Seit nunmehr drei Wochen ist die Nintendo Switch in Deutschland erhältlich – oder vielmehr wäre sie erhältlich, würden Konsolen denn länger als wenige Minuten in den Händlerregalen überleben.
Seit nunmehr drei Wochen versuche ich außerdem einen Artikel zu verfassen, der die Konsole auf Herz und Nieren prüft. Selten fiel es mir so schwer.
Denn wenn die Switch funktioniert, ist sie ein beinahe magisches Erlebnis. Im einen Momente verliere ich mich noch auf meinem 50-Zoll-Fernseher in Hyrule und bloß einen Handgriff später passt die unglaubliche Welt auch schon zwischen meine Hände. Der nahtlose Übergang zwischen TV- und Handheld-Modus – und die Flexibilität, die dies mit sich bringt – übertrifft sämtliche meiner Erwartungen. In vielerlei Hinsicht erfüllt die Switch die Versprechen, die die Wii U nie halten konnte. Endlich kann ich mich weiter als drei Meter vom Fernseher entfernen ohne dass es zu Verbindungsabbrüchen kommt, endlich kann ich auf einen hochwertigen Screen blicken statt auf ein verwaschenes Sub-HD-Display.
Ich war schon immer eine Zockernatur, die den Komfort von Handhelds zu schätzen weiß. Egal, ob Nintendo DS oder PS Vita: Auch in meinen eigenen vier Wänden liebe ich es, mich gemütlich im Bett in den Schlaf zu spielen. Oder auf dem Sofa sitzend zu zocken während auf meinem TV eine seichte Netflix-Serie oder YouTube läuft. Oder auch dann weiterspielen zu können, wenn meine Freundin verlangt, auch mal den Fernseher nutzen zu dürfen. Die Switch ist groß genug, dass ich mich auch auf dem kleinen Bildschirm ins große Abenteuer stürzen mag, aber gleichzeitig gerade noch klein genug, um portabel zu sein. Die Nintendo Switch trifft meinen Lifestyle.
Gleichzeitig kämpfen Hard- und Software mit einem Rattenschwanz an Problemen und Kinderkrankheiten. Selten lagen Liebe und Frust so nah beieinander.
Handheld-Perfektion?
Wenn man den kleinen Switch-Karton öffnet, erklingt zwar leider nicht der legendären Schatztruhen-Jingle aus Zelda, aber dafür fördert man zwei winzige Joy-Cons samt Handgelenkschlaufen, einen Joy-Con-Grip, einen Dock, ein HDMI-Kabel, ein leider etwas kurz geratenes Netzkabel und natürlich die Handheld-artige Haupteinheit zu Tage.
Rastet man nun mit einem befriedigenden Klick die Joy-Cons an die Nintendo Switch, erhält man ein Tablet-artigen Handheld. Ein Handheld, der gerade noch klein genug ist, um portabel zu sein – und sich einfach richtig gut anfühlt. Besonders positiv überraschte mich direkt das 6,2 Zoll große Display, auf welchem Spiele wie Zelda: Breath of the Wild ganz und gar wundervoll und beeindruckend aussehen. Mit einer Auflösung von 720p reicht der schicke Screen zwar nicht an moderne Smartphone-Displays heran, er stellt aber einen wahren Quantensprung im Vergleich zu Wii U, Vita und insbesondere 3DS dar.
Die Nintendo Switch wirkt zwar zunächst ungewohnt breit, doch dieses Gefühl verfliegt nach kurzer Einspielzeit. Anders als beim Nintendo 3DS XL hatte ich bei der Switch auch nach stundenlangen Gaming-Sessions nicht mit krampfenden oder einschlafenden Händen zu kämpfen. Im Handheld-Modus bringt die Switch übrigens ein Gewicht von 398 Gramm auf die Waage – das sind lediglich 70 Gramm mehr als ein New 3DS XL. In die meisten Hosentaschen wird die Switch zwar trotzdem nicht passen – aber wer steckt schon einen Handheld tatsächlich in die Hosentasche?
Problematischer ist da vielleicht die Akkulaufzeit. Nintendo spricht bei geladener Batterie von 2,5 bis 6 Stunden Spielzeit. Zelda: Breath of the Wild hält bei maximaler Helligkeit knapp drei Stunden durch. Für lange Zugfahrten wird’s knapp. Aber immerhin: Da Nintendo USB-C zum Laden nutzt, kann die Switch unterwegs an eine Powerbank angeschlossen werden. Hier sollte man darauf achten, dass die Powerbank einen 2.4A-Anschluss besitzt. Bei einer Stromzufuhr von 1A zieht die Switch nämlich schneller Strom als geladen werden kann.
