Die erste Volume des Animes Erased – Die Stadt, in der es mich nicht gibt konnte mich im Test trotz holpriger Synchro auch im Deutschen überzeugen. Ob die nächsten und letzten sechs Episoden und insbesondere das Ende mich auch so begeistern konnten? Das erfahrt ihr im Test.
Vorsicht! Ab hier Spoiler zu Volume 1!
Tritt in meinen Salon…
Wenn ihr die ersten sechs Episoden gesehen habt, erinnert ihr euch vielleicht an das Gefühl, mit dem euch der Cliffhanger am Ende zurückließ. Eine Art hoffnungsloses Entsetzen. Airi war kraftlos in den Pfützen zusammengebrochen nachdem Satoru verhaftet wurde. Und durch das herabfahrende Geflecht aus dicken Regentropfen lächelte ausgerechnet der Mörder dem Mangaka höhnisch zu.
Als ich endlich Volume 2 in Händen hielt, war ich erleichtert: das Cover sah irgendwie gemütlich aus. Außerdem war darauf nicht nur wieder der junge Satoru zu sehen, sondern auch Kayo! Zwar ist das Cover damit ein Spoiler, aber einer den ich ob der deprimierenden Grundstimmung gut gebrauchen konnte. Apropos, guckt euch auf keinen Fall die Rückseite der Packung an – da ist wirklich ein riesen Spoiler abgebildet, der einem sofort ins Gesicht springt. Eine absolut dämliche Entscheidung von Kazé.
Sobald man den Pappschuber jedoch heruntergeschoben hat, offenbart sich ein anderes Cover. Ein nahezu komplett schwarzes, lediglich bewohnt von einer dunkelgrauen Spinne in ihrem Netz. “Oh man”, dachte ich mir und das Herz sank mir direkt in die Hose. Auf das Schlimmste gefasst, startete ich sie also – die letzten sechs Erased Episoden.
Nachdem mich im Hauptmenü diesmal das Outro statt des Intros begrüßt, muss ich in der siebten Episode die Verhaftung noch einmal durchleben. Kurz darauf geschieht, was das Cover schon verrät – Satoru springt ein (wie er sagt letztes) Mal zurück in seine Kindheit.
Freunde der Gerechtigkeit
Dort angekommen lässt sich Satoru dann keine ruhige Minute mehr. Er ist sich sicher, dass dieser Rerun seine letzte Chance ist. Doch geht nicht nur er selbst die ganze Sache anders an – er holt sich auch Verstärkung. Kenya, der schon im ersten Volume seine scharfe Beobachtungsgabe unter Beweis stellte und dadurch in einigen Momenten fast etwas gruselig und suspekt wirkte, nimmt hier eine deutlich größere Rolle an seiner Seite ein. Es entsteht eine wahre, noch tiefere Freundschaft, die deutlich zeigt, wie sehr Satoru als Charakter im Laufe des Animes gewachsen ist.
Während die beiden mit Hochdruck an Kayos Rettung arbeiten, wird der Anime nicht müde, die Zuschauer immer wieder in andere Richtungen zu führen. Erased legt rote Heringe aus, baut glaubwürdige Wendungen ein und erzeugt allgemein mit manchmal subtilen Kniffen große Spannung. Immer wieder tappt man deswegen im Dunkeln. Manchmal beginnt man plötzlich bestimmte Charaktere zu verdächtigen, weil sie in einer bestimmten Kameraperspektive zu sehen waren oder Ähnliches. Aber auch Eraseds Hauptcharakter selbst lässt einen leicht unruhig werden, man fragt sich, wie weit er gehen wird, um die Opfer zu retten.
Yokai-Mom, best Mom!
Es gab eine Szene, die so nervenaufreibend war, dass ich erst danach gemerkt hatte, dass ich die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Das ist mir soweit ich mich erinnern kann bisher nur in den Spielen “Outlast” und “Project Zero” passiert – Horrorspielen mit geschnitten dicker Atmosphäre. Neben dem stetig wiederkehrenden, mulmigen Gefühl in der Magengrube gibt es aber auch einige wunderbar fröhliche Szenen. Es gibt Momente echter Freundschaft, kleiner und größerer Siege des Guten über das Böse. Momente, in denen das Schlechte der Welt spürbar ist, aber aus einem gemütlichen Refugium ferngehalten wird.
Es folgt im nächsten Absatz ein recht kleiner Spoiler als Beispiel, danach geht es normal weiter.
