Die neuen Titel der Pokémon Hauptreihe (Sonne und Mond) lassen trotz des kürzlichen 20. Geburtstages des Franchise leider noch bis Ende des Jahres auf sich warten. Jedoch erscheint nun mit Pokémon Super Mystery Dungeon für den 3DS ein großer Titel, der sich um die kleinen Monster dreht.
Ein Review von Lars Baumgart
Du wurdest in ein Pokémon verwandelt!
Vor kurzem warst du doch noch ein Mensch?! Das ist allerdings auch schon alles an das du dich erinnern kannst. Aufzudecken, wie es zu der Verwandlung kommen konnte und wer du wirklich bist, ist von jetzt an dein Ziel. Die Narrative dieses Spiels ist meiner Meinung nach – gerade im Vergleich zu der Hauptreihe – fantastisch. Sie beginnt, unterstrichen von 3D Cutscenes, an einer Schule für junge Pokémon. Nur um sich dann mit Abstechern in Geistergeschichten und Ähnlichem langsam dem Hintergrund der eigenen Verwandlung und mysteriösen Vorgängen in der gesamten Pokémonwelt zuzuwenden. Dabei wird mitunter ein Gefühl echter Bedrohung erzeugt, das mir noch kein Pokémon Spiel vermitteln konnte. Ein Glück, dass du nicht alleine bist!
Anders als in den Hauptspielen stehen nicht nur drei oder wie im Vorgänger Portale in die Unendlichkeit fünf, sondern zwanzig Starter zur Auswahl! Dazu gehören nicht nur sämtliche Starter Pokémon der gesamten Hauptreihe (inklusive Gelb mit Pikachu) – auch Riolu, die Vorstufe von Lucario, ist mit von der Partie. Wie immer ist die Wahl des Starters eine wirklich verdammt schwere Entscheidung, denn dieses Pokémon wird dich den überwiegenden Teil des Spiels und vor allem in Cutscenes darstellen. Diese Wahl kannst du dir aber, wenn du das willst, von einem kleinen Quiz am Anfang des Spiels abnehmen lassen, dass dir dann nicht nur deinen Spielercharakter entsprechend deiner Persönlichkeit, sondern auch einen passenden Partner vorschlägt. Dieses zweite Pokémon ist von da an immer für dich da und ihr geht zusammen durch dick und dünn.
720 Freunde stehen dir zur Seite
Ich liebe die Hauptreihe seit ich Blau als Kind gespielt habe, aber das lag nie daran, dass ich gerne einen Trainer spielen wollte, der Pokémon fängt, sondern daran, dass ich die Pokémon süß, cool und faszinierend fand. Ich hatte Angst wenn sie kurz davor standen, besiegt zu werden und bin mir selbst Vorwürfe machend zum Pokécenter gerannt, wenn sie wirklich ohnmächtig wurden. Hier steht dieses Gefühl im Mittelpunkt. Die Pokémon sind die Stars, die Trainer als Mittelmänner sind entfernt worden. Pokébälle sind hier unvorstellbar: Man fängt keine Pokémon, man hilft ihnen. Über die “Connexussphäre” (die man frühzeitig im Spiel erhält) erhält man Aufträge oder Hilferufe von Pokémon, ihre Freunde mit ihnen gemeinsam aus Dungeons zu retten oder etwas zu finden, das sie verloren haben. Dadurch entstehen Freundschaften zu diesen Pokémon, die einem daraufhin ebenfalls treu zur Seite stehen und als Teampartner verfügbar sind. Das Tollste dabei ist, dass in Pokémon Super Mystery Dungeon alle 720 bisher erschienenen Pokémon sämtlicher Teile zu finden und ins Team aufzunehmen sind! Nur Volcanion (721) fehlt leider, da es erst nach Veröffentlichung des Spiels angekündigt wurde. In den sogenannten “Forschungsauftrag” Missionen kannst du dein Team beliebig aus drei Pokémon zusammenstellen und zwischen diesen in der Kontrolle wechseln. In den Story Missionen, die die eigentliche Handlung vorantreiben, musst du immer deinen Spielercharakter steuern, sowie meistens deinen Anfangspartner im Team haben und kannst somit höchstens das dritte Pokémon auswählen. Aus erzählerischer Sicht macht das natürlich viel Sinn und das Spielgefühl authenthischer, was für mich ein großer Pluspunkt ist. Schade ist es meiner Meinung nach trotzdem, denn ich würde gerne noch öfter zwischen all meinen Lieblingspokémon wechseln.
