Babys erstes Gruselspiel
Nach der Europa-Abstinenz des vierten Ablegers der Geister-Fotosafari „Project Zero“ ist Titel Nummer 5 nun auch wieder hierzulande erschienen. Doch das neueste Werk aus dem Hause Koei Tecmo ist vielleicht nicht das, was einige von einem Horrorspiel erwarten. Entweder man liebt oder hasst japanischen Horror. Manche fürchten sich vor unheimlichen Puppen und dem obligatorischen Mädchen mit den langen schwarzen Haaren, welche sich wie Tentakeln in alle Richtungen ausbreiten – andere nicht. Doch unabhängig davon schafft es Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers, an vielen Ecken seine eigens aufgebaute Atmosphäre zu ruinieren.
Vielversprechendes Setting, flaches Gameplay
Der Berg Hikami ist ein mysteriöser Ort. Immer wieder reisen Menschen hier hin, um mit dem Leben abzuschließen. Selbstmorde sind an der Tagesordnung. Deshalb haben eine handvoll Personen es sich zur Aufgabe gemacht, vermisste Dinge und Leute aufzuspüren. Wir schlüpfen in die Rollen von diesen Charakteren und erkunden den Berg. Dabei greifen wir nicht nur auf die obligatorische Kamera zurück, sondern auch die übersinnlichen Fähigkeiten der Protagonisten. Die Geschichte ist dabei in Kapitel unterteilt, in denen wir jeweils Abschnitte aus der Sicht von Yuri, Ren und Miu erleben dürfen und die Hintergründe der stattfindenden Ereignisse aufdecken.
Ausgerüstet mit der „Camera Obscura“, einem Gerät, mit denen man Geister sehen und auf Foto bannen kann, durchstreifen wir größtenteils streng lineare Areale, sammeln Gegenstände wie Dokumente, Heilmittel und natürlich Film für unsere Kamera und stellen uns den zahlreichen Geistern entgegen. Gegenstände werden jedoch nicht einfach aufgesammelt, nein wir müssen eine Taste gedrückt halten und das Item der Begierde seeeehr laaaaangsam ergreifen. Grund dafür ist, dass wir dabei manchmal von einer Geisterhand angegriffen werden können. Das ist allerdings nicht wirklich gruselig und gestaltet das ohnehin schon zähe Aufsammeln oftmals nerviger als es sein müsste.
Mit der Kamera können wir verschiedene Arten des Angriffs wählen. Normale Bilder schießen ist so gut wie nie effektiv. Stattdessen ist es am besten, einen Geist nahe herankommen zu lassen und dann im richtigen Moment ein „Konterfoto“ zu schießen. Das Timing ist dafür manchmal recht knapp und fordernd. Darüber hinaus können wir unsere Widersacher auch betäuben oder mit aufgeladenen „Schüssen“ klein halten.
Kommt der Spieler mit Wasser in Kontakt, entweder durch Regen oder Treffer von Geistern, füllt sich die neue „Nässe-Anzeige“. Ist diese voll, sind wir durchtränkt. Gegner werden dadurch aggressiver, Fotos verursachen aber auch mehr Schaden. Zusätzlich können wir auch verflucht werden, was uns kontinuierlich Leben kostet. Entgegenwirken können wir diesen Zuständen mit reinigender Glut.
Fotos von besiegten Geistern belohnen uns mit Punkten, die unseren Rang am Ende eines Kapitels festlegen und uns gleichzeitig als Währung dienen. Damit können dann vor jedem Kapitel Vorräte erworben oder die Kamera aufgerüstet werden, um zum Beispiel den Schaden der Fotos zu erhöhen oder die Aufladezeit zwischen den Fotos zu verkürzen. Rätsel gibt es keine, zwischendurch haben wir es höchstens mit verschlossenen Türen zu tun, für die wir einen Schlüssel finden müssen. Ein Foto von der Tür verrät uns auch sofort, wo wir diesen finden, eigenständig danach suchen darf man hingegen nicht.
Kein Vertrauen in den Spieler
Streng-Lineares Gameplay und Horrorspiele passen einfach nicht zusammen. Trotz einer USK-Freigabe ab 18 Jahren traut Project Zero 5 dem Spieler kaum etwas zu – so, als seien wir ein Kind, welches sein erstes Spiel spielt. Dass wir eine Taste haben, mit der wir uns jederzeit den richtigen Weg anzeigen lassen können, ist ja schön und gut. Den Spieler über 3 Kapitel hinweg permanent daran zu erinnern, jedoch nicht.
