Erased ist ein Zeitreise-Anime, in der ein aufstrebender Mangaka versuchen muss, eine Reihe von Morden zu verhindern, um seine Freunde, seine Mutter und sich selbst zu retten.
“Es ist gut gezeichnet, aber ich kann dich darin nicht erkennen.”
Saturo ist Mangaka und für viele seiner Mitmenschen ein komischer Kauz. Er lebt alleine als Single in einer großen Stadt fernab von seiner Heimat und spricht nicht viel mit den Menschen. Dass er vor allem auch sich selbst gegenüber sehr verschlossen ist, merken auch seine potentiellen Arbeitgeber.
Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitet er deswegen als Pizzalieferant.
Auch hier lässt er seine Kollegin kaum an sich heran, findet ihren Smalltalk seltsam.
Bis hierhin klingt Saturos Leben möglicherweise nicht besonders aufregend. Bei einer seiner Lieferfahrten werden wir allerdings Zeuge eines Phänomens, das er selbst “Rerun” nennt.
Dabei wird er schlagartig einige Sekunden in die Vergangenheit zurückgesetzt. Wann immer das passiert, weiß Saturo, dass ihm nur wenige Sekunden bleiben, schreckliche Ereignisse zu verhindern.
“Ich glaube das war ein gescheiterter Entführungsversuch.”
Auch zu seiner Mutter Sachiko hat er ein eher angespanntes Verhältnis. Bei einem ihrer Besuche erleidet er jedoch einen weiteren Recall und bittet sie, nach Auffälligkeiten Ausschau zu halten. Durch das Verhalten ihres Sohnes scheint sie sich an eine Kette düsterer Ereignisse in seiner Kindheit zu erinnern. Damals hatte es eine Reihe von Kindesentführungen gegeben. Für schuldig befunden und zum Tode verurteilt wurde damals sein guter Freund Yuki, ein junger Erwachsener.
Sachiko lassen die Erinnerungen an diese Zeit nun keine Ruhe mehr. Sie ermittelt, telefoniert mit Informanten und scheint letztendlich auf etwas Wichtiges zu stoßen.
Noch am selben Abend findet Saturo sie ermordet in seiner Wohnung. Als kurze Zeit später die Vermieterin zur offenen Tür hereinkommt und seine blutigen Hände sieht, bleibt ihm nur die Flucht. Doch gerade als er vor den herbeieilenden Polizisten flieht und ahnt, dass ihm eine Falle gestellt wurde, geschieht es: ein Recall. Und plötzlich findet er sich in seiner Heimat wieder. Und seiner Kindheit…
Die Stadt, in der es keine Langeweile gibt
Die Geschichte, die die ersten sechs Episoden von Erased erzählen, hat mich gefesselt, wie es schon lange keine mehr getan hat. Ich gebe zu, ich bin ein großer Zeitreisen-Fan. Aber auch ohne diese sehr fiktionale Ebene hätte Erased genug Interessantes zu bieten, um mich für das komplette Volume am Stück an den Bildschirm zu binden. Viele der Charaktere sind tiefgründig, nicht nur der Hauptcharakter scheint facettenreich. Besonders gut gefallen hat mir beispielsweise auch Sachiko, die nicht nur ernst und zynisch sein kann. Auch einige Kinder sind so perfide nuanciert, dass ich mich teilweise ernsthaft gefragt habe, ob nicht auch sie an den Entführungen beteiligt sein könnten.
Fasziniert hat mich auch die trügerisch friedliche Atmosphäre der kleinen Heimatstadt. Insbesondere der erste Wechsel von der adrenalingeschwängerten Flucht vor der Polizei nach dem blutigen Mord zu dem beschaulichen, verschneiten Schulweg hat mich beeindruckt.
Zudem bedient sich Saturo meist keiner übernatürlichen Fähigkeiten. Die Recalls kann er wie gesagt gar nicht selbst kontrollieren. Ihm bleibt also nichts anderes übrig, als sein altes Grundschulleben neu zu leben. Er führt Gespräche, versucht Außenseiter in die Gruppe seiner Freunde zu integrieren. Selbst ein Schlittschuh-Rennen im Sportunterricht wird strategisch abgewägt. Ich rechne Erased dabei hoch an, dass genau diese Szene nicht lächerlich aufgeblasen wirkt, sondern ernst und tatsächlich wichtig.
Thematisiert werden aber nicht nur Morde, sondern auch Mobbing und sogar Kindesmisshandlung durch Elternteile. Gerade letztere sind wirklich schwer verdauliche Szenen.
Ansonsten sei nur noch gesagt, dass ich die Ereignisse im Allgemeinen nicht als vorhersehbar empfand.
