BBCs Sherlock erfreut sich mit seinen Hauptdarstellern Benedict Cumberbatch und Martin Freeman großer Beliebtheit. Nun erscheint sogar eine Manga-Reihe im Hause Carlsen – die widmet sich aber nur Neueinsteigern und absoluten Fans der Serie. Warum, erfahrt ihr im Test.
Sherlock – Ein Fall von Pink
Moment: „Ein Fall von Pink“? So heißt doch die erste Sherlock Episode. Die mit dem pinken Koffer und der Reihe von „Suiziden“? Genau. Tatsächlich handelt es sich bei dem Manga nämlich um eine exakte Wiedergabe dieser Episode.
In London werden immer wieder Menschen aufgefunden, die sich mit einer Pille selbst vergiftet und so das Leben genommen haben. Die Auswahl der Opfer scheint keinem Muster zu folgen – Jüngere trifft es ebenso wie Ältere, Männer ebenso wie Frauen. Die Polizei geht deswegen von Suiziden aus, Hinweise auf ein Fremdverschulden gibt es nicht. Abschiedsbriefe wurden allerdings von keinem der Opfer hinterlassen. Deswegen blamiert der selbsternannte Soziopath Sherlock Holmes die Polizei auch mitten während der laufenden Pressekonferenz via SMS an sämtliche Teilnehmer, um sich anschließend selbst an den Fall zu machen.
Ungefähr zum selben Zeitpunkt kommt Watson zurück nach London. Der Militärarzt war für eine längere Zeit im Krieg, bis er sich schließlich nicht nur eine Beinverletzung, sondern auch ein handfestes Trauma zuzog. Seine Therapeutin rät ihm zur Ruhe, um Psyche und Körper zu genesen. Watson versucht also, einem entspannten Lebensstil zu frönen, sucht eine bezahlbare Londoner Wohnung, verbringt Zeit im Park und trifft einen alten Freund. Der erzählt ihm, dass Watson schon der Zweite sei, der ihm heute sein Leid von der Wohnungssuche klage…
So treffen sie also aufeinander, jene legendären Charaktere, von denen wohl nicht nur jeder Leser dieses Artikels, sondern jedes Kind schon einmal gehört hat: Sherlock Holmes und Doktor Watson. Mit überragendem Kombinationsvermögen und selbstverständlich auch unter Einsatz der Deduktion schlussfolgert Sherlock innerhalb kürzester Zeit, wo Watson bis vor Kurzem war, wie die Beziehungen zu seinen Verwandten sind und was deren Lebensstil beinhaltet. Sowie dass das lahme Bein des Doktors lediglich psychosomatisch sei. Aufgrund dieser blitzartigen Bemerkungen sowie des unhöflichen, irgendwie weltfremden Auftretens Sherlocks zugleich fasziniert und irritiert, willigt Watson ein, sich eine Wohnung mit Sherlock anzusehen. Es dauert nicht lange, bis sich herausstellt, dass Sherlock nicht nur einen Mitbewohner, sondern auch einen Helfer bei seinen Detektiv-Einsätzen sucht. So machen sich die beiden also auf, ihn zu lösen – den Fall von Pink.
Was sagt man dazu?
Wer sich durch die letzten drei Absätze gequält oder sie direkt übersprungen hat, dem kann ich vom Kauf des Mangas direkt abraten. Es ist wirklich 1:1 die Handlung der ersten Episode von Sherlock. Es gibt keine zusätzlichen Details, es ist vielmehr, als hätte jemand die Bluray der Serie in den PC gelegt und einen magischen „Umwandeln zu Manga“-Button geklickt.
Mich persönlich hat das etwas enttäuscht, denn ich hätte gerne neue Geschichten mit dem Duo gelesen. Einige kleinere, in sich abgeschlossene Geschichten hätte ich der immer größer, gewaltiger und unglaubwürdiger werdenden Geschichte Steven Moffats vorgezogen. Denn natürlich beginnt auch im Sherlock Manga direkt die Geschichte um Sherlocks Widersacher Moriarty. Deswegen ist der Manga meiner Meinung nach wirklich nur für eingefleischte, hardcore Moffat-Fans etwas. Für die, die sich jede Episode immer und immer wieder angucken können, ohne des ganzen Pathos überdrüssig zu werden. Mit einer Ausnahme.
Dadurch, dass der Manga nahezu eine 1:1 Kopie ist, eignet er sich natürlich perfekt für alle, die Sherlock im Prinzip interessant finden, aber nicht gerne Fernsehen. Oder keinen Netflix-Account haben. Verpassen tut man inhaltlich nichts und auch die Optik ist brillant getroffen. Sämtliche Charaktere, von den Protagonisten bis zu den Nebencharakteren, sind wunderbar im Manga-Stil eingefangen. Auch die Bildausschnitte der Serie sind in den Panels wiederzuerkennen. In diesem Sinne macht der Manga Sherlock also definitiv alle Ehre.
Ich komme zu dem Schluss…
Mein Meckern ist Meckern auf recht hohem Niveau. Ich habe die Sherlock Folgen alle mehrfach gesehen, insbesondere „Ein Fall von Pink“. Hinzu kommt, dass ich „Doctor Who“ Fan bin und somit der übertriebenen Handlungen Moffats noch überdrüssiger bin (er war dort Showrunner für die Staffeln 5-10). Wer gar nicht genug von Sherlock bekommen kann, wird sich den Manga sicher schon gekauft haben oder kann das ansonsten ohne Bedenken tun. Wirklich glänzen tut der Manga für die, die Sherlock noch nie geguckt haben. Die können nicht nur, sondern sollten meiner Meinung nach auch beherzt zugreifen. Trotz aller Kritik finde ich die Reihe sehr spannend, gut gemacht und unterhaltsam. Wer Moffat noch nicht über hat, kommt auf jeden Fall voll auf seine Kosten.
Infobox:
- Titel: Sherlock – Ein Fall von Pink
- Autor: Mark Gatiss, Steven Moffat
- Zeichner: Jay.
- Publisher: Carlsen Manga
- Release: 24.03.2017
- Medium: Taschenbuch
- Freigabe: ab 15 Jahren
- Genre: Krimi
- Seiten: 212
- Format: 14,50 x 21,00 cm
- ISBN: 978-3-551-72884-5
- Preis: 12,99 € (Deutschland) 13,40 € (Österreich)
Bildquellen: Jay., Mark Gatiss, Steven Moffat, Carlsen Manga, Kadokawa Shoten
Lars Baumgart