Abgesehen von diesem subjektiven Kritikpunkt gibt es leider auch einen objektiven, denn dass du in diesen Missionen nur deinen Avatar spielen kannst heißt auch, dass der Rest von der KI gesteuert wird. Deren Wegfindung und Attackenverhalten in den rundenbasierten Kämpfen ist teilweise haarsträubend und kann mitunter auch zur eigentlich völlig unnötigen Niederlage in einem Dungeon führen, was dich dann Fortschritt und gegebenenfalls Geld und Items kostet, falls du diese nicht im Dorf in der Bank abgelegt hast. Diese Probleme sind bei mir zwar sehr selten aufgetreten oder ließen sich durch Achtsamkeit meinerseits noch rechtzeitig abwenden, aufgefallen ist es mir aber dennoch. Das ist aber der einzige Negativpunkt, der mir in Sachen Gameplay in den Dungeons aufgefallen ist!
Heiter bis Episch
Die Dungeons bestehen aus mehreren Ebenen und werden zufallsgeneriert, das Layout ist also mit jedem Betreten anders. Außerdem erscheinen auf sämtlichen Ebenen immer wieder Feinde, sodass nie langweilige, unbelebte Bereiche entstehen. Das Design der Dungeons selbst würde ich als “ganz nett” bezeichnen, was wohl ein bedauerlicher Nebeneffekt der Zufallsgeneration ist. Hässlich sind sie aber definitiv nicht. Für tolle Stimmung sorgt so oder so der Soundtrack, der mit über sechs Stunden Laufzeit nicht anders als gigantisch zu beschreiben ist. Quantität wurde aber nicht über Qualität gesetzt, die Stücke reichen von fröhlich und gemütlich bis gruselig und episch. Der, je nach dem mit welchem Team man in welches Dungeon geht, nicht zu unterschätzende Schwierigkeitsgrad wird somit in schweren Bosskämpfen gut unterstrichen. Ebenfalls zur Atmosphäre trägt bei, dass Gegner schon vor Kampfbeginn sichtbar sind und Kämpfe ohne Zwischenblende beginnen. Im Vergleich zu der Hauptreihe bietet Pokémon Super Mystery Dungeon übrigens nicht nur aufgrund der Gegnerrespawns und der zufallsgenerierten Dungeons einiges an Spielzeit, sondern auch durch den im Hauptmenü wählbaren Modus “Pelipper-Insel”, von der aus ihr Rettungsmissionen starten oder jedes Dungeon erkunden könnt, dass ihr im normalen Modus schon erforscht habt. So könnt ihr ohne Umschweife direkt in ein Dungeon starten.
Empfehlung
Man kann betonen, dass Pokémon Super Mystery Dungeon ein Kinderspiel ist, was aufgrund der erwähnten Zwischensequenzen und der größeren Narrative deutlicher auffällt als in der Hauptreihe. Auch pädagogische Absichten sind spürbar, wenn zum Beispiel klar gemacht wird, dass der Machtwort haltende Opa sich nur Sorgen um seinen Sprössling gemacht hat, oder Diebstahl im Kecleon Dungeon-Laden schnell im nicht zu gewinnenden Kampf mit dem Ladenbesitzer und damit dem Scheitern des Dungeons endet. Dennoch wirkten diese Szenen auf mich nicht zu aufgesetzt, sondern machten in dem Kontext Sinn. Zudem werden sie auch durch andere ergänzt, die den Kindern das gelegentliche Brechen kleinerer Regeln und den Abenteuerdrang als Teil des Lebens zugestehen. Das alles wirkt auf mich sehr lebendig und kindgerecht, da sinnvolle Botschaften übermittelt werden, ohne dass durch einen zu sehr erhobenen Zeigefinger abgeschreckt wird. Somit kann ich nicht nur Eltern beruhigen und ihren Kindern Pokémon Super Mystery Dungeon empfehlen, sondern jedem, der Pokémon mag und für etwas “kindlichere” Geschichten um Freundschaft und Entdeckerdrang zu begeistern ist.
Zusammenfassend kann ich sogar so weit gehen zu sagen, dass für mich als Pokémon Enthusiast Pokémon Super Mystery Dungeon mit seinem im Vergleich zur Hauptreihe gehobenen Schwierigkeitsgrad, den tieferen Charakteren, dem Ersatz des Fangens durch das Bilden von Freundschaften und dem höheren Wieder- beziehungsweise Weiterspielwert das deutlich spaßigere und spannendere Spiel ist. Lediglich wer seinen Spielspaß in Zucht oder im kompetitivem Kampf mit echten Mitspielern sucht, ist mit den Hauptspielen weiterhin besser bedient.
Bildquelle(n): Nintendo