida