Mit Hey! Pikmin schickt Nintendo seine Rübenmännchen in ihren ersten Handheld-Einsatz. Auch beim Genre setzt man auf Neues. „Pikmin“ als Platformer, funktioniert das? Unser Test verrät es euch.
Intergalaktischer Boxenstopp
Zu Beginn ist noch alles beim Alten. Wir erfahren, dass sich unser Held Captain Olimar nach einem harten Arbeitstag auf dem Heimweg befindet. Doch leider bringt ein Asteroidenfeld den intergalaktischen Fernfahrer jäh um den verdienten Feierabend. Einer der Steine trifft Olimars Raumschiff und erzwingt so eine unsanfte Notlandung auf dem nächstgelegenen Planeten. Bevor er die Heimreise fortsetzen kann, sind nun einige Reparaturmaßnahmen erforderlich.
Für diese benötigen wir allerdings einen Stoff namens Glitzerium, welcher zwar überall auf dem Absturzplaneten zu finden ist, aber natürlich aufwändig gesammelt werden muss. Ein Glück, dass sich nicht nur die benötigte Ressource auf dem Planeten befindet, sondern auch Olimars alte Freunde, die Pikmin. Die Rübenmännchen lassen sich ohne großes Murren für die Sammelaktion begeistern und das Abenteuer kann beginnen.
Abkehr von den Wurzeln
Anders als die bisherigen Pikmin-Titel ist Hey! Pikmin kein Strategiespiel, sondern ein Puzzle-Platformer. Mit dem Steuerkreuz bewegt ihr Olimar aus der Seitenansicht durch die Level und durch Stylus-Eingaben auf dem Touchscreen könnt ihr eure Pikmin zielgenau auf Gegner und Objekte werfen. Je nach Pikmin-Typ haben diese wie gewohnt Stärken und Schwächen. Rote Pikmin sind zum Beispiel besonders stark und gelbe lassen sich höher werfen.
Zwar erstrecken sich die Level über beide 3DS-Bildschirme, die eigentliche Action findet bedingt durch das Kontrollschema aber immer auf dem unteren Bildschirm statt. Mit seiner Kombination aus klassischer Steuerung und Touch-Elementen erinnert das Spiel manchmal etwas an frühe DS-Titel, die ebenfalls gern mit den Eingabemöglichkeiten des Systems spielten, wirkt aber weit ausgereifter als diese.
So gilt es nun also die verwinkelten Level zu erkunden, aggressiver Fauna ein paar Pikmin vor den Latz zu knallen und ganz viel Glitzerium zu sammeln. Am schnellsten geht das, indem ihr die in den Leveln versteckten Schätze findet und in den begehrten Stoff umwandelt. Das kann einen durchaus einige Stunden unterhalten, der Versuch, das typische Pikmin-Gefühl auf einen Plattformer zu übertragen, ist gelungen. Was aber fehlt, ist echte Herausforderung.
Sammel-Action ohne Tiefgang
Die Puzzle-Passagen sind nämlich relativ einfach gehalten und erfordern selten längeres Grübeln. So müsst ihr einmal Pikmin im richtigen Winkel auf einen Trampolin-Pilz werfen, damit diese vorbeifliegende Gegner treffen. Ein anderes Mal gilt es, Olimar auf einen Block zu stellen und diesen im Anschluss von den Pikmin verrücken zu lassen, damit ihr den Ausgang erreichen könnt. Simple Aufgaben, die sich nach kurzem Nachdenken lösen lassen.
Dieser eher niedrige Schwierigkeitsgrad zieht sich durch das ganze Spiel, und selbst Bosskämpfe bringt ihr ohne Mühe hinter euch. Auf ein Limit an Tagen, die ihr maximal auf dem Planeten verbringen dürft, welches euch im Nacken sitzt und zu überlegtem Handeln zwingt, wurde anders als bei den Vorgängern ebenfalls verzichtet.
Ganz im Gegenteil setzt das Spiel sogar darauf, dass ihr eure Zeit großzügig nutzt und Level mehrmals spielt. Die Oberwelt von Hey! Pikmin ist in mehrere Gebiete unterteilt, die aus jeweils fünf Leveln bestehen. Pro Level gibt es drei Schätze zu bergen und oft auch alternative Routen und Zielpunkte zu finden, welche euch den Weg zu Bonusleveln öffnen.
Entsprechend werdet ihr die meisten der Level wohl mehr als einmal besuchen müssen, wenn ihr wirklich alles entdecken wollt. Und ausgedehnte Entdeckungstouren lohnen sich nicht nur, um möglichst schnell das für die Heimreise benötigte Glitzerium aufzutreiben.
Nette Anekdoten und ein Park ohne Vergnügen
In einem Logbuch verzeichnet Olimar akribisch alle gefundenen Schätze und notiert Informationen zu Gegnern und Pikmin. Diese Texte sind alle sehr unterhaltsam geschrieben und stellen tatsächlich einen der Höhepunkte des Spiels dar, so dass sich durchaus ein gewisses Sammelfieber einstellt. Außerdem könnt ihr durch mehrfaches Absolvieren der Level Arbeiter für den Pikmin-Park sammeln.
Pikmin-Park? In diesem Modus könnt ihr den geretteten Pikmin diverse Zonen zuordnen, in denen sie sich dann automatisch auf die Suche nach Glitzerium und Schätzen machen. Je mehr Pikmin sich an den Suchaktionen beteiligen, umso schneller kommt es dabei zu Ergebnissen.Wie in den eigentlichen Leveln müsst ihr auch hier die Eigenheiten der Pikmin bedenken. Alles in allem eine nette Idee, durch fehlende Interaktivität wirkt der Modus aber komplett unnötig. Mehr als den Pikmin ein Gebiet zuweisen könnt ihr hier nicht tun und sobald dies geschehen ist, heißt es abwarten.
Fazit: Hey! Pikmin
Hey! Pikmin könnte ein fantastisches Spiel sein – wenn es denn nur nicht so einfach wäre. Der Nintendo-typische Charme ist vorhanden, leider fehlt aber die übliche Gameplay-Raffinesse.
Selbst wenn ihr im späteren Spielverlauf mehrere Pikmingruppen und deren Fähigkeiten verwalten müsst, wirklich kompliziert wird es eigentlich nie. Da es den einzelnen Leveln zudem an echten Highlights fehlt, hatte ich oft auch nur bedingt Lust, diese für verpasste Schätze nochmal zu spielen. Schade, denn aus dem Grundprinzip hätte man auch einen anspruchsvolleren Titel machen können.
So ist Hey! Pikmin ein eher gemächliches Spiel geworden, das man vielleicht nach einem anstrengenden Tag zur Entspannung spielen kann. Unaufgeregt ein paar Level durchspielen, den Pikmin im Park ihre Aufgaben zuweisen und über Olimars wunderbar verquere Beschreibungen von Alltagsgegenständen schmunzeln – wer nach solcher Unterhaltung für ruhige Stunden sucht, ist bei Nintendos neustem Pikmin-Ableger gut aufgehoben.
Runder wäre der Titel aber gewesen, wenn es für Spieler mit Wunsch nach Herausforderung Zusatzlevel oder zumindest einen höheren Schwierigkeitsgrad gegeben hätte. So kann ich den Titel nur Pikmin-Fans, jüngeren Spielern und solchen mit einem Herz für gemütliche Spielerlebnisse ans Herz legen. Die Konkurrenz durch bessere Platformer ist auf dem 3DS für eine uneingeschränkte Empfehlung einfach zu groß.
Infobox:
- Titel: Hey! Pikmin
- Entwickler: Nintendo
- Publisher: Nintendo
- Release: 28.07.2017
- Plattform: Nintendo 3DS
- USK: 6
- Genre: Puzzle-Platformer
- Sprachausgabe: Deutsch
- Multiplayer: Nein
- Besonderheiten: –
Bildquelle(n): Nintendo
Benjamin Wilhelm