Nach 15 Jahren wird Corvo Attano erneut Zeuge und Opfer eines gewaltsamen Putschversuches. Der richtet sich diesmal gegen seine Tochter Emily, die neue Kaiserin. Ob die beiden sich dabei spielerisch ebenso gut oder vielleicht sogar besser schlagen als im Vorgänger, verraten wir euch im Test.
Dishonored 2 — Die Handlung(en)
Aus dem fernen, mediterranen Karnaca erscheint die Hexe Delilah in Dunwall, um den Thron der Kaiserin gewaltsam, aber angeblich rechtmäßig für sich zu beanspruchen. Der Staatstreich ist von langer Hand geplant und so stehen Emily und Corvo den Putschisten im blutgetränkten Thronsaal kampfbereit, aber machtlos gegenüber.
Es ist der erste Moment der Entscheidung für mich als Spieler: verhülle ich mein Gesicht ein zweites Mal als Corvo mit der metallischen Maske? Oder erkämpfe ich mir als Emily meinen Thron zurück? Nachdem ich mich in meinem Fall für Emily entschieden habe, muss ich mit ansehen, wie mein Vater von Delilah in Stein verwandelt wird. Nur mit knapper Not entkomme ich aus dem Palast und muss ihn dort im Stich lassen. Ein Boot liegt im Hafen. Es bringt mich aus der Stadt, in der schon jetzt Fahndungsplakate von mir hängen. Es bringt mich nach Karnaca, in das Herz der gegen mich gewobenen Intrigen…
Die Handlung ist nicht schlecht und erfüllt ihren Zweck, die unterschiedlichen Handlungsorte zu verknüpfen und ein grundlegendes Interesse am Spielablauf zu generieren. Zudem gibt sie den beiden Hauptcharakteren — wenn wir uns für Corvo entscheiden, wird übrigens Emily versteinert — nachvollziehbare Motive. Ein Kaufgrund an sich ist sie meiner Meinung nach aber nicht, da sie weder besonders komplex noch irgendwie außergewöhnlich ist.
Dishonored 2 — Gewalt(losigkeit)
Als Spieler habe ich die Wahl, wie ich vorgehe. Möchte ich meine Feinde töten, kann ich das im offenen Kampf mithilfe unterschiedlicher Waffen tun. Ich kann mich aber auch auf die Lauer legen und aus dem Hinterhalt angreifen. Möchte ich diese unnötige Gewalt lieber ganz vermeiden, kann ich die Gegner aber auch schleichend bewusstlos würgen oder mit Schlafbolzen betäuben. Oder ich bleibe in den Schatten, locke Gegner durch geworfene Glasflaschen oder absichtlich ausgelöste Alarme von ihren Posten, um unbemerkt vorbeizuschleichen. Ich rechne dem Spiel hoch an, dass tatsächlich alle diese Spielweisen Spaß machen.
Die je nach Schwierigkeitsgrad sehr intelligente und glaubhafte KI macht das Schleichen und die Kämpfe spannend. Wenn ich viel blocke und pariere, werden die Gegner beispielsweise versuchen, mich mit ihren Pistolen im Pulverfeuer niederzustrecken. Jede Tötung trägt mich übrigens weiter in Richtung des Chaos, was sich in einem düsteren Ende äußern kann. Auch auf das Leveldesign hat dieser Wert stellenweise Einfluss, denn mehr Leichen ziehen auch mehr sogenannte Blutfliegen an.
Dishonored 2 – Wie der Vater so die Tochter
Corvo und Emily haben nicht nur unterschiedliche Voicelines in den Cutscenes und beim Erkunden der Spielwelt. Sie haben teilweise auch unterschiedliche Kräfte, die sich allesamt upgraden lassen. Corvo kann wie im Vorgänger Besitz von Ratten und anderen Lebewesen ergreifen, Rattenschwärme beschwören, die Zeit verlangsamen und Windstöße erzeugen. Dafür kann Emily eine verstohlene Schattenform annehmen oder einen Doppelgänger zur Ablenkung ihrer Gegner rufen. Ihre Kraft Weitreichen reicht weiter (haha!) als Corvos Teleport, ist dafür allerdings etwas unflexibler bei der Navigation. Besonders gut gefallen hat mir die Fähigkeit Domino. Dabei verknüpft Emily zwei oder mehr Gegner magisch miteinander. Was auch immer einer dieser Personen wiederfährt, stößt auch den anderen zu.