Die Stadt, in der es dünne Atmosphäre nicht gibt
Wie eben schon angedeutet, ist die Atmosphäre in den verschiedenen Städten und Zeiten gut umgesetzt. Die Hintergründe der Szenen überzeugen mit verschiedenen Details, so gibt es beispielsweise eine Gitterstruktur in den Glastüren des Pizzadienstes und feine Holzmasuren bei Möbelstücken. Auch die Lichtstimmung vieler Szenen ist fantastisch. In der ersten Episode sorgen in kaltem Blau leuchtende Fenster, eine flackernde Glühbirne im Treppenaufgang und blutrote Polizeisirenen für Gänsehaut. Aber auch der mal friedlich fallende, mal düster herabsteigende Schnee erweckt die Welt von Erased zum Leben.
Es gibt auch eine 3D-Sequenz, die etwas detailärmer ist, also über vereinfachte Texturen verfügt. Ich persönlich empfand dies aber insbesondere beim ersten Gucken als wenig störend, zumal die Szene gut inszeniert und aufregend ist.
Insgesamt ist Erased in einem realistischen Zeichenstil gehalten, was mir persönlich immer gut gefällt.
Die Musik tut ihr übriges: Szenen wie der erste Rerun und natürlich der Mord sind mit intensiver Musik unterlegt, während schöne Kindheitserinnerungen mit beschaulichen Klängen erzählt werden. Besonders einprägsam sind die Geigen, die in wichtigen Momenten zum Einsatz kommen. Sowohl Intro als auch Outro sind rockig und weisen eine gewisse Melancholie auf. Für mich persönlich gehören sie mit zu den besten, die Animes zu bieten haben.
Die Stadt, in der es kaum überzeugende Kinderstimmen gibt
In Bezug auf die deutsche Synchronisation bin ich zwiegespalten. In den Gegenwarts-Sequenzen konnten mich ausnahmslos alle Stimmen überzeugen. Das gilt nicht nur für die schauspielerischen Fähigkeiten, auch die stimmlichen Klänge selbst passen durchweg gut zu den verschiedenen Charakteren. Sonja Spuhl (bspw. Penny in „The Big Bang Theory“) beispielsweise macht als Sachiko einen grandiosen Job. Saturo selbst wird von Kim Hasper gesprochen. Obwohl dieser mir als JD aus „Scrubs“ bekannt ist, konnte er sich in Erased gut von dieser Rolle lösen und mir den Mangaka problemlos verkaufen.
In Saturos Kindheit widerum ist bei vielen der Kinder leider all zu deutlich zu hören, dass diese von erwachsenen Frauen gesprochen werden. Mal klingen sie zu ernst, zu tief, mal zu gewollt kindisch und unfreiwillig komisch.
Bei der Stimme von Kazu, der von Josephine Schmidt (z.b. Ashoka aus „Star Wars: The Clone Wars“) gesprochen wird, hätte ich privat sofort auf Japanisch umgestellt. Das liegt daran, dass der Junge recht korpulent ist und wohl eine besonders kräftige Stimme haben sollte. Somit hört man hier also eine erwachsene Frau mit einer sehr hellen Stimme, die einen kräftigen, aber jungen Jungen spricht, der eine verhältnismäßig dunkle und männliche Stimme haben soll. In diesem Anime sticht die erfahrene Sprecherin für diesen speziellen Charakter somit als große Fehlbesetzung heraus. Leider trifft Ähnliches auch auf Statisten in der Grundschule zu.
Erased? Amazed!…. *hust*
Erased hat mich mit seiner vielschichtigen Geschichte und glaubwürdigen Charakteren gefesselt. Auch atmosphärisch wurde ich durchweg überzeugt und in ein positives Stimmungs-Wechselbad geworfen. Obwohl die deutsche Synchro mit den erwachsenen Charakteren und einigen der Kinder überzeugen kann, brechen unglaubwürdige Kinderstimmen in mehreren Szenen die Immersion. Fans von Thrillern und Dramas würde ich dennoch ebenso dringend zum Anschauen des Animes raten, wie denen, die ihre Freude an detaillierten Zeichnungen haben.
Infobox:
- Titel: Erased – Volume 1
- Publisher: Peppermint Anime
- Release: 31.03.2017
- Medium: DVD, Blu-ray
- FSK: 12
- Genre: Thriller, Mystery, Drama
- Sprachausgabe: Japanisch (Audio), Deutsch (Audio und Untertitel)
- Synchronsprecher: Kim Hasper, Sonja Spuhl, Claudia Schmidt, u. a.
- Besonderheiten: Code für Akiba Pass (digitale Version des Animes)
Bildquellen: Peppermint Anime, Kei Sanbe, KADOKAWA, Bokumachi Animation Committee