Nioh ist eines der besten Spiele des Jahres. Das wissen PS4-Zocker seit Februar und nun können sich auch PC-Spieler davon überzeugen.
Spiel aus Japan, spielt in Japan
Als das Jahr begann, tendierte mein Interesse an Nioh gen 0. Doch kaum war es erscheinen, wurde ich hellhörig – zu recht! Ich tingelte durch halb Berlin, um eine Version zu bekommen, nirgendwo war eine verfügbar. Weil ich ungeduldig war, startete ich noch am gleichen Abend den Download aus dem PlayStation Store und es hat sich gelohnt: Nioh ist ein fantastisches Action-Rollenspiel. Ein Souls-like, das sich sehr viel von der großen Reihe aus dem Hause From Software abgeguckt hat, das Spielprinzip aber mit mindestens genauso vielen eigenen Ideen würzt.
Falls Nioh komplett an euch vorbeigegangen sein sollte, hier eine Zusammenfassung: Ihr spielt den Engländer William Adams, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach Japan reist, weil ein böser Alchemist seinen Schutzgeist gestohlen hat. Beide Figuren basieren auf historischen Persönlichkeiten, genau wie die politische Situation im Land der aufgehenden Sonne, in dem Samurai-Clans um die Macht kämpfen. Allerdings ist die eigentliche Geschichte fiktiv und wird mit viel düsterer Fantasy angereichert. Im Gegensatz zu einem „Dark Souls“ oder „Bloodborne“ erzählt Nioh seine Story aktiv anhand von Zwischensequenzen, aber vor allem auch vielen Quest-Texten.
Die Handlung wird im Spielverlauf aber schnell zur Nebensache, da sie es nicht schafft, richtig zu packen. Das liegt auch daran, dass Nioh euch einen Charakter nach dem anderen präsentiert und dabei zu wenig erklärt. Wer sowieso nicht alles liest, wird schnell denken: „Öhm, worum geht es gerade nochmal?“ Hier verschenkt Entwickler Team Ninja viel Potenzial, wo das Szenario doch eigentlich sehr interessant und recht unverbraucht ist.
Vertraut und doch so anders
Dafür trumpft Nioh eben spielerisch auf: Im Gegensatz zu „Dark Souls“ bietet es zwar keine zusammenhängende Spielwelt, sondern einzelne Levels. Doch die sind groß und verwinkelt genug, dass der Entdeckerdrang reichlich gefördert wird. Natürlich dürfen die Souls-like-typischen Abkürzungen dabei nicht fehlen. Und nur weil eine offene Welt fehlt, heißt das nicht, dass Nioh nicht umfangreich wäre. Das Hauptspiel beschäftigt dank über 100 Nebenmissionen schon locker ebenso viele Stunden. Die Complete Edition umfasst obendrein alle drei DLCs, die nochmal Inhalte für etliche weitere Stunden bieten.
Das grundlegende Prinzip mag dem eines „Dark Souls“ gleichen: Für getötete Gegner gibt es Amrita statt Seelen, die ihr an Schreinen investiert, um eure Attribute und somit eure Stufe zu erhöhen. Die dienen zudem als Speicherpunkte. Segnet ihr das Zeitliche, erwacht ihr am letzten Schrein. Euer Amrita müsst ihr natürlich wieder am Ort eures Ablebens einsammeln. Sterbt ihr erneut, ist es weg. Ach ja, natürlich ist Nioh auch genauso schwer wie die Souls-Spiele.
Aber dann hat es eben auch so viel eigenes: Die Kämpfe sind noch schneller als in „Bloodborne“, spielen sich sehr viel actionreicher. Darüber hinaus bieten sie einen enormen Tiefgang. Nicht nur, dass es verschiedene Waffenarten gibt, sondern auch noch drei Haltungen (niedrig, mittel, hoch) und diverse Spezialattacken, die ihr mit Skillpunkten nach und nach freischaltet. Wer in Nioh nicht untergehen möchte, muss sich in die Spielmechaniken reinfuchsen, wird dann aber mit vielen Möglichkeiten belohnt. Abgerundet wird das Ganze durch die Schutzgeister, die euch unterschiedliche Boni verleihen. Anfangs habt ihr nur einen, später wird die Auswahl deutlich größer.