Ein Dock, das kratzt
Weniger positiv fällt der Ersteindruck im Konsolenbetrieb aus. Das Dock wirkt dank seines billigen Plastiks geradezu minderwertig. Steckt man die Switch hinein, ist das entstehende Konstrukt zudem etwas wackeliger als einem lieb wäre. Das ist nicht weiter problematisch – aber von einer 330 Euro teuren Investition, erhofft man sich ein wertigeres Feeling.
Problematischer sind hingegen Meldungen, die davon sprechen, dass das Dock das Plastikdisplay der Switch zerkratzen kann. Wenngleich bei unserem Testgerät auch nach mehreren Wochen ungeschützter Nutzung keine Kratzer festzustellen sind, ist es strengstens zu empfehlen einen Displazschutz anzubringen.
Hier hat man die Wahl zwischen Plastikfolien, die den Screen ausreichend vor Kratzern schützen und dabei unaufällig dünn sind, und Glasfilmen. Glasfilme sind zwar dicker als herkömmliche Folien, bieten dafür aber einige Vorteile. Sie sind deutlich leichter anzubringen, sie bieten perfekten Kratzerschutz und gewähren zudem züsatzlichen Stoßschutz. Wer eine Folie nehmen möchte, greift zur die Standard-Folie von Hori. Wer auf Glas setzen möchte, kann bei Amfilm oder Orzly zugreifen.
Das Dock besitzt zwar keine Extra-Hardware, verleiht der Switch aber troztdem einen Performance-Boost. Der Grund dafür: Da sich die Nintendo Switch im gedockten Zustand keine Sorgen um Hitzeentwicklung und Batterielaufzeit machen muss, darf der verbaute Tegra X1-Chip in diesem Modus auf volle Last aufdrehen.
Winzige Controller mit unerwarteten Schwächen
Die Joy-Cons geben einen soliden Controller-Ersatz. Egal, ob man sie einzeln nutzt oder in den mitgelieferten Grip legt, eines bleibt allerdings gleich: Aufgrund ihrer geradezu winzigen Größe benötigen sie eine gewisse Eingewöhnungszeit. Konnte ich mir anfangs nur schwer vorstellen, mit den Joy-Cons befriedigend im Konsolenmodus spielen zu können, verflüchtigte sich dieser Eindruck jedoch nach einigen Stunden. Insbesondere die Bewegungsfreiheit, die man genießt, wenn man auf den Grip verzichtet, empfinde ich als sehr komfortabel.
Auch hier gibt es allerdings einen Haken: Die Bluetooth-Verbindung des linken Joy-Cons ist ziemlich fehleranfällig. Wassergläser oder Körperteile können zu frustrierenden Verbindungsabbrüchen führen. Die Häufigkeit mit welcher diese Fehler auftreten, scheint vom privaten Setup abzuhängen und allgemein scheint nicht jeder Joy-Con gleichermaßen von dieser Problematik betroffen zu sein. Nintendo gelobte indes bereits Besserung. In einer Stellungsnahme machte man Variationen in den verschiedenen Fabriken verantwortlich, in welchen Joy-Cons hergestellt werden. Man habe das Problem inzwischen aber aus der Welt geschafft. Nutzer, die Joy-Con-Probleme haben, können diese bei Nintendo zur Reperatur einschicken.
Wer lieber ein traditionelles Pad in den Händen halten möchte, erhält mit dem Pro Controller eine Alternative. Mit einem Preis von 70 Euro ist dieser zwar nicht billig, liegt dafür aber auch mächtig gut in der Hand. Der Pro Controller ist fast frei von Kritik – aber eben nur fast. Denn einmal mehr hat Nintendo sich gegen analoge Schultertasten entschlossen. Warum Nintendo Triggern seit Generationen den Krieg ansagt, bleibt unverständlich.
Das Betriebssystem: Blitzschnell, aber funktionsarm
Das verspielte Nintendo war gestern. Die Benutzerführung der Switch ist extrem minimalistisch gehalten – und strahlt dabei eine Eleganz aus, die man von Nintendo so gar nicht kennt. Waren die Betriebssysteme von 3DS und Wii U frustrierend langsam, glänzen die Menüs der Nintendo Switch mit einer rasanten Geschwindigkeit. Ein riesiger Schritt nach vorne.