Den Weg in den oftmals sehr linearen Abschnitten zu finden ist auch ohne dieses Feature sehr gut machbar, und wenn es doch mal etwas weitläufiger wird, haben wir immer noch eine Karte, mit der wir arbeiten können. Sofern uns das Erkunden denn gestattet wird, da in vielen Fällen auch einfach Türen spontan durch „etwas Mächtiges“ verschlossen werden oder unser Charakter sich schlichtweg weigert, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Dadurch stellt sich selbst so etwas simples wie das Erkunden eines Hauses mit 5-7 Räumen als vorgegebene Angelegenheit heraus. Es sind Situationen wie diese, die einfach immer wieder an der Immersion nagen und der Atmosphäre schaden. Horrorspiele leben davon, dass sich der Spieler verloren und hilflos vorkommt, dies kommt jedoch kaum in Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers vor. Besonders ärgerlich ist es dann, wenn wir dank der extrem strengen Linearität sogar Teile des Spiels versäumen können. Bei der Wahl zwischen mehreren Wegen muss man deshalb immer wieder abwägen, welcher denn nun die Geschichte vorantreiben könnte und welcher optional ist. Schreitet die Geschichte voran, wird in vielen Fällen der Rückweg abgeriegelt, wodurch dem Spieler nichts anderes übrig bleibt, als damit zu leben oder das Kapitel erneut zu spielen. Immerhin dürfen bereits beendete Kapitel jederzeit beliebig oft wiederholt werden.
Innovative Ideen, anstrengend umgesetzt
Dank des Wii U Gamepads verspricht „Project Zero 5“ innovative Möglichkeiten, die Camera Obscura einzusetzen. Es gibt die Wahl zwischen zwei Steuerungsarten: Zum Einen können wir das Gyroskop des Gamepads benutzen. Sämtliche Anzeigen befinden sich nun auf dem Touchscreen und wir können wie mit einer richtigen Kamera agieren. Eigentlich ziemlich nett, sorgt jedoch unter Umständen nach einiger Zeit für müde Arme und einen schmerzenden Rücken. Zum anderen können wir auch die klassische Steuerung über beide Sticks wählen. Bei dieser befinden sich die Anzeigen für Film, Objektiv und Lebensenergie der Gegner auf dem Fernseher. Vorteilhaft ist dabei auch, dass wir im Kamera-Modus ein viel größeres Sichtfeld haben. Mit den Sticks arbeiten funktioniert in den meisten Fällen recht gut, auch wenn die maximal einstellbare Geschwindigkeit der Kamera ruhig etwas höher sein könnte.
Fotos können auch hochkant geschossen werden, was in Kombination mit den Sticks ein echter Graus ist. Alternative Methoden zum Drehen der Kamera gibt es nicht – zum Glück ist es so gut wie nie erforderlich. Wird das Gamepad gerade nicht als Kamera genutzt, können wir uns hier die Karte oder das Spielbild anzeigen lassen. Spielen ohne den Fernseher ist allerdings nur bedingt möglich, da das Gamepad ausschließlich die Soundeffekte der Kamera überträgt. Dabei ist das Sounddesign und die Sprachausgabe durchaus gelungen, wir dürfen statt der englischen Sprache sogar auf japanisch stellen.
Fazit
Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers ist ein zweischneidiges Schwert. Im Kern mag es zwar den richtigen Gedanken haben, und vielleicht packt es J-Horrorfans ja sogar und blüht dort richtig auf. Für mich blieb der Horror jedoch auf der Strecke. Permanent wird man mehr als auffällig gelenkt, Jumpscares sind fast immer vorhersehbar und sonderlich viel spielerischen Anspruch gibt es auch selten. Ein echtes Gefühl der Angst oder auch nur des Unwohlseins kam nie auf. Alles in allem ein gleichermaßen unterhaltsamer und nerviger 15 bis 20-stündiger Trip durch eine virtuelle Geisterbahn, die auf das Anlegen der Sicherheitsgurte besteht.
Stefan Scholz
Bildquelle(n): © 2016 Nintendo