Zum Sommeranfang tanzt eine kleine, aber feine Reihe von Kinostarts an. Darunter funkeln einige Exemplare verheißungsvoll wie Glühwürmchen in der Nacht.
Die Krimikomödie „Ocean‘s 8“ tritt in die Fußstapfen der tollkühnen Tresorräuber aus „Ocean‘s Eleven“, mit einer neuen Story. Aber hier sind die Meisterdiebe nicht Männer, sondern Frauen. Gelingt Sandra Bullock, Cate Blanchett und weiteren Schauspielerinnen der Beweis, dass sie genauso cool und pfiffig sein können wie George Clooney, Brad Pitt und Co.?
Weniger glamourös und auch nicht ganz so spaßig präsentiert sich die Multi-Kulti-Komödie „Halaleluja – Iren sind menschlich!“. Die französische Komödie „Nicht ohne Eltern“ konfrontiert ein ahnungsloses älteres Paar mit einem Mann, der behauptet, ihr Sohn zu sein. Sie bietet ein Wiedersehen mit Christian Clavier, dem Familienvater aus „Monsieur Claude und seine Töchter“.
Zwei großartige Dramen gehen in dieser Woche an den Start. „The Rider“ handelt von einem jungen Rodeo-Reiter in South Dakota, der nach einer Verletzung von seinen Träumen Abschied nehmen muss, aber nicht will. Aus England kommt das Liebesdrama „Am Strand“ über ein junges Paar, das noch am Tag der Hochzeit seine große Krise erlebt.
Der Horrorfilm „The Strangers: Opfernacht“ ist ein Sequel zu „The Strangers“ aus dem Jahr 2008. An ein Kinder- und Familienpublikum richtet sich der fröhliche holländische Film „Allein unter Schwestern“. Darin müssen ein zwölfjähriger Junge und seine Schwestern das Familienhotel retten, während der alleinerziehende Vater im Krankenhaus liegt.
Zwei Dokumentarfilme gehen auch an den Start. „Delfine“ heißt die neue Produktion von Disneynature, dem Label, das schon so spektakuläre Naturfilme wie „Unsere Erde – Der Film“ und „Im Reich der Raubkatzen“ herausgebracht hat. In „Kolyma“ sieht sich der Filmemacher Stanislaw Mucha in Sibirien um, genauer in der Region, die in der Sowjetzeit für ihre Arbeitslager berüchtigt war.
The Rider
Regie: Chloé Zhao, Verleih: Weltkino
Brady Blackburn (Brady Jandreau) lebt als Rodeoreiter mit dem Vater und der behinderten Schwester in South Dakota, auf dem Gebiet der Pine Ridge Reservation. Seit einem schweren Rodeounfall hat Brady eine Metallplatte im Kopf und kann vorerst nicht mehr bei Wettkämpfen antreten. Eisern kämpft sich Brady in den Sattel zurück, aber seine Hand macht nicht mit. Um sich und die Familie zu ernähren, muss Brady im Supermarkt jobben. Manchmal zähmt er auch ein wildes Pferd, mit dem seine Besitzer nicht klarkommen, denn Brady ist ein Pferdeflüsterer. Er sieht sich in einer ausweglosen Lage, denn ein Leben ohne Rodeo kann sich dieser zum harten Cowboy erzogene Mann einfach nicht vorstellen.
Viel wird in diesem großartigen Drama nicht geredet. Hauptdarsteller Brady Jandreau ist ein Laie, der sich mehr oder weniger selbst spielt. Das tun auch sein Vater, seine Schwester und die anderen Darsteller. Regisseurin Chloé Zhao zeigt, dass die Werte und das Freiheitsversprechen des Wilden Westens noch leben, auch wenn sie im Untergehen begriffen sind. Bradys Welt ist von einer melancholischen Schönheit und Kraft durchdrungen, die sich in der majestätisch weiten Landschaft spiegelt. Dass Brady Jandreau keine schauspielerische Erfahrung hat, merkt man ihm keine Sekunde an, im Gegenteil, der ganze Film lebt von seiner beeindruckenden Rolle.
Ocean‘s 8
Regie: Gary Ross, Verleih: Warner Bros.
In diesem Film geht es einmal nicht um den Meisterdieb Danny Ocean, sondern um seine Schwester Debbie (Sandra Bullock). Sie kommt aus dem Gefängnis frei und hat nichts als den großen Coup im Sinn, für den sie eine Riege von Spezialistinnen rekrutiert. Auf der Met Gala, dem glamourösen New Yorker Event, das jedes Jahr im Metropolitan Museum of Art stattfindet, will Debbie ein Diamantencollier im Wert von 150 Millionen Dollar klauen. Aber erst einmal muss die Firma Cartier dazu überredet werden, es überhaupt aus dem Tresor und an den Hals des Stargasts Daphne Kluger (Anne Hathaway) zu lassen.
Im Spin-off zur „Ocean‘s“-Trilogie von Steven Soderbergh brechen endlich Frauen in die Männerdomäne des Heist-Movies ein. Sandra Bullock ist als Meisterdiebin Debbie durchaus so gewitzt wie weiland George Clooney in der Rolle von Danny Ocean. Auch Cate Blanchett, Rihanna, Helena Bonham Carter, Anne Hathaway und all die anderen Darstellerinnen machen eine gute Figur in dieser überzeugend getimten Komödie. Das elegante Ambiente betont die Hochstimmung dieser Geschichte, die einfach gekonnt unterhält.
Am Strand
Regie: Dominic Cooke, Verleih: Prokino
Im Jahr 1962 geben sich in England Florence (Saoirse Ronan) und Edward (Billy Howle) das Ja-Wort. Die junge Musikerin hatte den Geschichtsstudenten an der Universität kennengelernt. Nun sitzen sie in einem Hotel an der Küste und fiebern mit unterschiedlichen Gefühlen der Hochzeitsnacht entgegen. In den prüden, konservativen 1950er Jahren aufgewachsen, wollen Florence und Edward alles richtig machen. Ihr Glück und ihre Aufbruchstimmung beflügeln sie, aber sie sind weniger frei, als sie dachten. Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, stehen sie an einem Scheideweg.
Diese bewegende Geschichte basiert auf dem Roman von Ian McEwan, der auch das Drehbuch verfasste. Sie ist dramaturgisch exzellent aufgebaut. Niemand, weder die beiden Hauptfiguren, noch das Publikum, sieht den Lauf der Dinge vorher. Florence und Edward wachsen einem in ihrer jugendlichen Unschuld und ihrer Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben ans Herz, während die Handlung gemächlich in Fahrt kommt. Dieses verhaltene Tempo mit seinen Rückblenden ist Absicht, um eine ungeahnte Fallhöhe aufzubauen. Dieses junge Paar trägt schwer am Mief der 1950er Jahre mit ihren Fesseln, Lebenslügen und dunklen Geheimnissen. Das Ergebnis ist ein Drama von großer Wucht, wie es im modernen Kino nur noch selten gezeigt wird.
Bianka Piringer
Copyright der Bilder: Weltkino Filmverleih (2), Warner Bros., Prokino Filmverleih