Der Funktionsumfang enttäuscht jedoch. Beliebte Apps wie der Aktivitätslog, der bei 3DS und Wii U aufschlüsselte wie lange man welches Spiel gespielt hat, fielen der Schere zum Opfer. Auch das Miiverse hat den Sprung auf die neue Nintendo-Generation nicht geschafft – ersatzlos. Dies bedeutet, dass es Switch-Nutzern nicht einmal möglich ist, simple Textnachrichten an Freunde zu schicken. Ein Achievement-System hat sich Nintendo einmal mehr genauso gespart wie einen systemweiten Party-Chat.
Zumindest letzteres soll in naher Zukunft behoben werden. Jedoch durch eine unkonventionelle Lösung, die für verdutzte Gesichter sorgt: Statt Freund-Features direkt in die Konsole zu integrieren, spendiert Nintendo der Switch eine Mobile-App. Über diese kann man Online-Lobbys erstellen und mit Freunden chatten.
Eine Wiederkehr mit Schrecken: Freundescodes
Für Frust sorgt zudem die Wiedereinführung von Freundescodes. Wer einen Kumpel hinzufügen möchte, kann nicht etwa nach Nutzernamen suchen, sondern muss einen 12-stelligen Zahlencode eingeben. Alternativ ist es auch möglich, Freunde aus Nintendos Mobile-Apps – Miitomo, Super Mario Run und Fire Emblem Heroes – zu importieren oder Spielern, mit denen man zusammen online gespielt hat, eine Freundschaftsanfrage zu schicken.
Der Grund für die Wiederkehr der Freundescodes lässt sich im neuen Nintendo-Account finden. Dieser nutzt Nicknames, die nicht einmalig sind; also von mehreren Spielern genutzt werden können. Es gibt zwar eine einmalige Nutzer-ID, doch diese ist nicht öffentlich einsehbar, sondern eine reine Log-In-ID. Eine kleine Hürde, um Hackern das Leben schwerer zu machen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Wer einen Freund hat, der sich einfallsreich „Link“ nennt, müsste sich durch hunderte Suchergebnisse klicken, um letztendlich den gewünschten Link zu finden. Eine eindeutige Zahlennummer vereinfacht in einem solchen Fall das Finden. Das erklärt allerdings nicht, weshalb man optional nicht trotzdem nach Nicknames suchen darf.
Zum Launch ist Online-Gaming kostenlos, ab Herbst will Nintendo jedoch einen Bezahlservice starten. Dieser wird Online-Gaming wie bei Xbox Live und PlayStation Plus hinter einer Bezahlsperre verstecken. Einen konkreten Preis nannte man noch nicht. Gegenüber seinen Investoren sprach man jedoch von einem angestrebten Preispunkt zwischen 20 und 30 Euro im Jahr. Als Zusatzfeature soll zudem monatlich ein NES- oder SNES-Spiel angeboten werden, welches mit einem neuen Online-Modus kostenfrei gespielt werden kann. Allerdings tatsächlich nur für einen Monat: Anschließend soll man die Spielrechte wieder verlieren. Es gibt zudem Andeutungen, dass der Bezahlservice auch Cloud-Saves umfassen wird.
Apropos Save-Files: Derzeit ist es unmöglich, Speicherdateien auf eine andere Konsole zu übertragen oder ein Backup zu erstellen. Jep, da kann man nur mit dem Kopf schütteln.
eShop: Minimalistisch und flott
Der Online-Store der Switch folgt der minimalistischen Design-Philosophie des Switch-Betriebssystems. Statt auf aufwendigen Animationen und großen Bannern zu setzen, werden Spiele in einem simplen Raster präsentiert. Das ist flott, übersichtlich und optisch ansprechend – es drängt sich jedoch die Frage auf, wie gut Nischenspiele entdeckt werden können, sobald viele Titel im eShop um Aufmerksamkeit buhlen. Immerhin gibt es eine umfangreiche Suche mit verschiedenen Filtern. Manch ein Konkurrent darf sich hiervon die ein oder andere Scheibe abschneiden.
Wer keine Lust hat, zum digitalen Spielekauf seine Konsole einschalten zu müssen, kann Titel auch auf der offiziellen Nintendo-Webseite kaufen. Automatische Downloads gibt es bei der Switch allerdings nicht.
Wer seine gekauften eShop-Spiele auf einer anderen Switch spielen möchte, muss im eShop zunächst seine Käufe auf der aktuellen Konsole deaktivieren. Es ist zwar möglich, sich auf unterschiedlichen Konsolen einzuloggen, gekaufte Spiele können allerdings nur auf einer Switch gleichzeitig aktiviert sein. Features wie Family Sharing werden bislang nicht angeboten.
