Eigentlich sollte an dieser Stelle unsere inzwischen fünfte Tokyo Ghoul Manga Kolumne folgen, in der wir detailliert auf die Unterschiede zwischen Manga und Anime eingehen. Dies ist nun mit den vorliegenden Bänden 9 und 10 nicht mehr möglich. Warum erfahrt ihr natürlich trotzdem bei uns.
Eine neue Welt
Man konnte es bereits ahnen. Als sich Ken am Ende des 8. Tokyo Ghoul Bandes nicht den Phönixbaum anschließt, sondern mit den Ghulen Shu und Banjo seinen eigenen Weg geht, war klar, dass Manga und Anime stärker denn je voneinander abweichen. Doch auf das, was nun folgte, waren wir nicht wirklich vorbereitet. Konnte man bisher immer Vergleiche ziehen und genau analysieren welche Manga-Kapitel durch den Anime abgedeckt waren, schlägt der Manga nun eine völlig andere Richtung ein. Wer diese Ereignisse nochmals rekapitulieren möchte, kann dies in unserer letzten Kolumne tun
Während sich der Anime nun am Ende der ersten Episode aus Staffel 2 (Tokyo Ghoul Root A) befand, schloss der Manga sein inzwischen 8. Kapitel ab. Der Anime zeigt nun anschließend wie Ken zusammen mit dem Phönixbaum inhaftierte Ghule befreit, der Manga macht allerdings einen Zeitsprung von 6 Monaten und beginnt damit, dass Ermittler Amon für seine Verdienste befördert wird. Währenddessen hat der Phönixbaum erfolgreich zahlreiche Ghule befreit und nutzt die neue Streitmacht um Dr. Kano zu finden – der Doktor, der Ken durch die Organtransplantation überhaupt erst in einen (Halb)Ghul verwandelte. Dieser und Liz selbst werden im Manga nämlich schlagartig zum zentralen Handlungspunkt, denn auch Ken versucht mit allen Mitteln Dr. Kano zu finden.
Kalt, Kälter, Ken
Dies führt Ken zurück in das Restaurant der Ghule, das durch ein Aufeinandertreffen mit Shiro und Kuro – zwei Zwillingsschwester, die von Kano ebenfalls in Halbghule verwandelt wurden- komplett ausgelöscht wird. Ken, der nicht mehr wieder zu erkennen ist, nimmt den Tod der Ghule ohne eine Sekunde des Bedauerns in Kauf. An anderer Stelle treffen wir erneut auf Hide, dieser ist wie auch im Anime als Briefzusteller bei den Ermittlern eingestellt. Es stellt sich im Manga jedoch heraus, dass Hide im Hintergrund als Privatdetektiv arbeitet, der auf gerissene Art und Weise Ghule verfolgt, ausspioniert und sogar mit Hilfe von Wanzen ortet. Als die Ermittler dies herausfinden, befördern sie ihn kurzerhand und weisen ihn dem Team von Amon zu. Zum Ende des 9. Band sehen wir wie Dr. Kano, der bereits damit rechnet, dass Ken ihn früher oder später finden wird, weitere Experimente durchführt. So wird unter anderem gezeigt, dass die Schlächter, die im Restaurant der Ghule eingesetzt wurden, Versuchskaninchen waren, jedoch die Transplantation von Ghul-Organen körperlich nicht verkraften konnten. Mit einem krassen, unvorhersehbaren Twist, der alles bisherige in den Schatten stellt und ebenfalls nicht im Anime vorkommt, endet der 9. Tokyo Ghoul Band.