Gamepad-Pflicht
Inhaltlich überzeugt Nioh auch auf dem PC auf ganzer Linie. Doch wie steht es denn nun um die PC-Portierung? Ist sie eine Katastrophe geworden, wie es bei manch anderem Spiel aus Japan der Fall gewesen ist? Nun ja, erst mal eine Entwarnung: Technisch ist die PC-Fassung sehr ordentlich. Während man sich auf der PS4 (zumindest der normalen) zwischen dem Actionmodus mit 60 FPS und dem Filmmodus mit nur 30 FPS, dafür aber einer besseren Optik, entscheiden muss, entfällt diese Wahl auf dem PC. Zwar könnt ihr einen der beiden Modi aktivieren, die Grafikeinstellungen lassen sich aber auch per Hand vornehmen. Und dann könnt ihr, einen nicht zu betagten Rechner vorausgesetzt, Nioh in seiner vollen Pracht und mit 60 Bildern pro Sekunde spielen, nach Wunsch sogar in 4K. Klar, eine Schönheit ist das Spiel auch auf dem besten PC der Welt nicht. Man merkt ihm eben an, dass Team Ninja zehn Jahre daran gearbeitet hat und es eigentlich mal für die PS3 hätte erscheinen sollen. Aber die Optik ist stilsicher, stimmig und sowohl William als auch seine Gegenspieler sind flüssig animiert, was gerade den Kämpfen zugute kommt.
Das große Problem der PC-Portierung ist die Steuerung. Klar: Wer Nioh mit einem Gamepad spielen will (weil sich das bei solchen Spielen ja eigentlich auch so gehört), hat keine Probleme. Mit Maus und Tastatur sieht das anders aus. Ersteres wird erst gar nicht vom Spiel unterstützt, was schon vor zehn Jahren nicht mehr zeitgemäß gewesen wäre. Mit der Tastatur wiederum müsst ihr mit einer fest vorgegebenen Tastenbelegung leben, die euch im Spiel nirgends angezeigt wird, sondern nur im PDF-Handbuch. Und die Tasteneinblendungen beim Zocken sind stets auf den Xbox-Controller zugeschnitten. Sorry, liebe Entwickler, das geht gar nicht!
Fazit – Nioh: Complete Edition
Für mich ist Nioh, wie eingangs erwähnt, eines der Highlights des aktuellen Spielejahres. Ehrlich gesagt habe ich mit dem Abenteuer im feudalen Japan sogar mehr Spaß, als mir jedes „Dark Souls“ und sogar das meiner Ansicht nach überragende „Bloodborne“ gemacht hat. Es ist zugleich ein tolles Beispiel dafür, wie man das Grundrezept der Souls-Spiele aufgreift und mit eigenen Ideen würzt. Nioh mag auf den ersten Blick wie eine Kopie wirken, ist aber so viel mehr als das.
Kein Wunder also, dass ich mich als PC-Spieler total auf die Portierung gefreut habe. Leider ist die nicht ganz so gut geworden, wie gewünscht, aber auch längst nicht so schlecht, wie befürchtet. Die Technik läuft rund. Endlich kann ich Nioh in vollen Details und trotzdem mit 60 FPS genießen – natürlich mit einem Gamepad. Die Frage nach der Maus- und Tastatursteuerung hat sich mir persönlich nie gestellt. Dennoch ist es ein Unding, diesbezüglich so viel Schlampigkeit an den Tag zu legen. Wer aber ein Gamepad besitzt und Bock auf ein herausforderndes, tiefgehendes Action-Rollenspiel mit Souls-like-Konzept und immensem Umfang hat, darf sich Nioh nicht entgehen lassen.
Bildquelle: Sony Interactive Entertainment