Anders als 3DS und Wii U besitzt die Nintendo Switch über keine Ländersperre. Mit wenigen Handgriffen lässt sich beispielsweise ein japanischer Account erstellen mit welchem man auch Spiele aus dem japanischen eShop herunterladen kann. Insgesamt können acht verschiedene Nutzer der Switch hinzugefügt werden.
Die Spiele von heute: Die Zelda-Maschine
Das Line-Up fällt bislang überschaubar aus. Wer beim Händler seines Vertrauens auf Game-Jagd geht, findet lediglich vier Spiele vor: Zelda, Just Dance 2017, 1-2-Switch sowie Super Bomberman R. Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass die Switch derzeit voll und ganz eine Zelda-Maschine darstellt.
Etwas besser sieht die Situation allerdings aus, wenn man einen Blick in den eShop wirft. Für diejenigen, die mit Zelda: Breath of the Wild noch nicht völlig ausgelastet sind, wartet hier noch eine Reihe an Spielen, die auf einen Kauf warten. Besonders erwähnenswert sind hierbei der kreative Koop-Knobler Snipperclips, der rasante Future-Racer Fast RMX, die Switch-zeitexklusive Shovel Knight-Erweiterung Specter of Torment, das hypnotisierende Musikspiel VOEZ und das Retro-Revival Blaster Master Zero. Auch das idyllische Retro-RPG I Am Setsuna aus dem Hause Square Enix ist eine Erwähnung wert.
Retro-Fans müssen sich auf den Start der Virtual Console noch gedulden. Wer auf Klassiker solange nicht warten kann, findet bereits jetzt eine Auswahl an NeoGeo-Klassikern im eShop.
Die Spiele der Zukunft
Und was bringt die Zukunft? Bis zum Ende des Jahres möchte Nintendo nach derzeitigem Wissensstand die Wii U-Neuauflage Mario Kart 8 Deluxe (28. April), den neuen Cartoon-Fighter ARMS (Frühling), die Farbballerei Splatoon 2 (Sommer), das Actionspiel Fire Emblem Warriors (Herbst), das epische Rollenspiel Xenoblade Chronicles 2 (Ende 2017) sowie Super Mario Odyssey (Ende 2017) veröffentlichen. Weitere Überraschungen nicht augeschlossen.
Die Unterstützung großer Drittentwickler lässt jedoch weiterhin zu wünschen übrig. Ubisoft möchte das gefloppte Snowboard-Spiel Steep sowie Rayman Legends auf die Switch bringen. EA portiert FIFA und 2K Games NBA 2K18. Ein portable Version von Elder Scrolls: Skyrim für die Nintendo Switch stellt aus dem Westen wohl das Highlight dar. In Japan sieht die Situation etwas besser aus: Square Enix bringt Dragon Quest XI und mit Project Octopath Traveler das neue Spiel der Bravely Default-Entwickler auf die Switch. Atlus werkelt währenddessen an einer neuen Shin Megami Tensei-Episode, Namco Bandai an einem neuen Tales of und Marvelous an einem neuen Ableger von Story of Seasons. Wann diese Spiele allerdings bei uns erscheinen werden, steht in den Sternen.
Zum Glück gibts Indies: Denn unabhängige Entwickler scheint Nintendo bereits jetzt überzeugt zu haben.
Nintendo Switch – Fazit
Die Nintendo Switch ist alles andere als fehlerfrei. Die ein oder andere Kinderkrankheit kann den Spaß trüben. Das Betriebssystem wirkt mit seinem geringen Funktionsumfang geradezu wie eine Beta-Version und das Spiele-Aufgebot ist bislang mehr als überschaubar. So ein Glück, dass mit Zelda: Breath of the Wild ein waschechter Blockbuster der neuen Nintendo-Hardware den Rücken stärkt – und dass die Switch einfach unheimlich attraktiv ist. Nachdem die Wii U konzeptionell nie ganz überzeugen konnte, übt die Switch mit der gelungenen Symbiose aus Konsole und Handheld von der ersten Sekunde eine unverkennbare Faszination aus. Ob ein cleveres Hybrid-Prinzip für einen dauerhaften Erfolg ausreicht oder ob die Nintendo Switch als leistungsschwache Konsole mit teurem Handheld in die Geschichte eingehen wird, muss jedoch die Zukunft zeigen.