Aus dem Schatten heraus
Band 10 setzt nahtlos an und verdeutlicht nochmals wie wichtig Dr. Kano ist. Er ist der Drahtzieher, der Puppenspieler, der Dirigent, der aus dem Schatten heraus alles manipuliert. Auch die Ermittler des CCG nehmen die Verfolgung auf, nachdem sie durch wochenlange Recherche herausfinden konnten, dass Kano, der selbst einmal im CCG arbeitete und dort Ghule obduzierte, Ken Ghul-Organe implantierte. Dies macht die Ermittler natürlich auch auf Ken selbst aufmerksam. Nun tritt auch Jasons Bruder Naki in Erscheinung, da dieser für den Phönixbaum ebenfalls nach Dr. Kano sucht. Während das CCG Kanos Akten durchstöbert, entführen sowohl Naki als auch Ken, Angehörige des Doktor um so dessen Aufenthalt ausfindig zu machen. Ihr ahnt bereits, was geschehen wird? Richtig, alle drei Fraktionen treffen im geheimen Stützpunkt Dr. Kanos aufeinander. Während Ken bis zum Doktor vorstößt, gehen Naki und Shu ein Zwangsbündnis ein um sich gegen die Ermittler zur Wehr zu setzen. Im großartigen, unglaublich spannenden Finale des 10. Band trifft Ken endlich wieder auf Dr. Kano welcher ihn mit Fakten konfrontiert, die Kens Weltbild langsam aber sicher zerbröckeln lassen. In einem Moment der Schwäche greifen jedoch Yomo aus dem Cafe Antik sowie weitere Ghule des Phönixbaum ein. Kano, der vom Phönixbaum entführt wird, lässt nun sämtliche Schlächter auf Ken los um diesen zum Kämpfen zu zwingen und so weitere Kräfte in ihm zu wecken. Ken, nach den Aussagen Kanos immer noch schwer unter Schock, gibt sich erneut seiner dunklen Seite hin und fängt an die Schlächter zu fressen. Gerade als Ermittler Shinohara das Geschehen betritt, steht Ken in seiner „Tausendfüßler-Form“ vor ihm und versprüht vor allem eines: Mord-Lust. Mit diesem letzten, düsteren Bild endet der 10. Band und lässt uns voller Spannung, aber auch Verzweiflung zurück.
Tokyo Ghoul – Zwei unterschiedliche Geschichten
Wie ihr seht, ist es an dieser Stelle nicht mehr möglich eine Parallele zu ziehen. Alleine Ken unterscheidet sich von seinem Anime-Ebenbild so stark, dass selbst ohne die abweichende Handlung nicht mehr von der gleichen Geschichte zu sprechen wäre. Dies lässt jedoch eine völlig neue Art der Beurteilung zu: Welche der beiden Geschichten gefällt uns denn besser?
Ohne lange zu überlegen, fällt unsere Wahl auf den Manga. Schonungsloser, konsequenter, aber vor allem auch durchdachter wirkt die Jagd nach Kano und vor allem die Beweggründe jeder agierenden Fraktion. Obwohl uns der Anime immer noch extrem gut unterhalten hat, wirkt er im Vergleich zum Manga fast schon zu weich gespült, zu oberflächlich, zu komprimiert. Selbst wenn der Anime die jetzigen Ereignisse in der (hoffentlich erscheinenden) dritten Staffel nachholen wird und die Ereignisse einfach zeitlich anders anordnet, wird er dem Manga kaum noch das Wasser reichen können. Viele Charaktere gehen bereits jetzt einen viel instinktiveren, dunkleren Weg als im Anime. Simple Motive wie Rache gibt es hier nicht. Stattdessen wird Liz, deren Vergangenheit unglaubliche Geheimnisse bergen muss sowie Dr. Kano eine unfassbare Wichtigkeit zugesprochen, was den Manga mysteriöser, spannender und unberechenbarer macht. Es kribbelt uns in den Fingern, denn wir wollen wissen wie es weitergeht – wir stehen förmlich unter Strom. Daher bleibt uns nur zu sagen: Seid dabei, wenn es nächste Woche mit Band 11 und 12 weitergeht!
Kevin Kunze
Bildquelle(n): Sui Ishida