Diese Fähigkeiten ergeben zusammen mit den verschiedenen Waffen, die sich übrigens ebenfalls upgraden lassen, ein Arsenal, mit dem sich viele Vorgehensweise planen und durchführen lassen. Wer sich zusätzlich zum einstellbaren Schwierigkeitsgrad eine Hürde setzen möchte, kann sich optional auch dafür entscheiden, komplett auf die magischen Kräfte zu verzichten.
Dishonored 2 – Die Schauplätze
Karnaca unterscheidet sich optisch stark von Dunwall. Als Inspiration dienten den Entwicklern hier unter anderem die wunderschönen Straßen Barcelonas, was man dem Spiel ansieht. Die Sonne scheint über dem klaren blauen Meer, die Gebäude sind von heller Farbe und eleganter Architektur — wenn auch stark verfallen. Während Dunwalls Luft und Licht unter seinen vielen großen Fabriken zu leiden hat, wird hier noch mehr Walfang und vor allem Bergbau betrieben.
Wie im ersten Teil erkunden wir keine offene Welt, in der wir jederzeit zwischen sämtlichen Gebieten wechseln können. Stattdessen dürfen wir bestimmte Bezirkteile in vorgegebener Reihenfolge erforschen und müssen uns Zutritt zu — durchweg eindrucksvollen — Gebäuden verschaffen. Besonders zwei der Schauplätze haben mich extrem beeindruckt und werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. In diesen zwei Missionen werden die Geschichte des Schauplatzes, seine Optik und Atmosphäre mit dem Gameplay so eng verknüpft, dass sich der Begriff Meisterwerk aufdrängt.
Dishonored 2 – Der Grafikstil
Dishonored 2 ist kein Grafikkracher, kein Spiel das man jemandem zeigt, um mit dem derzeitigen Stand der Technik im Sinne von photorealistischen Bildern zu beeindrucken. Und trotzdem sieht es verdammt gut aus. Das Spiel ist im Stil eines Gemäldes gehalten. Sämtliche Gebäude und Charaktere sehen aus wie gemalt. Es sieht deutlich realistischer aus als beispielsweise Borderlands, hat aber dennoch einen ganz besonderen Look, der mir sehr gefällt. Negativ sind mir vereinzelt verschwommene Texturen — die erst nach kurzer Zeit richtig geladen wurden — und noch seltener Frameratedrops aufgefallen.
Dishonored 2 – Der Sound und die Synchro
Ob es nun die fiesen Schwärme von Blutfliegen sind, die ihre Nester in Leichen bauen, ob Pistolen donnern, Schwerter voller Wucht aufeinanderprallen oder magische Kräfte zum Einsatz kommen: am Sound gibt es nichts zu meckern. Die dichte und stimmige Atmosphäre wird dadurch weiter verstärkt.
Ganz große Geschütze werden mit der Synchronisation aufgefahren. So ertönt die markante Stimme Martin Lehmanns hinter der Maske Corvos während Emily von seiner Tochter Dascha Lehmann gesprochen wird. Die Beiden sind unter anderem die Stimmen von Bruce Willis und Katie Holmes. Besonders habe ich mich über Hans-Georg Panczack, den die meisten als Luke Skywalker kennen werden, in der Rolle eines Widersachers gefreut. Einen guten Job machen bis auf kleine Ausrutscher alle Sprecher im Spiel. Ärgerlich ist nur, dass die deutsche Version in einigen Fällen nicht lippensynchron ist.
Dishonored 2 – Das Fazit
Wow: Das Gameplay ist flüssig, facetten- und abwechslungsreich. Die Atmosphäre ist dicht genug, um in direkte Konkurrenz zu BioShock 1 zu treten. Nicht einmal an der deutschen Synchro wurde gespart. Die ohnehin seltenen technischen Mängel beeinträchtigen den Spielspaß nicht und verblassen im Angesicht der denkwürdigen Schauplätze zusätzlich. Nur dass es keine New Game + Option gibt, stört mich etwas. Aber selbst dieser Kritikpunkt wird angeblich im Dezember durch ein kostenloses Update ausgemerzt. Für mich ist das Spiel schon jetzt ein Klassiker, der sich noch lange auf meiner eigentlich völlig überfüllten PS4-Festplatte befinden darf.
Lars Baumgart
Infobox:
- Titel: Dishonored 2
- Entwickler: Arkane Studios
- Publisher: Bethesda
- Release: 11.11.2016
- Plattform: PC, PS4, Xbox One
- USK: 18
- Genre: First-Person, Stealth, Action
- Sprachausgabe: Audio Deutsch, Text Deutsch (englische Tonspur ebenfalls enthalten)
- Multiplayer: Nein
- Besonderheiten: zwei verschiedene Enden