Kayo wurde in Volume 1 immer und immer wieder von ihrer Mutter misshandelt. Sie wurde verprügelt und mit dem Kopf in eiskaltes Wasser gedrückt, dann in den kalten Schuppen geworfen, wo sie mit schmerzendem Körper glasig ins Leere starrte. Und von wo sie schließlich auch entführt und ermordet worden war. In Erased Volume 2 lebt Kayo aufgrund des Zeitsprungs nicht nur zumindest vorübergehend wieder, sie verbringt auch eine Nacht bei Satoru Zuhause. Der Moment, in dem ihr Sachiko, seine Mutter, ein Frühstück auftischt, ist grandios. Man sieht Rückblenden zu ihrem Zuhause, wo sie mal eine trockene Scheibe Toast, mal ein mickriger Münzgeldbetrag zum Frühstück begrüßten. Als sich in dieser Szene Kayos Augen angesichts des lecker aussehenden, dampfenden Essens – serviert von Sachiko, einer echten, fürsorglichen Mutter – mit Tränen füllten, konnte ich mir ehrlich gesagt selbst die eine oder andere Träne nicht verkneifen.
Ende des kleinen Spoilers
Somit hat zumindest mich Erased tatsächlich mit auf eine Gefühlsachterbahn genommen, deren Endstation doch etwas weiter weg lag, als ich vermutet hatte. Als einzigen Kritikpunkt an dem Anime kann ich mir vorstellen, dass die Auflösung dann doch etwas weniger raffiniert ausfällt, als man sich erhofft hätte. Auch wird wieder ein wenig mehr Übersinnliches ins Spiel gebracht, was vielleicht Einigen sauer aufstoßen mag. Mich persönlich hat beides nicht gestört, da ersteres sehr gut umgesetzt wurde und letzteres nicht zu dick aufgetragen war.
Re: Re: Erwachsene Frauen, die versuchen, wie stämmige, männliche Grundschul-Jungen zu klingen.
Das habe ich in der vorigen Review schon besprochen, aber es muss auch hier nochmal erwähnt werden. Die deutsche Synchro ist insgesamt okay, aber einige der Kinder reichen in ihrer stimmlichen Darstellung von “unüberzeugend” bis “lächerlich”. Auch Kazu “glänzt” hier wieder besonders. Wie gesagt, er wird von einer hervorragenden Sprecherin gesprochen. Aber hier ist sie meiner Meinung nach eben fehlbesetzt.
Mich persönlich haben gewisse Stimmen so gestört, dass ich nach der ersten Episode auch hier wieder auf Japanisch umgestellt habe. Nur für diese Review habe ich die Staffel dann nochmal komplett auf Deutsch geguckt.
Boni
Als Bonus liegt der Bluray wieder ein Code für die Online-Streaming Plattform Akiba Pass bei. Mit diesem schaltet man die entsprechenden Erased Episoden für das Streamen oder zum Downloaden frei. Hier allerdings nur auf Japanisch mit Untertiteln. Meiner Meinung nach “trotzdem” ein toller Bonus!
Außerdem enthält die Bluray selbst natürlich wieder das Clean Opening und Ending.
Erased – Immernoch amazed! *räusper*
Jedem, der auch nur einen oberflächlichen Blick auf meinen Notizblock zu Erased Volume 2 wirft, wird sofort klar, wie sehr mich der Anime emotional mitgenommen hat. Dort stehen zum Beispiel in aufgeregten Großbuchstaben so unbeherrschte Peinlichkeiten wie “HOLY. SHIT!” und “IT’S GOING DOWN”. Zu sowas lass ich mich sonst nur äußerst selten hinreißen. Aber Erased Volume 2 hat das mit Bravour zu Ende geführt, was die ersten sechs Episoden begonnen hatten. Eine wirklich, wirklich spannende Geschichte voller interessanter und teilweise sehr liebenswürdiger Charaktere wurde hier perfekt beendet. Es gibt absolut nichts außer Teilen der deutschen Synchronisation, das ich ernsthaft an Erased bemängeln könnte. Und selbst dieser Kritikpunkt verblasst im Gesamtbild völlig. Genau so wünsche ich mir Animes.
Infobox:
- Titel: Erased – Volume 2
- Publisher: Peppermint Anime
- Release: 26.05.2017
- Medium: DVD, Blu-ray
- FSK: 12
- Genre: Thriller, Mystery, Drama
- Sprachausgabe: Japanisch (Audio), Deutsch (Audio und Untertitel)
- Synchronsprecher: Kim Hasper, Sonja Spuhl, Claudia Schmidt, u. a.
- Besonderheiten: Code für Akiba Pass (digitale Version des Animes)
Bildquellen: Peppermint Anime, Kei Sanbe, KADOKAWA, Bokumachi Animation Committee