Das Kinoangebot der neuen Woche präsentiert sich mit seinen 16 Filmen etwas unübersichtlich. Stark vertreten ist diesmal der Arthouse-Sektor mit Titeln wie „Meine Zeit mit Cézanne“, „Jonathan“ oder dem rumänischen Beitrag „Der Schatz“. In dieser lakonischen Satire suchen Männer mit todernster Miene und einem Metalldetektor nach Wertgegenständen, die sich unter der Erde befinden könnten, oder auch nicht. Die meiste Zeit passiert nicht viel, spannend ist es trotzdem. Sehr zu empfehlen ist auch Hans Steinbichlers neuer Film „Eine unerhörte Frau“. Die schrille Animationskomödie „Sausage Party“ startet mit ihren derben Sexwitzen Attacken gegen den guten Geschmack. Weil es ihr an geistreichen Ideen fehlt, bleibt das Ganze ein zweifelhaftes Vergnügen. Unter den Kinostarts befindet sich auch Tim Burtons neues Fantasyspektakel, „Die Insel der besonderen Kinder“. Auf großes Interesse dürfte außerdem „Blair Witch“ stoßen, der schon im Titel an den berühmten Found-Footage-Gruselfilm von 1999 anknüpft.
Die Insel der besonderen Kinder
Regie: Tim Burton, Verleih: Twentieth Century Fox
Jake (Asa Butterfield) ist 16 Jahre alt und lebt in Florida. Schon von klein auf hatte der ernste Außenseiter ein inniges Verhältnis zu seinem Großvater Abe (Terence Stamp). Der alte Mann kommt unter mysteriösen Umständen ums Leben, aber vorher sagt er Jake noch schnell, dass er zu einer Insel in Wales fahren soll. Jake und sein Vater reisen also an den Ort, wo die Ruine des Waisenhauses steht, in dem Abe einst lebte. Es wurde bei einem Luftangriff im Kriegsjahr 1943 zerstört. Aber die Heimleiterin, Miss Peregrine (Eva Green), und ihre damaligen Schützlinge erfreuen sich bester Gesundheit. Sie verfügen über besondere Kräfte und leben in einer Zeitschleife, in der sie Jake willkommen heißen. Ihnen droht große Gefahr in Gestalt von Monstern, die Unsterblichkeit erlangen wollen.
Wundersam und stets auch etwas unheimlich geht es in diesem Fantasyfilm zu, der auf einem Jugendroman von Ransom Riggs basiert. Die Coming-of-Age-Geschichte ist ein spannendes Abenteuer mit düsterem Hintergrund. Mit ihren Zeitreisen und merkwürdigen Figuren demonstriert sie die Kraft des positiven Denkens. Tim Burton findet für den Kampf der Fantasie gegen die Schrecken der Realität eindrucksvolle Bilder, die auf witzige Weise mit dem Schaurigen spielen.
Blair Witch
Regie: Adam Wingard, Verleih: Studiocanal
Vor 20 Jahren verschwand Heather Donahue in den Wäldern der Black Hills. Nun beschließt ihr Bruder James (James Allen McCune), dorthin zu fahren, zusammen mit zwei Freunden und der Filmstudentin Lisa. Wieder soll anhand ihrer Videoaufnahmen ein Film entstehen, wie ihn damals auch Heather mit ihren Freunden drehte. Schon in der ersten Campingnacht passieren unheimliche Dinge und am Morgen hängen rund ums Lager Hexenzeichen, die den Ernst der Lage bezeugen.
1999 führte der Überraschungserfolg von „The Blair Witch Project“ vor, wie wenig Aufwand für einen effektiven Horrorfilm betrieben werden muss. Das Unheimliche funktioniert am besten, wenn man es nicht sieht. Doch das Prinzip, die Protagonisten mit eingeschalteter Videokamera im dunklen Wald herumirren zu lassen, hat den Neuigkeitseffekt mittlerweile eingebüßt. Jetzt fallen die schrecklich verwackelte Kamera, das Spiel mit abrupten Schnitten und Unterbrechungen eher als anstrengend auf. Es wird auch wieder viel geschrien und die Hexe hat ebenfalls ein erstaunlich lautes Organ. Ansonsten bleibt der Wald unergründlich und dass er die Eindringlinge wohl nicht einfach wieder ziehen lässt, war sowieso klar.
Eine unerhörte Frau
Regie: Hans Steinbichler, Verleih: Wild Bunch
Die bayerische Bäuerin Johanna (Rosalie Thomass) und ihr Mann Josef (Florian Karlheim) heißen als drittes Kind der Familie ihr Töchterchen Magdalena willkommen. Das Mädchen (Romy Butz) ist bei der Einschulung auffällig klein und wächst schließlich kaum mehr. Es klagt über schlimmer Kopfschmerzen, muss nachts oft erbrechen, kann fast nichts mehr essen und bekommt Sehstörungen. Johanna geht deshalb immer wieder mit dem Kind zum Arzt und sogar in eine Klinik, aber man sagt ihr, Magdalenas Beschwerden hätten psychische Ursachen. Weil das Kind die Mutter so beansprucht, leidet das Familienleben und zwischen den Ehepartnern herrscht angespannte Funkstille. Dann bekommt Magdalenas Krankheit endlich den richtigen Namen: Hirntumor. Jetzt ist das Risiko einer Operation wegen seines Umfangs aber schon zu groß.
Das Arthouse-Drama, das Regisseur Hans Steinbichler („Das Tagebuch der Anne Frank“) inszeniert hat, basiert auf einer wahren Geschichte. Das ist ein Grund, warum der Film so authentisch wirkt. Der andere ist das hervorragende Spiel der Hauptdarstellerin Rosalie Thomass. Sie gibt der wachsenden Verzweiflung der Mutter, die jahrelang erlebt, wie ihre Tochter nicht die dringend benötigte Hilfe bekommt, ein plausibles Gesicht. Diese differenzierte, natürliche Schilderung existenzieller Not weist über den Einzelfall hinaus. Sie wühlt das Publikum viel stärker auf als das durchschnittliche Kinoprogramm.
Bianka Piringer
Fotoquelle(n): Twentieth Century Fox, Studiocanal, Wild Bunch